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Sie hoffte für den Taxifahrer, der die Ehre mit O’Connor haben würde, dass sein Gast nicht auf die Idee kam, Warp-Geschwindigkeit zu befehlen. Falls doch, musste Kuhn eben eine Weile zusehen, wie er allein mit ihm fertig wurde.

Unterdessen hatte O’Connor offenbar Gefallen am Vokabular von Star Trek gefunden. Er ließ seinen Blick schweifen und zeigte auf eine Gruppe Japaner.

»Vulkanier«, sagte er.

Wagner lachte leise und ging weiter. Er hielt sie am Arm fest. Etwas, das sie normalerweise hasste. Aber sein Griff hatte nichts Forderndes.

»Bleiben Sie doch mal stehen, Kaki… Kika. Pardon. Gaby.« O’Connor senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Der Flughafen ist unterwandert. Extraterrestrische Intelligenzen. Ich schlage vor, wir türmen.«

»In der Tat.« Wagner blickte einmal in die Runde. »Wir müssen es der Sternenflotte melden.«

»Unbedingt«, rief O’Connor und strahlte.

»Aber erst fahren wir ins Hotel, ja?«

Er schien nachzudenken.

»Wieso?«, sagte er gedehnt. »Wollten wir nicht irgendwo was trinken? Ich hätte wirklich gern was zu trinken, Gaby. Meine Kehle ist trocken wie ein Wurmloch. Wollen Sie, dass ich verdurste?«

»Im Hotel gibt es jede Menge zu trinken«, sagte Kuhn. »Wir trinken was im Hotel.«

O’Connor griff nach seiner Nasenspitze und ließ sie wieder los.

»Wer hat denn gesagt, dass wir ins Hotel fahren?«

»Sie.«

Die lapidare Antwort schien Wunder zu wirken. O’Connor setzte sich wortlos wieder in Bewegung. Wagner kam sich vor wie in einer Springprozession. Einen Schritt vor, zwei zurück. Sie fragte sich, wie betrunken der Physiker tatsächlich war. Irgendetwas sagte ihr, die Hälfte sei bloßes Theater. Mindestens die Hälfte.

Sie fühlte ihre Geduld schwinden und beschleunigte ihr Tempo. Die Flügeltüren glitten auseinander.

»Paddy!«, schrie O’Connor unvermittelt.

Wagner blieb stehen, holte tief Luft und fuhr herum. Lächeln, dachte sie. Freundlich sein. Denk an deinen Auftrag, er soll glauben, du bist seine Pressetante, nicht sein Wachhund. Pressetanten sind einfühlsam und lieb und endlos belastbar.

Sie konnte an Kuhns Miene sehen, dass er sich ernsthaft Sorgen machte. Plötzlich tat er ihr leid. Später würde ihn keiner danach fragen, wie schwer er es mit O’Connor gehabt hatte.

Sie im Übrigen auch nicht.

»Wir müssen dann mal«, sagte sie sanft. »Wirklich, Dr. O’Connor. In der Buchhandlung warten alle auf Sie, und .«

O’Connor hörte nicht zu. Er starrte in eine andere Richtung und begann dann, von ihnen fortzulaufen, zurück in Richtung Rolltreppe.

»Paddy Clohessy! Patrick!«

»Ich halt’s nicht aus.« Kuhn kniff die Lippen zusammen. »Dieses gottverfluchte Arschloch wird wieder alles kaputtmachen.« Sein rechtes Bein zuckte. Dann ging er dem davoneilenden Doktor mit vor Wut steifen Schritten nach. Wagner folgte ihm. Sie wusste, was sich in Kuhns Innerem abspielte. Er sah den Termin im Physikalischen Institut platzen. Es würde den üblichen Eklat nach sich ziehen. Memoranden würden geschrieben werden. Er würde pausenlos telefonieren und Entschuldigungen stammeln müssen. Sie würden ihn lynchen, häuten und vierteilen, erst in Köln, dann in Hamburg.

»Dr. O’Connor!«

O’Connor war stehen geblieben. Er wirkte plötzlich weit weniger betrunken als zuvor. Sein Finger wies in die Richtung, in der die Aufzüge lagen.

»Können wir jetzt gehen?«, bat Kuhn. »Sie werden die Signierstunde verpassen.«

O’Connor sah ihn an.

»Das war Paddy Clohessy«, sagte er.

»Ja, fein. Ich weiß nicht, wer das ist. Ich gebe nur zu bedenken…«

»Er ist in dem Aufzug verschwunden. Nicht zu fassen. Wir müssen hochfahren. Wo fahren die Aufzüge denn hier überall hin?«

»Nach oben«, seufzte Kuhn. »Nach unten. Wohin Sie wollen.«

O’Connor nickte befriedigt.

»Nach oben!«

Sie fügten sich in ihr Schicksal und fuhren mit dem fraglichen Lift in den ersten Stock. O’Connor streunte eine Weile zwischen den Countern herum und kam kopfschüttelnd zurück.

»Was ist unten?«, fragte er.

»Nichts. Die Straße.« Kuhn bleckte die Zähne. »Möchten Sie die Straße sehen? Man kommt von da ganz prima zu den Parkplätzen. Wirklich ganz wunderbar.«

O’Connor wirkte unentschlossen.

»Entweder«, sagte Wagner ruhig, »kommen Sie jetzt mit, oder Sie dürfen mich nicht mehr Gaby nennen. Was ist Ihnen lieber?«

Schließlich gab er auf. Sie schafften es ohne weitere Zwischenfälle zu den Taxis. Kuhn verfrachtete den Physiker auf den Vordersitz eines BMW und stieg selbst hinten ein. Wagner beugte sich zum Seitenfenster hinunter und gönnte sich einen letzten Blick in O’Connors Augen.

Er sah zurück. Ebenso gut hätte er ihr eine Einladung schicken können, sich unbekleidet in seinem Badezimmer einzufinden.

Die Scheibe summte herunter.

»Was heißt denn nun Kika?«, fragte er.

»Kirsten Katharina. Mir hat weder das eine noch das andere gefallen. Meinen Eltern offenbar auch nicht. Ich heiße Kika, seit ich denken kann.«

O’Connor versuchte so etwas wie eine Verbeugung. Sitzend und angeschnallt sah es ziemlich komisch aus.

»Kika«, sagte er. »Ki-Ka!«

»Bis später.« Sie klopfte zum Abschied gegen die Tür und wartete, bis der Wagen losgefahren war.

Kuhn hatte nicht einmal gelogen, als er sagte, O’Connor sei der netteste Mensch der Welt.

Er hat lediglich vergessen zu erwähnen, wie nett.

1998. 09. DEZEMBER. KOELN

Die Frau, die am frühen Abend die Passkontrolle des Köln-Bonn Airport durchschritt, sah der Unternehmerin Laura Firidolfi ebenso wenig ähnlich wie der Person, die Mirko in Triora getroffen hatte. Der Beamte warf einen flüchtigen Blick auf ihre Dokumente und nickte, den Blick schon auf den nächsten Ankömmling gerichtet. Die

Maschine aus Turin war nicht voll gewesen. Die Abfertigung erfolgte reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse, sah man davon ab, dass eine der gefährlichsten Frauen der Welt Kölner Boden betrat. Hätte der Beamte die Höflichkeit der Briten besessen, hätte er sich möglicherweise ein Lächeln und ein »Danke, Signora Baldi« abgerungen, aber hier war Deutschland.

Jana rückte die getönte Brille den Nasenrücken hinauf und beobachtete sich im Näherkommen in der Scheibe eines Schaukastens, als sie mit den anderen Passagieren zu den Gepäckbändern schritt. Die Frau, die ihr entgegenkam, hatte graues, straff nach hinten gebürstetes Haar, trug einen etwas aus der Mode gekommenen Mantel und wollene Handschuhe. Die Umhängetasche war aus Leder und sicher nicht billig gewesen, mittlerweile aber ebenso abgewetzt wie ihre Besitzerin. In wenigen Minuten würde sie ihren Koffer hinter sich herzerren, ohne dass sich ein aufmerksamer Mann fände, um ihr die Last abzunehmen. In ihrer Erscheinung gehörte die frühzeitig ergraute Frau mit dem arthritischen Gang zu jener Kategorie von Menschen, die sich buchstäblich durch nichts kenntlich machen, weder durch gutes noch durch schlechtes Aussehen, und die man aussortiert, bevor man sie richtig wahrgenommen hat.