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»Dr. O'Donnell, Dr. O'Donnell!« Der Klang seines Namens aus dem Lautsprecher des Krankenhauses riß ihn in die Wirklichkeit zurück. Er blieb stehen, sah sich nach einem Telefon um, um sich zu melden. Er entdeckte eins in einem durch Glaswände abgetrennten Büro, ein paar Schritte entfernt. Er meldete sich und nahm Dr. Dornbergers Mitteilung entgegen. Er folgte ihr sofort, änderte seine Richtung und ging zu den Fahrstühlen, um sich in die vierte Etage zur Entbindungsstation bringen zu lassen.

Während Kent O'Donnell sich für die Operation die Hände wusch, stand Dornberger neben ihm, schilderte ihm den Fall und erklärte ihm seine Gründe, weshalb er nach dem Chef der Chirurgie hatte rufen lassen. Dornberger dramatisierte nichts, noch hielt er irgend etwas zurück. Er beschrieb die Szene im Labor der Pathologie und die Ereignisse, die dazu geführt hatten, genau und sachlich. Nur an zwei Punkten unterbrach O'Donnell ihn, um scharfe Zwischenfragen zu stellen. Im übrigen hörte er aufmerksam zu, und sein Gesichtsausdruck wurde immer grimmiger, während Dornberger berichtete.

O'Donnells gehobene Stimmung war verflogen, plötzlich und unerwartet durch das, was er erfuhr, zerschlagen, durch die Erkenntnis, daß in seinem Krankenhaus ein Patient durch Nachlässigkeit und Unfähigkeit - für die er in einer sehr realen Weise selbst verantwortlich war - das Leben verlieren konnte. Erbittert dachte er: Ich hätte Joe Pearson entlassen können. Dafür lagen ausreichend Gründe vor. Aber nein, ich spielte und zauderte, betrieb Hauspolitik, redete mir ein, das sei vernünftig, während ich die ganze Zeit meine ärztliche Aufgabe vernachlässigte. Er nahm ein steriles Handtuch und trocknete seine Hände, schob sie dann in Handschuhe, die eine Schwester bereithielt. »Also gut«, sagte er zu Dornberger, »gehen wir hinein.«

Nachdem sie den kleinen Operationsraum betreten hatten, warf O' Donnell einen prüfenden Blick über die bereitstehenden Instrumente und Vorrichtungen. Die Technik der Austauschtransfusion war ihm vertraut. Das wußte Dornberger, und das war der Grund, daß er den Chef der Chirurgie rufen ließ, denn O'Donnell hatte gemeinsam mit den Leitern der Kinderklinik und der Entbindungsstation die Richtlinien für Austauschtransfusionen im Three Counties Hospital ausgearbeitet, wobei sie sich auf die Erfahrungen in anderen Krankenhäusern gestützt hatten.

Das winzige, gebrechliche Baby wurde aus seinem Brutkasten genommen und auf den vorgewärmten Operationstisch gelegt. Dann sicherte die assistierende Schwester mit Hilfe des Praktikanten das Kind mit Windeln, die zu schmalen langen Streifen gefaltet um die Arme und Beine des Säuglings geschlungen und mit Sicherheitsnadeln an der Auflage des Tisches festgesteckt wurden. O'Donnell fiel auf, daß das Kind sehr ruhig lag, nur ganz schwach auf das, was mit ihm geschah, reagierte. Das war bei seinem Zustand und seiner Winzigkeit kein ermutigendes Zeichen.

Die Schwester entfaltete ein steriles Tuch und legte es über den Säugling. Nur Kopf und Nabel, an dem die Stelle, wo bei der Geburt die Nabelschnur durchtrennt worden war, noch heilte, ließ sie unbedeckt. Die örtliche Betäubung war bereits erfolgt. Nun reichte das Mädchen O'Donnell eine Pinzette. Er nahm sie, hob damit den Gazetupfer ab und begann, die Operationsstelle vorzubereiten. Der Praktikant hatte eine Notiztafel und einen Bleistift aufgenommen. O'Donnell fragte ihn: »Schreiben Sie mit?«

»Ja, Sir.«

O'Donnell bemerkte den respektvollen Ton, und unter anderen Umständen hätte er innerlich darüber gelächelt. Praktikanten und Assistenten, die zum festen Stab des Krankenhauses gehörten, waren eine notorisch respektlose Bande. Sie fanden Schwächen bei den älteren Ärzten des Krankenhauses schnell heraus, und von einem von ihnen mit »Sir« angeredet zu werden, kam fast einem Ritterschlag gleich.

Ein paar Minuten vorher waren zwei Lernschwestern in das Zimmer geglitten, und O'Donnell, der es gewöhnt war zu unterrichten, erklärte ihnen seine Handlungen.

»Eine Austauschtransfusion ist, wie Sie wahrscheinlich wissen« - O'Donnell sah die beiden Lernschwestern an -, »tatsächlich eine Durchspülung. Wir entnehmen zunächst dem Kind eine kleine Menge Blut und ersetzen es sofort durch die gleiche Menge Spenderblut. Dann wiederholen wir das gleiche und fahren so lange damit fort, bis der größte Teil des ursprünglichen kranken Blutes entfernt und ersetzt ist.«

Die assistierende Schwester befestigte ene Halbliterflasche mit Blut an einem Ständer über dem Tisch. O'Donnell erklärte: »Die Blutbank hat bereits das Blut des Patienten mit dem des Spenders verglichen, um sicherzugehen, daß beide die gleiche Blutgruppe haben. Ferner müssen wir auch sicher sein, daß wir genau die gleiche Blutmenge ersetzen, die wir entfernen. Aus diesem Grunde schreiben wir mit.« Er deutete auf die Notiztafel des Praktikanten.

»Temperatur 35,5«, verkündete die assistierende Schwester.

O'Donnell sagte: »Skalpell, bitte«, und streckte die Hand aus.

Behutsam entfernte er mit dem Messer den getrockneten Teil der Nabelvene und legte das frische Gewebe bloß. Er reichte das Messer zurück und sagte leise: »Haemostat.«

Der Praktikant reckte beobachtend den Kopf vor. O' Donnell erklärte: »Wir haben die Nabelvene freigelegt. Ich werde sie jetzt öffnen und das Blutgerinnsel entfernen.« Er streckte die Hand aus, und die Schwester reichte ihm eine Pinzette. Das Blutgerinnsel war winzig, kaum sichtbar, und er zog es behutsam und vorsichtig heraus. Ein so kleines Kind zu behandeln war, als ob man an einer Puppe arbeitete. Wie groß sind die Chancen für einen Erfolg? fragte sich O'Donnell. Welche Aussichten bestanden für das Überleben des Kindes? Ursprünglich mochten sie durchschnittlich, vielleicht sogar gut gewesen sein, aber jetzt, nach tagelanger Verzögerung, waren die Hoffnungen auf Erfolg erheblich geringer. Er blickte auf das Gesicht des Kindes. Seltsamerweise war es kein häßliches Gesicht, wie die Gesichter von Frühgeburten es oft sind. Es war sogar fast hübsch. Eine kräftige Kieferlinie deutete auf eine ihm innewohnende Stärke hin. Einen Augenblick ließ er, ganz gegen seine Natur, seine Gedanken abschweifen. Wie schändlich war das doch, geboren zu werden und einer so feindseligen Umgebung gegenüberzustehen.

Die assistierende Schwester hielt ein Kunststoffkatheter, an das eine Nadel befestigt war, bereit. Dadurch wurde das Blut entnommen und wieder ersetzt. O'Donnell nahm das Katheter und führte die Nadel mit äußerster Behutsamkeit in die Nabelvene ein. Er sagte: »Prüfen Sie den venösen Druck, bitte.«

Während er das Katheter senkrecht hielt, maß die Schwester mit einem Zentimetermaß die Höhe der Blutsäule. Sie verkündete: »Sechzig Millimeter.« Der Praktikant notierte es.

Ein zweiter Kunststoffschlauch führte zu der Flasche mit Blut über ihnen, ein dritter zu einem der zwei Metallbecken am Fußende des Operationstisches. O'Donnell schloß die drei Schläuche an einen Dreiwegehahn an, der an einer Zwanzig-Kubikzentimeter-Spritze angebracht war. Er drehte den Hahn um neunzig Grad. »Jetzt fangen wir an, das Blut abzunehmen«, erklärte er. Behutsam begann er, den Kolben der Spritze herauszuziehen. Dies war der kritische Augenblick bei einer Austauschtransfusion. Wenn das Blut nicht glatt floß, mußte das Katheter zurückgezogen und von neuem in die Vene eingeführt werden. O'Donnell bemerkte, daß Dornberger sich hinter ihm vorbeugte. Dann begann glatt und gleichmäßig das Blut zu fließen, füllte den Hohlraum des Katheters und trat in die Spritze ein.

O'Donnell erklärte: »Sie werden bemerken, daß ich das Blut sehr langsam und vorsichtig entnehme. In diesem Falle werden wir auch immer nur eine sehr kleine Menge entnehmen, weil es ein besonders kleiner Säugling ist. Normalerweise kann man einem voll ausgetragenen Kind zwanzig Kubikzentimeter auf einmal abnehmen, aber in diesem Fall beschränke ich mich auf zehn, um zu große Schwankungen des venösen Drucks zu vermeiden.«