Выбрать главу

Pearson schüttelte den Kopf. Er hatte sich von seinem Stuhl erhoben und halb abgewendet. Er schien nachzudenken. Coleman fragte sich gespannt, was er als nächstes tun würde. Er wußte, daß er auf vollkommen sicherem Boden stand. Das von ihm eingeschlagene Verfahren war in den meisten Krankenhauslabors üblich. Es stellte einen Schutz für die Patienten und eine Sicherheitsmaßnahme gegen Unachtsamkeit dar. Gewissenhafte Laboranten nahmen derartige Überprüfungen widerspruchslos als einen Teil ihrer Arbeit hin. Außerdem hatte Coleman die Gepflogenheiten gewahrt, indem er gestern sowohl Bannister als auch John Alexander mitteilte, daß derartige Prüfungen erfolgen würden.

Plötzlich fuhr Pearson auf Bannister los: »Nun und? Was haben Sie dazu zu sagen?«

»Mir paßt nicht, daß hinter mir her spioniert wird.« Die Antwort erfolgte gereizt und aggressiv. »Ich habe nie so zu arbeiten brauchen, und ich finde nicht, daß ich jetzt noch anfangen soll, es mir gefallen zu lassen.«

»Ich sage Ihnen, Sie sind ein Idiot«, schrie Pearson Bannister an. »Sie sind ein Idiot, weil Sie so einen dummen Schnitzer gemacht haben, und Sie sind noch ein größerer Idiot, sich bei mir zu beschweren, weil man Sie dabei erwischt hat.« Schwer atmend schwieg er mit zusammengepreßten Lippen. Coleman spürte, daß der Ärger des alten Mannes zum großen Teil darauf beruhte, daß er keine andere Wahl hatte, ab sein Vorgehen gutzuheißen, wie sehr es ihm auch widerstreben mochte. Jetzt trat Pearson direkt vor Bannister und knurrte ihn an: »Was haben Sie sich denn eingebildet? Soll ich Ihnen vielleicht noch auf den Rücken klopfen oder einen Orden umhängen?«

Bannisters Gesichtsmuskeln arbeiteten. Zum erstenmal schien er keine Antwort zu finden. Pearson musterte ihn grimmig und schien weiterschreien zu wollen, zwang sich dann aber plötzlich zur Ruhe. Er wendete sich halb ab und wies mit der Hand zur Tür. »Hinaus mit Ihnen! Hinaus!«

Wortlos, mit starrem Gesicht, ohne nach rechts oder links zu sehen, verließ Bannister das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.

Jetzt wandte sich Pearson scharf an Coleman. »Was, zum Donnerwetter, soll das bedeuten?«

David Coleman nahm den brennenden Zorn in den Augen des alten Mannes wahr. Er erkannte, daß die Angelegenheit mit Bannister lediglich ein Vorspiel war. Entschlossen, nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren, antwortete er maßvolclass="underline" »Was soll was bedeuten, Dr. Pearson?«

»Sie wissen verdammt gut, was ich meine. Ich meine die Durchführung von Überprüfungen im Labor - ohne meine Genehmigung.«

»Benötige ich in reinen Routinefragen dieser Art wirklich Ihre Genehmigung? «

Pearson schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wenn ich eine Überprüfung im Labor wünsche, werde ich sie anordnen.«

»Falls es Sie interessieren sollte«, erwiderte Coleman immer noch ruhig, »ich besitze zufällig Ihre Genehmigung. Um der Form zu genügen und aus Respekt vor Ihnen, erwähnte ich gestern Ihnen gegenüber, daß ich Standardüberprüfungen im serologischen Labor durchführen wollte, und Sie gaben Ihre Zustimmung.«

Argwöhnisch antwortete Pearson: »Daran erinnere ich mich nicht.«

»Ich versichere Ihnen, daß diese Vereinbarung getroffen wurde. Im übrigen gehört es nicht zu meinen Gepflogenheiten, derartiges zu erfinden.« David Coleman spürte, wie der Ärger in ihm aufwallte. Es fiel ihm schwer, seine Verachtung für diesen unfähigen alten Mann zu verbergen. Er fügte hinzu: »Ich darf dazu bemerken, daß Sie allerdings bei dieser Gelegenheit mit Ihren Gedanken ziemlich beschäftigt erschienen.«

Es hatte den Anschein, als hätte er Pearson zum mindesten teilweise überzeugt. Knurrend erwiderte der alte Mann: »Wenn Sie es sagen, glaube ich Ihnen, aber es ist das letztemal, daß Sie etwas von sich aus unternehmen. Haben Sie verstanden?«

Coleman wußte, daß jetzt der kritische Augenblick gekommen war, sowohl für Pearson als auch für ihn selbst. Eisig fragte er: »Würden Sie die Güte haben und mir mitteilen, welche Art Verantwortung ich hier übernommen habe?«

»Sie werden die Verantwortungen übernehmen, die Ihnen zuzuweisen ich für richtig halte.«

»Ich fürchte, daß ich mich damit nicht zufriedengeben kann.«

»So, das können Sie nicht?« Pearson stand jetzt unmittelbar vor dem jüngeren Mann, den Kopf vorgeschoben. »Nun, es gibt auch ein paar Dinge, die mir unbefriedigend erscheinen.«

»Zum Beispiel?« David Coleman hatte nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen. Und wenn der alte Mann eine grundsätzliche Auseinandersetzung wünschte, war er durchaus bereit, gleich und an Ort und Stelle.

»Zum Beispiel habe ich erfahren, daß Sie für den Obduktionsraum Regeln erlassen haben.«

»Sie haben mir die Leitung des Obduktionsraumes

übertragen.«

»Ich habe Sie beauftragt, die Obduktionen zu überwachen, aber nicht irgendwelche phantastischen Regeln aufzustellen. Rauchen verboten, habe ich gehört. Ich nehme an, daß auch mich das betrifft?«

»Darüber zu entscheiden, steht bei Ihnen, Dr. Pearson.«

»Das will ich auch meinen, daß das bei mir steht.« Die Ruhe des anderen schien Dr. Pearsons Ärger zu steigern. »Nun hören Sie mir zu, und hören Sie mir gut zu: Sie mögen einige recht eindrucksvolle Empfehlungen besitzen, Herr, aber Sie haben immer noch eine Menge zu lernen, und der Leiter dieser Abteilung bin immer noch ich. Wichtiger noch, es bestehen gute Gründe für die Annahme, daß ich auch noch recht lange hierbleiben werde. Sie können sich also gleich entscheiden. Wenn Ihnen meine Arbeitsweise nicht paßt, wissen Sie, welche Wege Ihnen offenstehen.«

Ehe Coleman antworten konnte, wurde an die Tür geklopft. Ungeduldig rief Pearson: »Ja?«

Eine Sekretärin trat ein und sah neugierig von einem zum anderen. Coleman fiel ein, daß zum mindesten Pearson auf dem Gang draußen deutlich verständlich gewesen sein mußte. Das Mädchen sagte: »Entschuldigung, Dr. Pearson, hier sind zwei Telegramme für Sie. Sie sind gerade angekommen.«

Pearson nahm die beiden gelblichen Umschläge, die das Mädchen ihm reichte.

Als sie gegangen war, wollte Coleman antworten. Aber Pearson unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Während er den ersten Umschlag aufriß, sagte er: »Das müssen die Antworten auf unsere Anfrage sein - wegen Lucy Graingers Patientin.« Er sprach in einem völlig anderen Ton als vor wenigen Sekunden. »Hat lange genug gedauert«, fügte er hinzu.

David Coleman spürte, daß sein Interesse automatisch wach wurde. Stillschweigend akzeptierte er Pearsons Haltung, daß ihre Auseinandersetzung vertagt war. Das Vorliegende war wichtiger. Als Pearson den ersten Umschlag geöffnet hatte, klingelte schrill das Telefon. Mit einem unmutigen Ausruf legte er die Umschläge hin, um den Hörer abzunehmen.

»Ja?«

»Dr. Pearson, hier ist die Entbindungsstation«, sagte eine Stimme. »Dr. Dornberger möchte Sie sprechen. Einen Augenblick, bitte.«

Es folgte eine Pause, dann meldete sich Dornberger. Drängend sagte er: »Joe, was ist denn bei euch in der Pathologie los?« Ohne auf eine Antwort zu warten: »Bei der Frau deines Technikers, Mrs. Alexander, haben Wehen eingesetzt, und das Kind wird eine Frühgeburt. Sie ist in einem Krankenwagen auf dem Weg hierher, und ich habe noch keinen Befund über den Blutsensibilitätstest. Jetzt schickt ihn aber schnell herauf.«

»Sofort, Charlie.« Pearson ließ den Hörer auf die Gabel zurückfallen und griff nach einem Stoß Formulare in dem Korb mit der Aufschrift: >Zur Unterschrift<. Dabei fiel sein Blick auf die beiden Telegrammumschläge. Schnell reichte er sie Coleman. »Machen Sie auf, sehen Sie nach, was darin steht.«

Pearson blätterte durch die Formulare. Beim erstenmal blätterte er über das Gesuchte hinweg, erst beim zweiten Durchblättern fand er es. Er nahm den Telefonhörer wieder ab, lauschte und sagte dann schroff: »Schicken Sie Bannister.« Nachdem er den Hörer zurückgelegt hatte, kritzelte er seine Unterschrift auf das Formular, das er herausgesucht hatte.