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O'Donnell bemerkte Tomaselli erst, als ihn der Verwaltungsdirektor anrief. »Hier, Kent.« Tomaselli stand auf der anderen Seite des birkegetäfelten Raumes über einen Tisch gebeugt, statt an seinem Schreibtisch zu sitzen, an dem er den größten Teil seiner Arbeitszeit verbrachte. Vor ihm aufgerollt lagen Baupläne und Zeichnungen. O'Donnell ging über den dicken Teppich zu ihm und blickte gleichfalls auf die Pläne.

»Luftschlö sser, Harry?« Er deutete auf eine der Zeichnungen. »Wissen Sie, ich bin überzeugt, daß wir für Sie da oben eine prächtige Dachwohnung einbauen können, oben auf dem Ostflügel.«

Tomaselli lächelte. »Ich werde mich gern fügen, vorausgesetzt, Sie überzeugen den Ausschuß, daß es notwendig ist.« Er nahm seine randlose Brille ab und begann die Gläser zu polieren. »Hier ist es also - das neue Jerusalem.«

O'Donnell studierte die Silhouette des Three Counties Hospitals mit den prächtigen neuen Erweiterungsbauten, die der Architekt gezeichnet hatte. Die Planung war bereits weitgehend abgeschlossen. Die Neubauten umfaßten einen ganzen Flügel und ein neues Schwesternheim. »Gibt es sonst etwas Neues?« Er wandte sich Tomaselli zu.

Der Verwaltungsdirektor hatte seine Brille wieder aufgesetzt. »Ich habe heute morgen wieder mit Orden gesprochen.« Orden Brown, Präsident des zweitgrößten Stahlwerkes in Burlington, war Vorsitzender des Krankenhausausschusses.

»Ja, und?«

»Er ist überzeugt, daß wir bis Januar mit einem Baufonds von einer halben Million Dollars rechnen können. Das bedeutet, daß wir im März mit dem Ausschachten beginnen können.«

»Und die andere halbe Million? Letzte Woche sagte mir Orden, er glaube, damit würde es bis Dezember dauern.« Selbst das, dachte O'Donnell, halte ich für übertrieben optimistisch seitens des Vorsitzenden.

»Ich weiß«, antwortete Tomaselli. »Aber er bat mich, Ihnen zu sagen, daß er seine Ansicht geändert habe. Gestern hatte er wieder eine Besprechung mit dem Bürgermeister. Sie sind überzeugt, daß sie die zweite halbe Million im nächsten Sommer zusammenbekommen und die Sammelaktion im Herbst abschließen können.«

»Das ist eine gute Nachricht.« O'Donnell entschloß sich, seine bisherigen Vorbehalte aufzugeben. Wenn Orden Brown sich in dieser Weise festlegte, schaffte er es zweifellos auch.

»Ja. Und außerdem«, fuhr Tomaselli mit gespielter Beiläufigkeit fort, »haben Orden Brown und der Bürgermeister am nächsten Mittwoch eine Besprechung mit dem Gouverneur. Es sieht aus, als ob wir schließlich doch noch den höheren Staatszuschuß bekämen.«

»Sonst noch etwas?« fragte O'Donnell den Verwaltungsdirektor mit gespielter Knappheit.

»Ich meine, Sie können damit zufrieden sein«, sagte Tomaselli.

»Mehr als zufrieden«, antwortete O'Donnell. In gewisser Weise konnte man das als den ersten Schritt zur Erfüllung einer Vision bezeichnen. Es war eine Vision, die vor dreieinhalb Jahren bei seiner Ankunft im Three Counties Hospital ihre ersten Umrisse angenommen hatte. Seltsam, wie man sich an einen Ort gewöhnt, dachte O'Donnell. Wenn ihm jemand auf der Harvard Medical School oder später, als er erster chirurgischer Assistent am Columbia Presbyterian Hospital war, vorausgesagt hätte, daß er in einem rückständigen Krankenhaus wie Three Counties Hospital landen würde, hätte er nur spöttisch gelächelt. Und als er dann zu Barts nach London ging, um seine Erfahrungen als Chirurg zu vervollständigen, tat er es in der festen Absicht, nach seiner Rückkehr in den Stab eines der Krankenhäuser mit einem großen Namen wie John Hopkin oder Massachusetts General Hospital einzutreten. Mit dem, was er vorzuweisen hatte, stand ihm die Wahl so gut wie frei. Aber ehe er Zeit fand, sich zu entscheiden, kam Orden Brown zu ihm nach New York und überredete ihn, Burlington und Three Counties Hospital zu besuchen.

Was er dort sah, entsetzte ihn. Das Krankenhaus war heruntergekommen, schlecht organisiert und verwaltet, der medizinische Standard, von wenigen Ausnahmen abgesehen, niedrig. Die Leiter der chirurgischen und der inneren Abteilungen hatten ihre Positionen seit Jahren inne. O'Donnell hatte gespürt, daß ihr Lebensziel darin bestand, einen für sie angenehmen Status quo zu erhalten. Der Verwaltungsdirektor -die Schlüsselstellung für die Beziehungen zwischen dem Leitungsausschuß des Krankenhauses, der aus Laien bestand, und dem medizinischen Stab - war schwach und unfähig. Das Ausbildungsprogramm des Krankenhauses für Praktikanten und Assistenzärzte war verrufen, für Forschung standen keine Mittel zur Verfügung, die Verhältnisse, unter denen die Schwestern lebten und arbeiteten, waren fast mittelalterlich. Orden Brown hatte ihm alles gezeigt und nichts vorenthalten. Anschließend fuhren sie zusammen in das Haus des Vorsitzenden. O'Donnell nahm die Einladung zum Abendessen an, beabsichtigte aber, ein Nachtflugzeug zurück nach New York zu nehmen. Er war angewidert und wollte Burlington und das Three Counties Hospital nie wieder sehen.

Beim Abendessen in dem stillen Eßzimmer mit den bespannten Wänden in Orden Browns Haus auf einem Berg hoch über Burlington war ihm alles geschildert worden. Die Geschichte war ihm nicht neu oder unbekannt. Three Counties Hospital, das einmal ein fortschrittliches und modernes Krankenhaus gewesen war und in dem Staat ein hohes Ansehen besessen hatte, war der Überheblichkeit und der Trägheit zum Opfer gefallen. Ein alternder Industrieller, der seine Verantwortung meistens auf einen anderen abschob und nur gelegentlich aus gesellschaftlichen Anlässen im Krankenhaus erschien, war Vorsitzender des Leitungsausschusses. Der Mangel an Führung hatte sich nach unten ausgebreitet. Die Abteilungsleiter hatten ihre Stellungen überwiegend seit vielen Jahren inne und waren jedem Wechsel abgeneigt. Die jüngeren Leute unter ihnen hatten zuerst dagegen gemurrt, es dann aufgegeben und waren woandershin abgewandert. Schließlich war der Ruf des Krankenhauses so gesunken, daß junge, hochqualifizierte Ärzte nicht länger versuchten, dort eine Stellung zu finden. Aus diesem Grunde wurden weniger qualifizierte Leute aufgenommen. So lag die Situation zu der Zeit, als O'Donnell auf der Bildfläche erschien.

Der einzige Wechsel war mit der Berufung Orden Browns selbst eingetreten. Drei Monate vorher war der alte Vorsitzende gestorben. Eine Gruppe einflußreicher Bürger hatte Brown überredet, die Nachfolge zu übernehmen. Die Wahl erfolgte nicht einstimmig. Ein Teil der alten Garde im Krankenhausausschuß wünschte den Vorsitz für ihren eigenen Kandidaten, ein altes Ausschußmitglied namens Eustace Swayne. Aber die Mehrheit hatte sich für Brown entschieden, und nun versuchte er, andere Ausschußmitglieder für einige seiner Ideen zur Modernisierung des Three Counties Hospitals zu gewinnen.

Es erwies sich, daß er seinen Kampf nach oben führen mußte.

Zwischen den konservativen Elementen des Ausschusses, für die Eustace Swayne Sprecher war, und einer Gruppe der älteren Ärzte des Krankenhauses bestand eine Allianz. Gemeinsam widersetzten sie sich Veränderungen. Brown mußte vorsichtig vorgehen und diplomatisch handeln.

Eines der Dinge, die er wünschte, war eine Vergrößerung des Krankenhausausschusses, um neue, aktivere Mitglieder hineinzubringen. Er beabsichtigte, einige der jüngeren leitenden Männer aus der Wirtschaft Burlingtons dafür zu gewinnen, aber bisher hatte der Ausschuß in dieser Frage noch keine Einmütigkeit erreicht, und der Plan wurde bis auf weiteres zurückgestellt.

Wenn Orden Brown gewollt hätte, konnte er, wie er O'Donnell offen erklärte, eine entscheidende Auseinandersetzung erzwingen und seine Absichten durchsetzen. Wenn er wünschte, konnte er durch seinen Einfluß einige der Männer der älteren passiven Mitglieder aus dem Ausschuß verdrängen. Aber das wäre kurzsichtig gewesen, weil die meisten wohlhabende Männer und Frauen waren, und das Krankenhaus war auf die Zuwendungen angewiesen, die es im allgemeinen erhielt, wenn einer seiner Förderer starb. Wenn sie jetzt ausgeschaltet wurden, konnten einige der Betroffenen ihre Testamente ändern und das Krankenhaus ausschließen. Eustace Swayne, der einen Warenhauskonzern beherrschte, hatte diese Möglichkeit bereits angedeutet. Daher war Orden Brown gezwungen, behutsam und diplomatisch vorzugehen.