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»Das kannst du verrichten, Hanns«, sprach der im Mantel, »ich stoße keinen Wehrlosen nieder; dort ist sein Schwert, schlag ihn tot, aber mach es kurz.«

»Warum wollt Ihr mich nicht lieber selbst umbringen, Herr!« sagte Georg mit fester Stimme; »Ihr habt mir meine Liebe gestohlen, was liegt an meinem Leben?«

»Was habe ich?« fragte jener und trat näher.

»Was Teufel ist das für eine Stimme?« sprach der Mann, der ihn noch immer umschlungen hielt; »die sollte ich kennen!« Er drehte den jungen Mann in seinen Armen um, und wie von einem Blitz getroffen, zog er die Hände von ihm ab: »Jesus, Maria und Joseph! da hätten wir bald etwas Schönes gemacht! aber welcher Unstern führt Euch auch gerade hieher, Junker? was denken auch meine Leute, daß sie Euch fortlassen, ohne daß ich dabei bin!«

Es war der Pfeifer von Hardt, der Georg also anredete, und ihm die Hand zum Gruß bot; dieser aber schien nicht geneigt, dieses freundschaftliche Zeichen einem Manne zu erwidern, der noch soeben das Handwerk des Henkers an ihm verrichten wollte; wild blickte er bald den Mann im Mantel, bald den Pfeifer an. »Meinst du«, sagte er zu diesem, »ich hätte mich von deinen Weibern in Gefangenschaft halten lassen sollen, daß ich deine Verräterei hier nicht sehe? Erbärmlicher Betrüger! Und Ihr«, wandte er sich zu dem andern, »wenn Ihr ein Mann von Ehre seid, so steht mir, und fallet nicht zu zwei über einen her; wenn Ihr wißt, daß ich Georg von Sturmfeder bin, so mögen Euch meine früheren Ansprüche auf das Fräulein nicht unbekannt sein, und mit Euch mich zu messen, bin ich hierhergekommen. Darum befehlet diesem Schurken, daß er mir mein Schwert wiedergebe, und laßt uns ehrlich fechten, wie es Männern geziemt.«

»Ihr seid Georg von Sturmfeder?« sprach jener mit freundlicher Stimme und trat näher zu ihm. »Es scheint mir, Ihr seid etwas im Irrtum hier. Glaubet mir ich bin Euch sehr gewogen, und hätte Euch längst gerne gesehen. Nehmet das Ehrenwort eines Mannes, daß mich nicht die Absichten in jenes Schloß führen, die Ihr mir unterleget, und seid mein Freund.«

Er bot dem überraschten Jüngling die Hand unter dem Mantel hervor, doch dieser zauderte; die gewichtigen Hiebe dieses Mannes hatten ihm zwar gesagt, daß er ein Ehrenwerter und Tapferer sei, darum konnte und mußte er seinen Worten trauen aber sein Gemüt war noch so verwirrt, von allem was er gehört und gesehen, daß er ungewiß war, ob er den Handschlag dessen, den er noch vor einem Augenblick als seinen bittersten Feind angesehen hatte, empfangen sollte oder nicht? »Wer ist es, der mir die Hand beut?« fragte er; »ich habe Euch meinen Namen genannt, und könnte wohl billigerweise dasselbe von Euch verlangen.«

Der Unbekannte schlug den Mantel auseinander, schob das Barett zurück, und der Mond beleuchtete ein Gesicht voll Würde, und Georg begegnete einem glänzenden Auge, das den Ausdruck gebietender Hoheit trug. »Fraget nicht nach Namen«, sprach er, indem ein Zug von Wehmut um seinen Mund blitzte »ich bin ein Mann, und dies mag Euch genug sein; wohl führte auch ich einst einen Namen in der Welt, der sich mit dem ehrenwertesten messen konnte, wohl trug auch ich die goldenen Sporen und den wallenden Helmbusch, und auf den Ruf meines Hüfthorns lauschten viele hundert Knechte, er ist verklungen. Aber eines ist mir geblieben«, setzte er mit unbeschreiblicher Hoheit hinzu, indem er die Hand des jungen Mannes fester drückte, »ich bin ein Mann und trage ein Schwert,

Si fractus illabatur orbisImpavidum ferient ruinae.«

Er drückte das Barett wieder in die Stirne, zog seinen Mantel hoch herauf, und ging vorüber in den Wald.

Georg stand in stummem Erstaunen auf sein Schwert gestützt. Der Anblick dieses Mannes – es war ihm unbegreiflich – hatte alle Gedanken der Rache in seinem Herzen ausgelöscht. Dieser gebietende Blick, dieser gewinnende, wohlwollende Zug um den Mund, das tapfere, gewaltige Wesen dieses Mannes, erfüllten seine Seele mit Staunen, mit Achtung, mit Beschämung. Er hatte geschworen, mit Marien in keiner Berührung zu stehen, er hatte es bekräftigt mit jener tapfern Rechten, die noch eben die gewichtige Klinge leicht wie ein Spiel geführt hatte; er hatte es bestätigt mit einem jener Blicke, deren Strahl Georg wie den der Sonne nicht zu ertragen vermochte, eine Bergeslast wälzte sich von seiner Brust, denn er glaubte, er mußte glauben.

Wenn man bedenkt, wie sehr zu jener Zeit körperliche Eigenschaften gewogen und angeschlagen wurden, wie man Tapferkeit auch an dem Feinde hochschätzte und achtete, wie das Wort eines anerkannt tapferen Mannes so fest stand, wie der Schwur auf die Hostie, wenn man ferner bedenkt, wie groß die Wirkung eines anmutigen, oder aber eines imponierenden Äußern auf ein jugendliches Gemüt ist, so wird man sich über die Veränderung nicht zu sehr wundern, welche in diesen kurzen Augenblicken mit der Gesinnung des Jünglings vorging.

»Wer ist dieser Mann?« fragte Georg den Pfeifer, der noch immer neben ihm stand.

»Ihr hörtet ja, daß er keinen Namen hat, und auch ich weiß ihn nicht zu nennen.«

»Du wüßtest nicht, wer er sei?« entgegnete Georg, »und doch hast du ihm beigestanden, als er mit mir focht? gehe! Du willst mich belügen!«

»Gewiß nicht Junker«, antwortete der Pfeifer; »es ist, Gott weiß es, wahr, daß jener Mann derzeit keinen Namen hat, wenn Ihr übrigens durchaus erfahren wollet, was er ist, so wisset, er ist ein Geächteter, den der Bund aus seinem Schloß vertrieb; einst aber war er ein mächtiger Ritter im Schwabenland.«

»Der Arme! darum also ging er so verhüllt? und mich hielt er wohl für einen Meuchelmörder! ja ich erinnere mich, daß er sagte, er wolle sein Leben teuer genug verkaufen.«

»Nehmt mir nicht übel, werter Herr«, sagte der Bauer, »auch ich hielt Euch für einen, der dem Geächteten auf das Leben lauern soll, darum kam ich ihm zu Hülfe, und hätte ich nicht Eure Stimme noch gehört, wer weiß, ob Ihr noch lange geatmet hättet. Wie kommt Ihr aber auch um Mitternacht hieher, und welches Unheil führt Euch gerade dem geächteten Mann in den Wurf. Wahrlich, Ihr dürft von Glück sagen, daß er Euch nicht in zwei Stücke gehauen, es leben wenige die vor seinem Schwert standgehalten hätten. Ich vermute, die Liebe hat Euch da einen argen Streich gespielt!«

Georg erzählte seinem ehemaligen Führer, welche Nachrichten ihm im Hirsch in Pfullingen mitgeteilt worden seien. Namentlich berief er sich auf die Aussage der Amme, des Pfeifers Schwester, die ihm so höchst wahrscheinlich gelautet habe.

»Dacht ich's doch, daß es so was sein müsse«, antwortete der Pfeifer. »Die Liebe hat manchem noch ärger mitgespielt, und ich weiß nicht was ich in jungen Jahren in ähnlichem Fall getan hätte. Daran ist aber wieder niemand schuld als meine Rosel, die alte Schwätzerin; was hat sie nötig der Wirtin im Hirsch, die auch nichts bei sich behalten kann, zu beichten?«

»Es muß aber doch etwas Wahres an der Sache sein«, entgegnete Georg, in welchem das alte Mißtrauen hin und wieder aufblitzte. »So ganz ohne Grund konnte doch Frau Rosel nichts ersinnen!«

»Wahr? etwas Wahres müsse daran sein? allerdings ist alles wahr nach der Reihe; die Knechte werden zu Bett geschickt und die alte Aufpasserin auch, um eilf Uhr kommt der Mann, vor das Schloß, die Zugbrücke fällt herab, die Tore tun sich ihm auf, das Fräulein empfängt ihn und führt ihn in die Herrenstube –«

»Nun? siehst du«, rief Georg ungeduldig, »wenn dieses alles wahr ist, wie kann dann jener Mann schwören, daß er mit dem Fräulein – –«

»Daß er mit dem Fräulein ganz und gar nichts wolle?« antwortete der Pfeifer, »allerdings kann er das schwören; denn es ist nur ein Unterschied bei der ganzen Sache, den die Gans, die Rosel freilich nicht gewußt hat, nämlich, daß der Ritter von Lichtenstein in der Herrenstube sitzt, das Fräulein aber sich entfernt, wenn sie ihre heimlich bereiteten Speisen aufgetragen hat. Der Alte bleibt bei dem geächteten Mann bis um den ersten Hahnenschrei, und wenn er gegessen und getrunken, und die erstarrten Glieder am Feuer wieder erwärmt hat, verläßt er das Schloß, wie er es betreten.«