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Swayne schnaufte verächtlich. »Das ist einer der Gründe, weshalb wir so viele Irrenhäuser haben. Und Patienten darin. Und Leute, die zum Psychiater laufen.«

»Der Grund dafür kann auch darin liegen, daß wir uns der geistigen Gesundheit bewußter geworden sind.«

Swayne imitierte ihn: »Der Grund kann auch darin liegen, daß wir mehr Menschen in die Welt setzen, die schwach sind. Schwach! Schwach! Schwach!«

Der alte Mann hatte die letzten Worte fast geschrien. Jetzt überkam ihn ein Hustenanfall. Es ist wohl besser, wenn ich vorsichtig bin, dachte O'Donnell, wahrscheinlich hat er einen hohen Blutdruck.

Eustace Swayne starrte ihn an, als ob er die Worte laut ausgesprochen hätte. Der alte Mann nahm ein Schlückchen von seinem Kognak. Dann sagte er fast boshaft: »Schonen Sie mich nicht, mein junger ärztlicher Freund. Ich werde mit allen Ihren Argumenten fertig, und noch mehr.«

O'Donnell entschloß sich, die Diskussion weiterzuführen, aber gemäßigter. Ruhig und gelassen entgegnete er: »Ich glaube, daß Sie eines übersehen, Mr. Swayne. Sie sagen, daß Krankheit und Gebrechen ausgleichende Kräfte der Natur sind. Aber viele dieser Leiden sind nicht durch die natürliche Entwicklung, durch die Natur über uns gekommen. Sie sind Ergebnisse der Umgebung des Menschen, der Bedingungen, die er geschaffen hat: schlechte Gesundheitspflege, mangelnde Hygiene, Elendsviertel, verpestete Luft. Das alles sind keine natürlichen Erscheinungen. Es sind Schöpfungen des Menschen.«

»Sie sind ein Teil der Entwicklung, und die Entwicklung ist ein Teil der Natur. Alles zusammen schafft den Ausgleichsprozeß.«

Bewundernd dachte O'Donnell, man kann den alten Burschen nicht leicht erschüttern. Aber er erkannte den schwachen Punkt in dessen Beweisführung. Er antwortete: »Wenn Sie recht haben, dann ist die Medizin auch ein Teil des Ausgleichsprozesses.«

Swayne schnappte zurück: »Wie wollen Sie das begründen?«

»Weil die Medizin ein Teil der Entwicklung ist.« Trotz seiner guten Vorsätze spürte O'Donnell seinen Ton schärfer werden. »Weil jede Veränderung in der Umgebung, die der Mensch herbeiführte, neue Probleme schuf, denen die Medizin gegenübertreten und die sie zu lösen versuchen muß. Wir lösen sie niemals vollständig. Die Medizin hinkt immer etwas hinterher. Und wenn wir ein Problem gelöst haben, ist inzwischen ein neues aufgetaucht.«

»Aber das sind Probleme der Medizin, nicht der Natur.« Swaynes Augen hatten einen bösartigen Schimmer angenommen. »Wenn man die Natur sich selbst überließe, würde sie ihre Probleme lösen, ehe sie entstehen. Durch die natürliche Auswahl der Stärksten.«

»Sie irren sich, und ich will Ihnen sagen, warum.« O'Donnell kümmerte sich nicht mehr um die Wirkung seiner Worte. Er empfand, daß hier ein Punkt lag, den er aussprechen mußte, für sich selbst sosehr wie für die anderen. »Die Medizin kennt nur ein wirkliches Problem. Es war immer das gleiche und wird immer das gleiche bleiben. Es ist das Problem des Überlebens des einzelnen Individuums.« Er machte eine Pause. »Und Überleben ist das älteste Naturgesetz.«

»Bravo!« Impulsiv klatschte Amelia Brown die Hände zusammen. Aber O'Donnell war noch nicht ganz zu Ende.

»Deshalb bekämpfen wir die Kinderlähmung, Mr. Swayne, und deshalb bekämpften wir die schwarze Pest und die Pocken und den Typhus und die Syphilis. Und deshalb bekämpfen wir immer noch den Krebs und die Tuberkulose und alles andere. Das ist der Grund, weshalb wir die Heime haben, von denen Sie sprachen - die Sanatorien, die Pflegestätten für Unheilbare. Das ist der Grund, warum wir Menschenleben erhalten - alle Menschenleben, die wir erhalten können, die der Schwachen so gut wie die der Starken. Weil hinter all dem ein Nenner steht: Überleben! Das ist das Gesetz der Medizin, das einzige, das sie überhaupt haben kann.«

Einen Augenblick erwartete er, Swayne würde wie zuvor zurückschlagen. Aber der alte Mann verharrte schweigend. Dann sah er zu seiner Tochter hinüber. »Gieße Dr. O' Donnell noch etwas Kognak ein, Denise.«

O'Donnell hielt ihr sein Glas hin, als sie mit der Karaffe vor ihn trat. Ihr Kleid rauschte leise, und als sie sich zu ihm beugte, nahm er den schwachen, anregenden Duft ihres Parfüms wahr. Einen Augenblick empfand er den absurden, jugendlichen Impuls, seine Hand auszustrecken und über ihr weiches, dunkles Haar zu streichen. Er unterdrückte ihn, und sie ging zu ihrem Vater hinüber.

Während sie das Glas des alten Mannes füllte, sagte sie: »Wenn du wirklich der Ansicht bist, die du gerade ausgesprochen hast, Vater, was hast du dann im Krankenhausausschuß zu suchen?«

Eustace Swayne lachte verhalten. »Hauptsächlich bin ich noch darin, weil Orden und ein paar andere hoffen, daß ich mein Testament nicht mehr ändere.« Er sah zu Orden Brown hinüber. »Sie rechnen auf jeden Fall damit, daß sie nicht mehr lange zu warten brauchen.«

»Sie tun Ihren Freunden unrecht, Eustace«, sagte Brown. Sein Ton wies die richtige Mischung von Scherz und Ernst auf.

»Und Sie sind ein Schwindler.« Der alte Mann war wieder in guter Stimmung. Er fuhr fort: »Du hast mich etwas gefragt, Denise. Nun, ich will dir antworten. Ich bin im Krankenhausausschuß, weil ich ein praktischer Mann bin. Die Welt ist so wie sie ist, und ich kann sie nicht ändern, obwohl ich sehe, was falsch daran ist. Aber was jemand wie ich tun kann ist, als ausgleichende Kraft wirken. Oh, ich weiß genau, wofür manche mich halten: Für einen Obstruktionisten.«

Orden Brown hielt ihm schnell entgegen: »Hat das jemals einer gesagt?«

»Das brauchen Sie nicht.« Swayne warf dem Ausschußvorsitzenden einen halb amüsierten, halb boshaften Blick zu. »Aber bei jeder Tätigkeit ist irgendwo eine Bremse erforderlich. Das bin ich gewesen - eine Bremse, eine stabilisierende Kraft. Und wenn ich nicht mehr da bin, werden Sie und Ihre Freunde vielleicht merken, daß Sie eine neue brauchen.«

»Sie reden Unsinn, Eustace, und Sie sind gegenüber Ihren eigenen Motiven ungerecht.« Orden Brown hatte sich offensichtlich entschlossen, ebenso offen zu sprechen. Er fuhr fort: »Sie haben in Burlington ebensoviel Gutes getan wie jeder andere, den ich kenne.«

Der alte Mann schien in seinem Sessel zusammenzusinken. Er murmelte: »Wer von uns kennt seine eigenen Motive wirklich?« Dann blickte er auf. »Ich nehme an, daß Sie von mir einen großen Beitrag für den neuen Erweiterungsbau erwarten.«

Orden Brown antwortete verbindlich: »Offen gesagt, hoffen wir, daß Sie es für richtig halten werden, Ihren im allgemeinen großzügigen Beitrag zu spenden.«

Leise sagte Eustace Swayne unerwartet: »Vermutlich dürften Sie eine Viertelmillion Dollars für angemessen halten.«

O'Donnell hörte, wie Orden Brown rasch einatmete. Eine derartige Spende war sehr freigebig, viel höher, als sie selbst in ihren optimistischsten Stunden erwartet hatten.

Brown erwiderte: »Ich kann mich nicht verstellen, Eustace. Ehrlich gesagt, ich bin überwältigt.«

»Dazu besteht kein Grund.« Der alte Mann machte eine Pause und drehte sein Glas am Stiel zwischen den Fingern. »Ich habe mich allerdings noch nicht entschlossen; ich erwäge es noch. In ein bis zwei Wochen werde ich es Ihnen mitteilen.« Unvermittelt wandte er sich an O'Donnelclass="underline" »Spielen Sie Schach?«

O'Donnell schüttelte den Kopf. »Seit dem College nicht mehr.«

»Dr. Pearson und ich spielen oft zusammen Schach.« Er sah O'Donnell gerade an. »Sie kennen Joe Pearson natürlich.«

»Ja, sehr gut.«

»Ich kenne Dr. Pearson seit vielen Jahren«, sagte Swayne. »Im Three Counties Hospital und außerhalb.« Die Worte wurden langsam und überlegt ausgesprochen. Trugen sie einen warnenden Unterton? Es war schwer zu erkennen.

Swayne fuhr fort: »Meiner Meinung nach ist Dr. Pearson einer der qualifiziertesten Ärzte des Krankenhauses. Ich hoffe, daß er noch viele Jahre lang die Leitung seiner Abteilung beibehält. Ich achte seine Fähigkeiten und sein Urteil im höchsten Grad.«