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»Ja«, antwortete sie bereitwillig, »und auch eine Zahnspange. Ich bin aber über beides hinausgewachsen.«

David Coleman gefiel die junge Frau, und als er sie heute vor sich sah, hatte er das Gefühl, als sei plötzlich eine Seite aus der Vergangenheit aufgeschlagen worden. Sie erinnerte ihn an die vergangenen Jahre. Indiana war ein Land, in dem es sich gut leben ließ. Die Sommerferien seiner Schulzeit fielen ihm wieder ein, in denen er seinen Vater in dem alten, abgeklapperten Chevrolet bei den Fahrten zu seinen Patienten begleitet hatte. Nachdenklich sagte er: »Es ist lange her, daß ich in New Richmond war. Mein Vater starb, wie Sie wissen, und Mutter zog an die Westküste. Daher gibt es nichts, was mich dorthin zurückbringt.« Dann wendete er seine Gedanken in eine andere Richtung. »Erzählen Sie mir, wie es Ihnen gefällt«, fragte er Elizabeth, »mit einem Mediziner verheiratet zu sein?«

Schnell warf John Alexander dazwischen: »Kein Mediziner nur ein Laborant.« Als er die Worte ausgesprochen hatte, fragte er sich, warum? Vielleicht war es eine Reflexhandlung auf die Ereignisse am Vormittag. Vor ein paar Minuten, als Coleman zu ihnen an den Tisch trat, hatte John noch überlegt, ob er ihm von dem Zwischenfall berichten solle, sich aber sofort dagegen entschieden. Er hatte schon genug Ärger gehabt, weil er offen mit Dr. Coleman sprach. Er zog vor, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

»Unterschätzen Sie die technische Laborarbeit nicht. Sie ist sehr wichtig«, sagte Coleman.

»Das tut er bestimmt nicht«, antwortete Elizabeth, »aber manchmal wünscht er sich doch, er hätte statt dessen Medizin studiert.«

Coleman wandte sich Alexander zu. »Stimmt das?«

Alexander wäre lieber gewesen, Elizabeth hätte nicht darüber gesprochen. Zögernd antwortete er: »Ich hatte eine Zeitlang daran gedacht.«

Coleman spießte mit seiner Gabel ein Stück von seinem Obstsalat auf. »Und warum haben Sie es nicht getan?«

»Aus den üblichen Gründen, in erster Linie Geld. Ich hatte keins und wollte verdienen.«

Zwischen zwei Bissen sagte Coleman: »Sie könnten es noch schaffen. Wie alt sind Sie?«

Elizabeth antwortete für ihn: »John wird dreiundzwanzig. In zwei Monaten.«

»Das ist natürlich schon ein erhebliches Alter.« Sie lachten alle, dann fügte Coleman hinzu: »Sie haben noch die Zeit dazu.«

»Ja, ich weiß.« John Alexander sprach langsam, nachdenklich, als wisse er im voraus, daß seine eigenen Argumente ihn nicht überzeugen konnten. »Die Schwierigkeit ist, daß es einen schweren finanziellen Kampf bedeuten würde und wir doch gerade anfangen, in geordnete Verhältnisse zu kommen. Und außerdem mit einem Kind.« Er ließ den Satz unvollendet.

Coleman nahm sein Glas Milch und trank langsam. Dann entgegnete er: »Viele Leute mit einem Baby haben Medizin studiert. Und mit finanziellen Problemen.«

»Genau das sage ich auch immer«, erklärte Elizabeth nachdrücklich und beugte sich über den Tisch. »Ich bin froh, daß er es auch einmal von jemand anderem hört.«

Coleman betupfte sich mit der Serviette den Mund, legte sie dann hin. Er sah Alexander gerade an. Er hatte das Gefühl, als ob sein erster Eindruck von dem jungen Laboranten richtig gewesen sei. Er schien intelligent und gewissenhaft zu sein, und zweifellos war er an seiner Arbeit ehrlich interessiert. Das war gestern klar zu erkennen gewesen. »Wollen Sie meine Ansicht wissen, John? Ich meine, wenn Sie so empfinden, aber nicht Medizin studieren, solange Sie die Möglichkeit dazu haben, werden Sie es wahrscheinlich für den Rest Ihres Lebens bereuen.«

Alexander sah vor sich hin und aß in Gedanken verloren weiter.

Elizabeth fragte: »Es besteht doch immer noch ein großer Bedarf an Pathologen, nicht wahr?«

»Aber ja!« Coleman nickte nachdrücklich. »Bei den Pathologen vielleicht mehr als auf jedem anderen Gebiet.«

»Wie kommt das?«

»Zunächst einmal, weil noch viele Forschungsaufgaben gelöst werden müssen, um die Medizin weiterzubringen, um die offengebliebenen Lücken zu füllen.«

Sie fragte: »Was meinen Sie mit den offengebliebenen Lücken?«

David Coleman erkannte flüchtig, daß er unbefangener sprach als sonst. Er überraschte sich dabei, Gedanken auszusprechen, die er meistens für sich behielt. Aber die Gesellschaft der beiden Alexanders erschien ihm erfrischend, möglicherweise weil es eine Entspannung war, nach der Begegnung mit Dr. Pearson mit jüngeren Menschen zusammen zu sein. Er antwortete auf Elizabeths Frage: »In gewisser Weise ist es in der Medizin wie im Krieg. Genau wie im Kriege werden manchmal eindrucksvolle Siege errungen. In diesen Fällen drängen alle -Ärzte meine ich damit - an die neue Front, aber hinterlassen dabei Lücken im Wissen, die ausgefüllt werden müssen.«

Elizabeth fragte: »Und das ist die Aufgabe der Pathologen? Diese Lücken zu füllen?«

»Es ist die Aufgabe jedes Zweiges der Medizin. Aber mitunter bieten sich der Pathologie bessere Möglichkeiten.« Coleman dachte einen Augenblick nach, ehe er fortfuhr. »Und noch etwas anderes. Die ganze Forschung in der Medizin gleicht weitgehend dem Bau einer Mauer. Jemand bringt eine neue Erkenntnis, fügt einen weiteren Ziegel hinzu. Ein anderer schafft den nächsten Stein bei, und so wächst die Mauer, Stein für Stein, bis schließlich einer kommt und den letzten Ziegel oben aufsetzt.« Er lächelte. »Es ist nicht vielen vergönnt, etwas weithin Sichtbares zu leisten, ein Fleming oder ein Salk zu sein.

Das Größte, was ein Pathologe im allgemeinen leisten kann, besteht in irgendeinem bescheidenen Beitrag zu den medizinischen Erkenntnissen. Etwas, das innerhalb seines eigenen Bereiches, innerhalb seiner eigenen Zeit liegt. Aber das sollte er wenigstens tun.«

John Alexander hatte gespannt zugehört. Jetzt fragte er begierig: »Werden Sie hier Forschungsarbeiten durchführen?«

»Ich hoffe es.«

»Auf welchem Gebiet?«

Coleman zögerte. Das war ein Punkt, über den er noch nie gesprochen hatte. Aber er hatte schon so vieles gesagt, daß er glaubte, es komme auf etwas mehr nicht an. »Nun, zunächst einmal über Lipome - gutartige Tumore des Fettgewebes. Wir wissen sehr wenig über sie.« Ohne es zu bemerken, hatte er sich an seinem Thema erwärmt. Seine normale Kühle und Zurückhaltung waren von ihm abgefallen.

»Wissen Sie, daß es Fälle gibt, in denen Menschen verhungern, während sich in ihnen trotzdem diese Geschwülste bilden? Was ich zu erreichen hoffe, ist.« Er brach plötzlich ab. »Fehlt Ihnen etwas, Mrs. Alexander?«

Elisabeth hatte plötzlich gestöhnt und ihr Gesicht mit den Händen bedeckt. Jetzt senkte sie ihre Hände wieder und schüttelte den Kopf, wie um ihn klar zu bekommen.

»Elizabeth? Was ist dir?« Alarmiert sprang John Alexander von seinem Stuhl auf. Er ging um den Tisch herum.

»Es ist. es ist schon in Ordnung.« Elizabeth winkte ihn auf seinen Platz zurück. Sie schloß einen Augenblick die Augen, öffnete sie wieder. »Es war nur. einen Augenblick ein Schmerz, dann Schwindel. Es ist schon vorbei.«

Sie trank einen Schluck Wasser. Ja, es stimmte, es war vorbei. Aber einen Augenblick lang hatte sie geglaubt, spitze, glühende Nadeln in sich zu spüren - innen, wo sich das Kind bewegte -, dann war ihr schwindelig geworden und die Kantine hatte sich im Kreis um sie herum gedreht.

»Ist das schon einmal vorgekommen?« fragte Coleman.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Ganz bestimmt nicht, Liebling?« John fragte mit ängstlicher Stimme.

Elizabeth griff über den Tisch und legte ihre Hand auf die seine. »Mach dir keine Sorgen. Es ist zu früh für das Kind. Es dauert mindestens noch zwei Monate.«