Elf Millionen Dollar hatten sie ihr bezahlt. Für nichts!
Wie hatte er sich nur dazu breitschlagen lassen können, diesem Blödsinn zu vertrauen? Laserwaffen! Allein der YAG. Drei Millionen extra. Ein Irrsinnsaufwand, der Transport aus dem Institut für Hochenergielaserforschung im kalifornischen Redondo Beach über Moskau, damit Mirko seine falschen Fährten legen konnte. Und dann diese Frau, die man nicht zu Gesicht bekam. Lächerlich! Auch Mirko hatte nicht gehalten, was sie sich von ihm versprochen hatten.
Das war es! Genau hier lag das Problem. Dieser Präsident schuf ein Amerika, in dem nicht mal die Schurken noch was taugten.
Er drehte sich um und starrte auf die Inschrift über dem Portal der alten Klosterkirche.
»In God we trust.«
Alter, sentimentaler Narr, dachte er. Du solltest nicht mehr herkommen. Er hatte diese Klosterkirche in den Appalachian Mountains geliebt, als Ort der Einkehr fernab von seinen Büros, Gebäuden, Fabriken und Geldmaschinen. Jetzt war ihm alles fremd. Alles verdorben. Das Trojanische Pferd war auseinander gebrochen, die anderen verstimmt, weil sie fanden, er habe es verpatzt.
Er. Ausgerechnet!
Der Alte schnaubte.
Ohne den Bergen von Tennessee noch einen Blick zu widmen, ging er ins Innere, wo seine Leute warteten.
ANHANG
»Lautlos« streift eine Reihe von Themen, die unsere heutige Welt prägen: Terrorismus, Nationalismus, Krieg, Medienkultur, Menschenrechte, Wissenschaft und so weiter.
Dem einen oder anderen werden sich beim Lesen vielleicht Fragen dazu stellen. Natürlich kann und will das Buch nicht jede dieser Fragen erschöpfend beantworten. Es ist ein Roman und kein Sachbuch.
Für alle, die dennoch mehr wissen wollen über den Krieg im Kosovo, über Terrorismus, über mafiose Strukturen in Russland, über Amerika, über die Abbremsung von Licht und über Whisky, habe ich diesen Anhang geschrieben. Er vertieft einige der angesprochenen Aspekte, erleichtert das Verständnis und gibt vielleicht die eine oder andere Antwort.
ÜBER DEN KOSOVO-KONFLIKT
Die Geschichte des Kosovo ist sehr komplex. Für die Serben ist das Kosovo »Heilige Erde«. Es gilt ihnen als die Wiege der serbischen Nation, obwohl das erste serbische Reich im neunten Jahrhundert in Raszien entstand, dem heutigen Sandzak. Tatsächlich hatte das Kosovo bis zum 12. Jahrhundert zum byzantinischen Reich gehört, erst dann wurde es Teil des serbischen Reichs – für fast zweihundert Jahre.
Fast jeder dürfte von der Schlacht auf dem Amselfeld, dem kosovo polje, gehört haben. Mit ihr begann, was 1999 vorläufig endete – der beständige Kampf um ein Stück Land, das wie kaum ein anderes in Europa zum Mythos hochstilisiert worden ist. Am Veitstag, dem 28. Juni 1389, erlitt der serbische Fürst Lazar auf ebendiesem Amselfeld, dem heutigen Kosovo, eine Niederlage gegen das Heer des türkischen Sultans Murad I.; in Lazars Heer fanden sich übrigens auch Albaner, Ungarn, Kroaten und Bulgaren.
Die Niederlage traf die Serben darum so hart, weil das Kosovo im 14. Jahrhundert der weltliche und religiöse Mittelpunkt des serbischen Reichs war, Kornkammer, Weideland und Weingebiet, reich an Bodenschätzen. Prizren war Hauptstadt des serbischen Großreichs, in Pec residierte der Patriarch. Mit Lazars Niederlage endete darum nicht nur eine Schlacht, sondern der gesamte serbische Feudalstaat. Das Ende einer Ära war besiegelt.
Die serbische Mythologie funktionierte die Niederlage denn auch schnell in einen Sieg um, genauer gesagt zu einer Verheißung des Sieges. Lazar sei für das christliche Abendland gefallen, den kulturellen Kampf hingegen habe er gewonnen, den Kampf um den Glauben und die christlichen Ideale. Der Tag werde kommen, da auf Niederlage und Tod Sieg und Auferstehung folgen würden – und dauere es Jahrhunderte!
Ebendiese Verheißung hat Milosevic 1989 heraufbeschworen, als sich die Schlacht auf dem Amselfeld zum sechshundertsten Male jährte. Getrübt wurde seine flammende Vision nur durch den Umstand, dass im Kosovo zu dieser Zeit über neunzig Prozent Albaner und die restlichen Serben sozusagen in der Diaspora lebten.
Aber der Reihe nach.
Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts findet sich das Kosovo endgültig unter osmanischer Herrschaft wieder. Gut fünfzig Jahre später umfasst die osmanische Herrschaft auch sämtliche albanischen Gebiete. Hatten die Albaner zur Zeit des Großserbischen Reichs keine bedeutende historische Rolle gespielt und vorwiegend in den Bergen gelebt, während die Serben die Hochebenen bewirtschafteten, konvertierten die meisten Albaner nun zum Islam und arbeiteten auf den osmanischen Feudalgütern im Kosovo. Sie begannen die Region zu besiedeln.
1690 verzeichnet die Geschichte die »Große Wanderung« der Serben aus dem Kosovo nach Ungarn, was genauer gesagt einem Exodus von mehr als dreißigtausend serbischen Familien gleichkommt. Damit haben die Serben das Kosovo endgültig verloren.
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts erheben sich die Serben gegen die Osmanen. Es kommt zu Aufständen. 1830 wird das Fürstentum Serbien ausgerufen, ein halbes Jahrhundert später formiert sich die »Liga von Prizren«, die albanische Nationalbewegung, im Kosovo.
1912 bricht der erste Balkankrieg aus. Die Allianz aus Bulgaren, Serben, Griechen und Montenegrinern vertreibt die Osmanen endgültig vom Balkan. Die Serben erobern das Kosovo »zurück« und töten die Albaner zu Tausenden. Wenige Jahre später wird das Kosovo Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, kurz SHS, aber die Kämpfe nehmen kein Ende. Bis in die zwanziger Jahre liefern sich serbische Cetniks und albanische Kacaks blutige Gefechte. 1929 wird aus SHS das Königreich Jugoslawien, bis Hitler 1941 dort einfällt und das jugoslawische Territorium zwischen Italienern und Deutschen aufteilt. Damit entsteht unter den Besatzungsmächten ein »Großalbanien« unter Einschluss des Kosovo.
Nach dem zweiten Weltkrieg schafft Tito die jugoslawische Monarchie zugunsten einer sozialistischen Föderation ab. Das Gebilde aus sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Provinzen erweist sich als politisch stabil, das Kosovo kommt zeitweise zur Ruhe – 1966 wird sogar der serbische Innenminister wegen Repressalien gegen die Kosovo-Albaner abgesetzt. Acht Jahre später schließlich werden dem Kosovo umfassende Selbstbestimmungsrechte eingeräumt.
Tito stirbt 1980. Sechs Jahre danach gelangt ein Mann an die Macht, der bis dahin ein gehorsamer kommunistischer Apparatschik gewesen war, ein eher bürokratischer Typ. Sein Name ist Slobodan Milosevic. Er wird Parteichef in Serbien.
Am 24. April 1987 kommt es zu Demonstrationen der Serben in Kosovo Polje westlich von Pritina. Milosevic verspricht: »Niemand darf euch schlagen!« Die serbische Mobilisierung im Kosovo nimmt ihren Anfang. Bereits ein Jahr später spricht Milosevic offen vom »Sieg im Kampf um das Kosovo« und der »Wiederherstellung der nationalen Einheit Serbiens«. Im März 1989 hebt das serbische Parlament verfassungswidrig die Autonomie des Kosovo auf. Im Mai wird Milosevic serbischer Präsident. Zusammen mit über einer Million Serben begeht er im Kosovo den sechshundertsten Jahrestag der Schlacht vom Amselfeld und verspricht den Serben, ihnen zurückzugeben, was ihnen zustehe. Er erklärt die Albaner zu »Feinden seit sechshundert Jahren«. Zwietracht und Verrat hätten das serbische Volk in seiner langen Geschichte wie ein Fluch verfolgt. Nun aber gelte es, »den Geist der Eintracht, der Zusammenarbeit und der Ernsthaftigkeit zu pflegen!«.
Für die Albaner im Kosovo beginnt ein Jahrzehnt der Repression, Apartheid und Erniedrigung.
1990 erklärt sich das Kosovo für unabhängig und gibt sich unter Ibrahim Rugova eine eigene Verfassung. Zugleich hebt eine neue serbische Verfassung die Autonomie des Kosovo nun auch formell auf. 1992 gewinnt Rugova mit seiner Partei LDK die Parlamentswahlen im Kosovo, die Serbien zwar verboten, aber kaum behindert hat. Man nimmt Rugova und seinen Schattenstaat nicht sonderlich ernst.