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»Wie auch immer. Punkt eins, es gibt in unseren Akten keinen Derjak. Das Ähnlichste war ein Ten Haake aus Belgien, und der sitzt. In ganz Europa haben wir niemanden dieses Namens, wie es aussieht. Jetzt brüten die Amerikaner über der Sache.«

»Gut. Zweitens.«

»Wir haben versucht, Kuhn auf seinem Handy zu erreichen, zwecklos. Wir probieren es weiter. Dafür hat uns Dublin ein paar dezidierte Informationen zu Clohessy zukommen lassen. Sie wissen natürlich auch nicht alles, aber dass Clohessy mit der IRA gebrochen hatte und von denen gesucht wird, scheint sich zu bestätigen.«

Lavallier zog die Brauen zusammen.

»Das heißt, Clohessys falsche Identität…«

»Na ja, wir wollen nicht allzu optimistisch sein. Aber wie es aussieht, könnte es sich tatsächlich um eine interne Sache der Iren handeln. Clohessy wollte offenbar raus, weil er zu dem Schluss gelangte, die IRA hätte sich erledigt. Alles, was jetzt noch folgen würde, wäre kein Kampf mehr um eine gerechte Sache, sondern nur noch Terror aus Perspektivlosigkeit.«

»Woher wissen die das?«

»Von V-Leuten aus Ulster. Er hat versucht, sich friedlich abzusetzen, aber sie wollten ihn nicht gehen lassen.«

Dasselbe, was ich eben der Geschäftsleitung erzählt habe, dachte Lavallier. Der extremistische Flügel wird weitermachen, ungeachtet dessen, ob es einen Sinn ergibt oder nicht. Clohessy dürfte ein wandelndes Verzeichnis der technischen Intelligenz der Iren sein. Einer der wenigen, die im Stande wären, den Engländern wirklich zu helfen im Wettlauf um die ausgefeilteste Technologie, weil er wusste, wie die IRA dachte.

Es war sonnenklar, dass sie ihn erledigen mussten.

»Wir haben auch Kuhn überprüft«, sagte Bär.

»Und?«

»Alter Achtundsechziger. Hat sich in den Studentenrevolten engagiert, aber eher als Mitläufer. Hier und da ein bisschen aufgefallen durch Äußerungen zur Situation der Dritten Welt, nichts Ernsthaftes. Dasselbe unausgegorene Zeug, das auch Baader-Meinhof umtrieb, allerdings gibt es keine Berührungspunkte zu RAF, Bewegung 2. Juni, Rote Zellen und wie sie alle hießen. Eine Nacht im Knast verbracht, weil er den einzigen Stein in seinem Leben geworfen und dummerweise sofort jemanden getroffen hat. Danach wird er bürgerlich und tüchtig. Karriere durch verschiedene Verlage, einige Jahre als Korrespondent in den Staaten, mittlerweile Cheflektor bei Rowohlt und O’Connors persönlicher Betreuer.«

»Politisch engagiert?«

»Eher retrospektiv und theoretisch. Aber er scheint ein fähiges Köpfchen zu sein. Wir haben seinen Verlag angerufen, er hatte natürlich keinerlei Anweisung, heute irgendwohin zu fahren.«

»Klar. Was hast du denen erzählt?«

Bär winkte ab. »Nichts. Sie wollten natürlich tausend Dinge wissen.

Interessant ist, dass diese Kirsten Wagner – O’Connor nennt sie Kika – als Wachhund auf O’Connor angesetzt wurde. Sie ist seine Pressereferentin, aber ihr eigentlicher Auftrag lautete sicherzustellen, dass er nicht zu sehr über die Stränge schlägt.«

»Mir kommt es vor, als hätte sich der Wachhund an die Leine legen lassen«, sagte Lavallier zweifelnd.

»Mir auch. Kuhn und O’Connor kennen sich jedenfalls eine ganze Reihe von Jahren. Ich weiß nicht, was sie über den Job hinaus miteinander verbindet, aber nehmen wir mal an, Clohessy glaubt – es würde ja reichen, wenn er es nur glaubt –, O’Connor sei ihm im Auftrag der IRA auf den Fersen. Er wird natürlich unruhig. Nachts sieht er O’Connor und Wagner dann vor seinem Haus stehen, und Kuhn rückt ihm sogar auf die Bude.«

»Hm.«

»Gefällt dir nicht, was?«

»Doch«, beeilte sich Lavallier zu versichern. »Es gefällt mir sehr gut. Weißt du, es gefällt mir irgendwie zu gut. Es würde so viele Probleme lösen, dass ich gar nicht wage, weiter darüber nachzudenken, nur dass mir diese SMS nicht schmeckt: Derjak schießt, Pieza, Spiglen und der ganze Rest. Sie passt irgendwie nicht in deine Theorie. – Haben wir übrigens was in Clohessys Wohnung gefunden?«

»Nichts, was auf einen Kampf hindeutet. Keine signifikanten Fusseln, Haare, ich sagte ja, es scheint, als sei er überhastet aufgebrochen und habe ein paar Sachen mitgenommen. Sein Mobiliar kannst du an einer Hand abzählen. Die Spurensicherung hat einiges sichergestellt. Sie nehmen es gerade unter die Lupe. Sie haben einen Block gefunden, Clohessy muss etwas mit der Hand darauf geschrieben und das Blatt dann abgerissen haben, aber die Schrift hat sich durchgedrückt. Vielleicht eine Spur.«

»Na gut. Gehen wir wieder rein.«

»…lade Sie gern zum Mittagessen ein«, sagte Mahder gerade zu Wagner, als sie das Büro betraten.

»Sehr gern, wir müssen ohnehin .«

»…gibt kein verbindliches Rezept für Irish Stew«, hörten sie O’Connor dazwischen zu Pecek sagen. »Die Vermutung liegt nahe, dass Irish Stew ebenso eine Erfindung der Deutschen ist wie die Pizza, die von den Süditalienern in den späten Sechzigern übernommen wurde und…«

»Ach. Ich dachte eigentlich immer…«

Lavallier schüttelte den Kopf, schickte Mahder, O’Connor und Wagner mit Bär in dessen Büro und sprach einige Minuten allein mit Josef Pecek. Der Techniker wusste wenig über Ryan O’Dea zu sagen. Sie hatten zusammen am Terminal 2 gearbeitet und zwei-, dreimal an den Hangars. Seiner Erfahrung nach war O’Dea ein Mann, der über seine Vergangenheit nicht gern sprach.

»Er hatte etwas Gehetztes«, sagte Pecek. »Ich konnte es in seinen Augen lesen. Und einmal hat er etwas gesagt, was ich behalten habe, weil es so merkwürdig klang. Dieser Job hier, sagte er, dieses Leben sei seine letzte Chance. Ich glaube, er wünschte sich nichts mehr, als in Ruhe gelassen zu werden.«

»Sie haben ihn nicht gefragt, was er damit meinte?«

»Wie schon gesagt, er wollte in Ruhe gelassen werden. Ich bin ein einfacher Mensch, Herr Kommissar. Wenn mir jemand sagt, er will in Ruhe gelassen werden, dann lasse ich ihm seine Ruhe.«

Lavallier sann darüber nach. Dann schickte er Pecek zurück an seine Arbeit, studierte die Liste der Einsätze, die Mahder ihm mitgebracht hatte, und ließ sich mit Stankowski verbinden.

»Brauers Leute und die Technik kriechen seit einer Stunde überall herum, wo Clohessy jemals Hand angelegt hat«, sagte der Verkehrsleiter. »Sie finden nichts. Nicht mal einen Kratzer.« Er machte eine Pause. »Lavallier, im Ernst, ich will ja nichts verharmlosen, aber wir hatten gestern eine umfassende Detailbesprechung mit Major Tom. Es ist alles auf Herz und Nieren gecheckt. Sind Sie sicher, dass die Geschichte mit Clohessy unsere Landungen betreffen könnte?«

Könnte. Würde. Wenn und Aber.

Lavallier seufzte. Er wusste, dass das USDAO, Stankowski und Knott am Tag zuvor drei Stunden im finalen G-8-Meeting verbracht hatten. Die SI, das Auswärtige Amt, Feuerwehr, Luftraumkontrolle, Militär, alle hatten sich eingefunden, um tausendmal besprochene Dinge noch einmal zu besprechen. Major Nader seinerseits hatte zwei Vertreter der Air Force One mitgebracht. Die Verkehrsleitung hatte jede Garantie dafür abgegeben, dass alles verlaufen würde wie geplant.

»Nein«, sagte Lavallier. »Ich bin nicht sicher.«

»Eric.« Immer, wenn er es wirklich ernst meinte, wechselte Stankowski zu Lavalliers Vornamen. »Tun Sie, was Sie tun müssen. Sie wissen, dass Ihnen keiner reinredet. Aber bedenken Sie, dass wir uns bis auf die Knochen blamieren würden. Das USDAO hat kein Problem damit, wenn wir ernsthafte Bedenken anmelden. Die Sicherheit ihres Präsidenten geht ihnen über alles. Aber sie hätten bestimmt ein Problem damit, wenn wir ihnen wochenlang erzählen, es sei alles in

Ordnung, und dann stellt sich in letzter Minute raus, dass wir nicht mal unsere eigenen Leute vernünftig überprüfen. Die Sache mit O’Dea ist peinlich! Sie ist beschämend! Wir müssten die Hose weiter runterlassen, als ein Paar Beine lang ist!«