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»Wenn Ihr an die Zugbrücke von Lichtenstein kommet«, fuhr der Ritter fort, »so gebet dem nächsten besten Knecht den Zettel, den ich Euch schreiben werde, und diesen Ring, solches dem Herrn des Schlosses zu bringen, und Ihr werdet gewiß empfangen werden, als wäret Ihr des Herzogs eigener Sohn. Doch für das Fräulein müßt Ihr Eure eigenen Zeichen haben, denn auf sie erstreckt sich mein Zauber nicht; etwa ein herzlicher Händedruck, die geheimnisvolle Sprache der Augen, oder ein süßer Kuß auf ihren roten Mund; doch, um gehörig vor ihr zu erscheinen, habt Ihr Ruhe nötig, denn Eure Augen möchten nach einer durchwachten Nacht etwas trübe sein. Daher folget meinem Beispiel, strecket Euch auf die Rehfelle nieder, und leget Euren Mantel als Kopfkissen unter. Und du würdiger Majordomus, oberster Kämmerer und Mundschenk, Hanns, getreuer Gefährte im Unglück, reiche diesem Paladin noch einen Becher zum Schlaftrunk, daß ihm jene Felle zum weichen Pfühl, diese Felsengrotte zum Schlafklosett werde, und ihn der Gott der Träume mit seinen lieblichsten Bildern besuche!«

Die Männer tranken und legten sich zur Ruhe, und Hanns setzte sich, wie ein treuer Hund, an die Pforte der Felsenkammer. Bald kam Morpheus mit leisen Tritten zu dem Lager des Jünglings und streute seine Schlummerkörner über ihn, und er hörte nur noch halb im Traume, wie der geächtete Mann sein Nachtgebet sprach, und mit frommer Zuversicht zu dem Lenker der Schicksale flehte über ihn und jenes unglückliche Land, in dessen tiefem Schoß er jetzt ruhte, seinen Schutz und seine Hülfe herabzusenden.

VII

Aus einem tiefen grünen Tal

Steigt auf ein Fels als wie ein Strahl,

Drauf schaut das Schlößlein Lichtenstein

Vergnüglich in die Welt hinein.

Schwab

Georg konnte sich anfangs nicht recht auf seine Lage, und die Gegenstände umher besinnen, als er von dem Pfeifer von Hardt aus dem Schlaf aufgeschüttelt wurde; allmählich aber kehrten die Bilder der vergangenen Nacht in seine Seele zurück, und er erwiderte freudig den Handschlag, mit welchem ihn der geächtete Ritter begrüßte. »So gerne ich Euch noch tagelang in meinem Palast beherbergen würde«, sprach dieser, »so möchte ich Euch doch raten, nach Lichtenstein aufzubrechen, wenn Ihr anders ein warmes Frühstück haben wollet. In meiner Höhle kann ich Euch leider keines bereiten lassen, denn wir machen niemals Feuer auf, weil der Rauch uns gar zu leicht verraten könnte.«

Georg stimmte seinen Gründen bei, und dankte ihm für seine Beherbergung. »Wahrlich«, sagte er, »ich habe selten eine fröhlichere Nacht beim Becher verlebt, als in dieser Höhle. Es hat etwas Reizendes, so tief unter den Füßen der Menschen zu atmen und mit Freunden sich zu besprechen. Ich gebe nicht den herrlichsten Saal des schönsten Schlosses um diese Felsenwände!«

»Ja, unter Freunden, wenn der Becher munter kreist«, entgegnete der Bewohner der Höhle; »aber unfreiwillig hier zu sitzen, tagelang einsam in diesen Kellern über sein Unglück zu brüten, wenn das Herz sich hinaussehnt in den grünen Wald, unter den blauen Himmel, wenn das Auge, müde dieser unterirdischen Pracht, hineintauchen möchte in die reizende Landschaft, hinüberschweifen möchte über lachende Täler zu den fernen Bergen der Heimat; wenn das Ohr, betäubt von dem eintönigen Gemurmel dieser Wasser, die Tropfen um Tropfen von den Wänden rieseln, und gesammelt in bodenlose Tiefen hinabstürzen, sich hinaussehnt, den Gesang der Lerche zu hören, zu lauschen wie das Wild in den Büschen rauscht!«

»Armer Mann! es ist wahr, eine solche Einsamkeit muß schrecklich sein!«

»Und dennoch«, fuhr jener fort und richtete sich höher auf, indem ein stolzer Trotz aus seinen Augen blitzte; »und dennoch preise ich mich glücklich, mit Hülfe guter Leute diese Zuflucht gefunden zu haben. Ja ich wollte lieber noch hundert Faden tief hinabsteigen, wo die Brust keine Luft mehr zu atmen findet, als in die Hände meiner Feinde fallen und ihr Gespött werden; und wenn sie dahin mir nachkämen, die blutgierigen Hunde des Bundes, so wollte ich mich mit meinen Nägeln weiter hineinscharren in die härtesten Felsen, ich wollte hinabsteigen tiefer und immer tiefer, bis wo der Mittelpunkt der Erde ist. Und kämen sie auch dorthin, so wollte ich die Heiligen lästern, die mich verlassen haben, und wollte dem Teufel rufen, daß er die Pforten der Finsternis aufreiße, und mich berge gegen die Verfolgung dieses übermütigen Gesindels.« Der Mann war in diesem Augenblick so furchtbar, daß Georg unwillkürlich vor ihm zurückbebte. Seine Gestalt schien größer, alle seine Muskeln waren angespannt, seine Wangen glühten, seine Augen schossen Blitze, als suchten sie einen Feind, den sie vernichten sollten, seine Stimme dröhnte hohl und stark, und das Echo der Felsen sprach ihm in schrecklichen Tönen seine Verwünschungen nach. Obgleich diese Gradation dem Jüngling zu stark vorkommen mochte, so konnte er doch die Gefühle eines Mannes nicht tadeln, den man, weil er seinem Herrn treu geblieben war, aus seinen Besitzungen hinausgeworfen hatte, den man wie ein angeschossenes Wild suchte, um ihn zu töten. »Es liegt ein Trost in dieser Gesinnung«, sagte er zu dem Geächteten, »und Ihr werdet Euer Unglück leichter tragen, wenn Ihr den Gegensatz recht scharf ins Auge fasset. Ich bewundre Euch, um Eurer Seelenstärke, Herr Ritter! aber eben dieses Gefühl der Bewunderung nötigt mir eine Frage ab, die vielleicht noch immer zu unbescheiden klingt, doch Ihr habt mich in der letzten Nacht zu oft Freund genant, als daß ich sie nicht wagen dürfte; nicht wahr, Ihr seid Marx Stumpf von Schweinsberg?«

Es mußte etwas Lächerliches in dieser Frage liegen, das Georg nicht finden konnte, denn der Ernst, der noch immer auf den Zügen des Ritters gelegen, war wie weggeblasen, er lachte zuerst leise vor sich hin, dann aber brach er in lautes Gelächter aus, in welches, wie auf ein gegebenes Zeichen, auch der Spielmann ein stimmte.

Georg sah bald den einen, bald den andern fragend an, aber seine verlegenen Blicke schienen nur die Lachlust der beiden Männer noch mehr zu reizen. Endlich faßte sich der Geächtete: »Verzeihet, werter Gast, daß ich das Gastrecht so gröblich verletzte, und mir nicht lieber die Zunge abgebissen habe, ehe ich etwas von Euch lächerlich fand; aber wie kommt Ihr nur auf den Marx Stumpf? Kennet Ihr ihn denn?«

»Nein, aber ich weiß, daß er ein tapferer Ritter ist, daß er wegen des Herzogs vertrieben wurde, und daß die Bündischen auf ihn lauern; und paßt dieses nicht alles ganz gut auf Euch?«

»Danke Euch, daß Ihr mich für so tapfer haltet, aber das möchte ich Euch doch raten, daß Ihr dem Stumpf nicht bei Nacht in den Weg kommet wie mir, denn dieser hätte Euch ohne weiteres zu Kochstücken zusammengehauen. Der Schweinsberg ist ein kleiner dicker Kerl, einen Kopf kleiner als ich, und darum kam mir unwiderstehlich das Lachen. Übrigens ist er ein ehrenwerter Mann, und einer von den wenigen, die ihren Herrn im Unglück nicht verließen.«

»So seid Ihr nicht dieser Schweinsberg?« entgegnete Georg traurig, »und ich muß gehen ohne zu wissen, wer mein Freund ist?«

»Junger Mann!« sagte der Geächtete mit Hoheit, die nur durch den gewinnenden Ausdruck der Freundlichkeit gemildert wurde, »Ihr habt einen Freund gefunden, durch Euer tapferes, ehrenvolles Wesen, durch Euren offenen, freien Blick, durch Eure warme Teilnahme an dem unglücklichen Herzog. Es sei Euch genug, diesen Freund gewonnen zu haben, fraget nicht weiter, ein Wort könnte vielleicht dieses trauliche Verhältnis zerstören, das mir so angenehm ist. Lebet wohl, denket an den geächteten Mann ohne Namen, und seid versichert, ehe zwei Tage vorbeigehen, sollt Ihr von mir und meinem Namen hören!« Es wollte Georg dünken, als stehe dieser Mann, trotz seines unscheinbaren Kleides, vor ihm wie ein Fürst, der seinen Diener huldreich entläßt, so groß war jene unbeschreibliche Hoheit, die ihm auf der Stirne thronte, so erhaben der Glanz, der aus seinem Auge drang.