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»Wir wollen versuchen, ihn hierherrufen zu lassen.«

Tomaselli schaltete die Sprechanlage ein: »Kathy«, sagte er, »versuchen Sie, Dr. Reubens zu finden.«

Sie warteten schweigend. Von dem Gang draußen konnten sie die gedämpfte Stimme aus der Lautspreche ranlage des Krankenhauses hören: »Dr. Reubens, Dr. Reubens.« Gleich darauf schnarrte das Telefon. Tomaselli nahm den Hörer ab und meldete sich. Dann reichte er ihn O'Donnell.

»Reub? Hier ist Kent O'Donnell.«

»Ja, was kann ich für Sie tun?« O'Donnell vernahm die dünne, präzise Stimme von Reubens durch den Apparat.

»Hatten Sie eine Patientin« - er blickte auf Tomasellis Notizen, die der Verwaltungsdirektor ihm hingeschoben hatte -, »eine Mrs. Bryan?«

»Ja, das stimmt. Was ist denn? Hat ihr Mann sich beschwert?«

»Sie wissen also davon?«

»Natürlich weiß ich davon.« Reubens klang verärgert. »Persönlich bin ich der Meinung, daß er allen Grund hat, sich zu beschweren.«

»Woran lag es denn, Reub?«

»Es geht darum, daß ich Mrs. Bryan unter Verdacht eines Brustkrebses einwies. Ich habe die Geschwulst entfernt. Sie erwies sich als gutartig.«

»Warum haben Sie die Frau dann drei Wochen hierbehalten?« Während er fragte, ging es O'Donnell durch den Kopf, daß man mit Reubens immer dieses Frage-und-Antwort-Spiel durchlaufen mußte. Er gab selten von sich aus Auskünfte. Jetzt antwortete er: »Fragen Sie am besten Joe Pearson.«

»Es ist einfacher, wenn Sie es mir sagen, Reub.« O'Donnell blieb hartnäckig. »Schließlich handelt es sich um Ihre Patientin.«

Es folgte ein Schweigen. Dann antwortete die dünne, knappe Stimme: »Also gut. Ich sagte schon, daß der Tumor gutartig war. Aber es nahm zwei und eine halbe Woche in Anspruch, um das festzustellen. Solange dauerte es, bis Pearson ihn sich unter dem Mikroskop vornahm.«

»Haben Sie ihn daran erinnert?«

»Nicht nur einmal, sondern über ein halbes Dutzend Mal.

Wahrscheinlich hätte es noch länger gedauert, wenn ich nicht ständig hinter ihm hergewesen wäre.«

»Und das ist der Grund, weshalb Sie Mrs. Bryan hierbehalten haben? Ganze drei Wochen?«

»Natürlich.« Die Stimme am Telefon nahm einen sarkastischen Klang an. »Oder wollen Sie andeuten, ich hätte sie entlassen sollen?«

Reubens hatte in diesem Fall Grund, verärgert zu sein, dachte O'Donnell. Fraglos war er in eine schwierige Lage gebracht worden. Wenn er die Patientin entließ, konnte er gezwungen sein, sie zu einer weiteren Operation ins Krankenhaus zurückzuholen, wie es Bill Rufus passiert war. Andererseits bedeutete jeder Tag mehr im Krankenhaus eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Familie. Er antwortete verbindlich: »Ich will nichts andeuten, Reub. Ich stelle nur ein paar Fragen.«

Offensichtlich hatte Reubens sich mit dem Problem beschäftigt. »Dann täten Sie gut daran, mit noch ein paar anderen zu reden. Ich bin nicht der einzige, dem das widerfahren ist. Kennen Sie die Geschichte von Bill Rufus?«

»Ja, ich kenne sie. Offen gesagt war ich der Ansicht, es sei inzwischen besser geworden.«

»Davon habe ich noch nichts gemerkt. Was gedenken Sie wegen Bryans Rechnung zu unternehmen?«

»Ich weiß nicht, ob sich da etwas tun läßt. Schließlich war seine Frau drei Wochen hier im Krankenhaus. Das Krankenhaus ist knapp bei Kasse, wie Sie wissen.« O'Donnell fragte sich: Wie wird Reubens wohl auf die Aufforderung reagieren, sechstausend Dollars zum Baufonds des Krankenhauses beizusteuern?

»Das ist bedauerlich. Der Mann ist sehr ordentlich. Tischler oder so was, der selbständig arbeitet, und er ist nicht versichert. Daran wird er lange zu kauen haben.« O'Donnell antwortete nicht. Seine Gedanken liefen bereits voraus, waren auf das nächste gerichtet.

Wieder kam Reubens Stimme durch die Leitung: »War das alles?«

»Ja, Reub, das war alles. Danke.« Er reichte Harry Tomaselli den Hörer zurück.

»Harry, ich möchte heute nachmittag eine Besprechung abhalten.« O'Donnell hatte sich entschlossen, was er tun wollte. »Wir wollen versuchen, ein halbes Dutzend der älteren Ärzte zu versammeln. Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir uns hier treffen, und ich möchte, daß Sie daran teilnehmen.« Tomaselli nickte. »Das läßt sich machen.« O'Donnell ging im Geist die Namen durch. »Selbstverständlich brauchen wir Harvey Chandler als Chef der inneren Abteilung. Und es wäre gut, wenn auch Bill Rufus und Reubens dabei wären.« Er überlegte. »O ja, und Charlie Dornberger. Er könnte eine Hilfe sein. Wieviel sind das?«

Der Verwaltungsdirektor überflog die Namen, die er niedergeschrieben hatte. »Sechs mit Ihnen und mir. Wie wäre es mit Lucy Grainger?«

O'Donnell zögerte kurz. Dann sagte er: »Also gut, dann sollen es sieben sein.«

»Die Tagesordnung?«Tomaselli hielt seinen Bleistift hoch. O'Donnell schüttelte den Kopf. »Wir brauchen keine. Es gibt nur ein Thema: Die Verhältnisse in der Pathologie.«

Als der Verwaltungsdirektor Lucy Graingers Namen nannte, hatte O'Donnell nur aus einem Grund gezögert. Es erinnerte ihn an sein Zusammensein mit Lucy am Abend vorher.

Sie trafen sich zum Abendessen - das Ergebnis von O'Donnells Einladung an Lucy am Tag der Sterblichkeitskonferenz -, und im Palmenhof des Roosevelt Hotels tranken sie zusammen Cocktails und aßen anschließend geruhsam zu Abend. Es war ein angenehmes, entspanntes Zusammensein, und sie plauderten unbeschwert von sich, von Leuten, die sie kannten und von ihren eigenen Erlebnissen innerhalb und außerhalb der Medizin.

Später brachte O'Donnell Lucy nach Hause. Sie war kürzlich nach Benvenuto Grange umgezogen, in einen großen, eleganten Apartmentblock am Nordrand der Stadt. »Sie kommen doch sicher noch zu einem Nightcap mit hinauf?«

Er überließ seinen Wagen dem uniformierten Pförtner des Apartmenthauses zum Parken und folgte ihr. In einem schimmernden, lautlosen Fahrstuhl fuhren sie in den fünften Stock hinauf und gingen dann den mit Birke getäfelten Korridor entlang, über einen dicken, weichen Teppich, der jeden Laut verschluckte. Er zog die Augenbrauen hoch, und Lucy lächelte. »Es ist ziemlich imposant, wie? Ich bin selbst noch tief beeindruckt.«

Mit ihrem Schlüssel öffnete sie die Tür und schaltete das Licht ein. Geschmackvolle, gedämpfte Lampen leuchteten ringsum in einem eleganten Wohnraum auf. Er konnte die halboffene Schlafzimmertür unmittelbar vor sich sehen. »Ich mache uns etwas zu trinken«, sagte sie.

Sie drehte ihm den Rücken zu, Eis klirrte in Gläsern. O'Donnell fragte: »Waren Sie je verheiratet, Lucy?«

»Nein.« Sie antwortete, ohne sich umzudrehen.

Leise sagte er: »Ich habe mich manchmal gewundert, weshalb.«

»Das ist ganz einfach. Es ist recht lange her, daß ich darum gebeten wurde.« Lucy drehte sich um und brachte die Drinks, die sie gemixt hatte. Sie reichte O'Donnell sein Glas, ließ sich dann in einen Sessel nieder. Nachdenklich sagte sie: »Wenn ich es heute überlege, zeigte sich nur eine Möglichkeit, zumindest nur eine, die Bedeutung hatte. Damals war ich sehr viel jünger.«

O'Donnell trank einen Schluck aus seinem Glas. »Und Sie sagten nein?«

»Ich wollte Ärztin werden. Das erschien mir damals ungeheuer wichtig. Ich hielt es mit einer Ehe für unvereinbar.«

Beiläufig fragte er: »Haben Sie es je bedauert?«

Lucy überlegte. »Eigentlich nicht, glaube ich. Ich habe erreicht, was ich wollte, und es hat sich in vieler Weise gelohnt. Sicher, manchmal frage ich mich, was wohl geworden wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte. Aber das ist schließlich nur menschlich, oder nicht?«

»Doch, ich glaube schon.« O'Donnell fühlte sich seltsam bewegt. Lucy strahlte Tiefe und Zärtlichkeit aus, eine friedvolle Ruhe und das Gefühl des Nach-Hause-Kommens. Sie sollte Kinder haben, dachte er. Dann fragte er: »Sind Sie noch der gleichen Ansicht - über Heirat und Medizin? Soweit es Sie betrifft, meine ich?«