Trurl krempelte die Ärmel hoch, und innerhalb von drei Tagen erbaute er den Felix Contemplator Vitae, eine Maschine, die alles, was in ihr Blickfeld geriet, mit den rotglühenden Kathoden ihres Bewußtseins in sich aufnahm, und es gab nichts auf der Welt, was sie nicht in helle Freude versetzt hätte. Trurl hockte vor der Maschine und nahm sie kritisch unter die Lupe. Der auf drei Metallbeinen ruhende Kontemplator musterte die Umgebung neugierig durch seine Teleskopaugen, und ob sein Blick auf den Gartenzaun, einen Felsblock oder einen alten Schuh fiel, war völlig gleichgültig, er geriet jedesmal in maßloses Entzücken und stöhnte vor Wonne. Als noch dazu die Sonne unterging, und das Abendrot den Himmel rosig färbte, geriet er in Ekstase und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
„Klapauzius wird natürlich sagen, daß Stöhnen und Händeklatschen allein noch gar nichts besagen“, dachte Trurl mit wachsendem Unbehagen. „Er wird Beweise verlangen…“
Also installierte er im Bauch des Kontemplators ein Meßgerät von imponierender Größe, versah es mit einem vergoldeten Zeiger und eichte die Skala auf Glückseinheiten, die er „Hedonen“ oder kurz „Heds“ nannte. Ein Hed entsprach in quantitativer Hinsicht exakt dem Glücksgefühl, das jemand empfindet, dem endlich ein Nagel aus seinem Stiefel entfernt worden ist, nachdem er zuvor vier Meilen damit zurückgelegt hat. Er multiplizierte den Weg mit der Zeit, dividierte durch die Länge des vorstehenden Nagels, setzte den Koeffizienten des geschundenen Fußes vor die Klammer, und so gelang es ihm, das Glück in Zentimetern, Gramm und Sekunden auszudrücken. Trurl registrierte, daß sich seine Stimmung merklich hob. Während er sich über die Maschine beugte und sich an ihren Eingeweiden zu schaffen machte, richtete der Kontemplator seinen starren Blick auf Trurls mehrfach geflickten, ölverschmierten Arbeitskittel und registrierte je nach Neigungswinkel und Lichteinfall zwischen 11,8 und 18,9 Heds pro Ölfleck, Flicken und Sekunde. Damit waren auch die letzten Zweifel des Konstrukteurs wie weggeblasen. Unverzüglich stellte er weitere Berechnungen an: Ein Kilohed entsprach präzise den Gefühlen, welche die Greise bewegten, als sie Susanna im Bade heimlich beobachteten, ein Megahed — der Freude eines Mannes, den man in letzter Sekunde vor dem Galgen gerettet hatte. Als er sah, wie mühelos sich alles ausrechnen ließ, schickte er einen Roboter, dessen Qualifikation nur für niedrigste Laborarbeiten ausreichte, auf einen Botengang zu Klapauzius.
Zum eintreffenden Klapauzius sagte er nicht ohne Stolz: „Sieh dir's nur an, hier kannst du etwas lernen!“
Als Klapauzius die Maschine gründlich von allen Seiten in Augenschein nahm, richtete sie die Mehrzahl ihrer Teleobjektive auf ihn, stöhnte ein paar Mal vor Wonne und klatschte in die Hände.
Der Konstrukteur war über dieses Verhalten aufs äußerste erstaunt, ließ sich jedoch nichts anmerken und fragte leichthin:
„Was ist das?“
„Ein glückliches Wesen“, sagte Trurl, „genauer gesagt, ein Felix Contemplator Vitae, kurz Kontemplator genannt.“
„Ach, und was tut so ein Kontemplator?“
Der ironische Unterton dieser Frage blieb Trurl nicht verborgen, er beschloß jedoch, ihn zu überhören.
„Es ist ein aktiver Kontemplator“, erklärte Trurl, „er beschränkt sich nicht allein auf die unablässige Beobachtung und Registrierung sämtlicher Vorgänge, sondern er tut dies mit einem Höchstmaß an Intensität, Konzentration und innerer Anteilnahme, denn jedes beobachtete Objekt versetzt ihn in schier unaussprechliches Entzücken. Dieses Entzücken, das seine Elektroden und Stromkreise erfüllt, ruft den Zustand höchster Euphorie hervor, dessen äußere Zeichen in Gestalt von Stöhnen und Händeklatschen sogar dann auftreten, wenn er seinen Blick auf deine ansonsten ja eher banale Physiognomie richtet.“
„Du willst sagen, diese Maschine zieht aus der Beobachtung aller Dinge aktiven Lustgewinn?“
„Genauso ist es!“ sagte Trurl, allerdings mit sehr gedämpfter Stimme, denn aus irgendeinem Grunde fühlte er sich nicht mehr so selbstsicher wie noch vor wenigen Augenblicken.
„Und dies soll dann wohl ein Felizitometer sein, an dem der jeweilige Grad des existentiellen Wohlbehagens abzulesen ist?“
Klapauzius deutete auf die Meßskala mit dem vergoldeten Zeiger.
„Ja, weißt du, dieser Zeiger…“
Klapauzius machte sich daran, den Kontemplator anhand verschiedenartigster Objekte gründlich zu testen, wobei er den Zeigerausschlag auf der Meßskala gewissenhaft im Auge behielt. Trurl war sehr erleichtert und hielt ihm sogleich eine einführende Vorlesung zur Theorie der Hedonen, das heißt zur theoretischen Felizitometrie. Ein Wort gab das andere, Frage und Gegenfrage lösten einander ab, bis Klapauzius Trurls Redefluß plötzlich stoppte:
„Es wäre doch interessant, wieviel Einheiten wohl bei folgender Situation herauskämen: Ein Mann ist dreihundert Stunden lang geschlagen worden, plötzlich gelingt es ihm, den Spieß umzudrehen und er schlägt seinem Peiniger den Schädel ein.“
„Überhaupt kein Problem!“ sagte Trurl und war schon fieberhaft mit den entsprechenden Berechnungen beschäftigt, als in seinem Rücken das schallende Gelächter seines Freundes ertönte. Völlig verwirrt fuhr er herum, und Klapauzius sagte immer noch lachend:
„Oberstes Prinzip deiner Erfindung sollte doch das Gute sein, wenn ich mich recht erinnere, nicht wahr? Wirklich, alle Achtung, der Prototyp ist dir gelungen! Mach nur so weiter, und du wirst es weit bringen! Fürs erste darf ich mich wohl verabschieden.“
Er schloß die Tür hinter sich und ließ einen völlig gebrochenen Trurl zurück.
„Und darauf bin ich hereingefallen! In den Boden versinken könnte ich!“ ächzte der Konstrukteur. Sein Seufzen und Wehklagen vermischte sich mit dem ekstatischen Stöhnen des Kontemplators, was ihn so in Rage brachte, daß er die Maschine unverzüglich unter einem Haufen alten Gerümpels in der Abstellkammer verschwinden ließ und die Tür hinter sich sorgsam verriegelte.
Dann setzte er sich an seinen leeren Schreibtisch und sagte: „Ich habe die Kategorien des ästhetisch Schönen und des moralisch Guten einfach gleichgesetzt — und mich damit zum Narren gemacht. Den Kontemplator kann man wohl beim besten Willen nicht als vernunftbegabtes Wesen bezeichnen. Und was folgt daraus? Man muß ganz anders an die Sache herangehen, das Konzept muß bis ins letzte Atom geändert werden. Glück — ja natürlich, Daseinsfreude — selbstverständlich, aber nicht auf Kosten anderer! Nicht vom Bösen darf sie herrühren! Doch halt, was ist eigentlich das Böse? Ach, erst jetzt erkenne ich, wie schändlich ich bei meiner bisherigen Tätigkeit als Konstrukteur die Theorie vernachlässigt habe.“
Acht schlaflose Tage und Nächte hindurch widmete Trurl sich ausschließlich dem Studium höchst wissenschaftlicher Werke, welche allesamt die gewichtigen Fragen von Gut und Böse zum Gegenstand hatten. Wie sich herausstellte, überwog unter den Weisen die Meinung, das Wichtigste sei die aktive Sorge um den Mitmenschen sowie ein allumfassender guter Wille. Das eine wie das andere müßten vernunftbegabte Wesen in ihrem Verhältnis zueinander an den Tag legen, sonst sei alles verloren. Allerdings hat man unter eben dieser Losung die einen gepfählt, gevierteilt und aufs Rad geflochten, anderen die Glieder in die Länge gezerrt, den Schlund mit feurigem Blei ausgegossen und Knochen für Knochen auf der Folterbank gebrochen. Historisch hat sich der allumfassende gute Wille noch in zahllosen anderen Formen und Spielarten der Tortur manifestiert, denn er galt ja einzig und allein der Seele, nicht dem Körper.