»Ich will mit ihm reden, wie du sagst«, antwortete der junge Mann und ging mit dem Pfeifer zu den Landsknechten. Die lange Unterredung der beiden hatte sie schon etwas unmutig gemacht und der kleine Muckerle schoß stechende Blicke auf den Gesandten des Herzogs. Als dieser aber mit edlem Anstand und freiem, siegendem Blick unter sie trat, wurden sie schüchtern und verlegen, und als er sie endlich mit höflichen, schmeichelhaften Worten anredete, wurden ihre tapfere Herzen von der Anmut Georgs von Sturmfeder für des Herzogs Sache gewonnen.
»Wohlerfahrner Oberst«, sprach er, »tapfere Hauptleute der versammelten Landsknechte, der Herzog von Württemberg hat sich den Grenzen seines Landes genaht, hat die Stadt Heimsheim erobert und ist willens, auf gleiche Weise sein ganzes Herzogtum wieder an sich zu bringen –«
»Gott straf mein Zeel, er hat recht; tät'z auch zo machen –«
»Er hat den tapfern Arm und die fürtreffliche Kriegskunst der Landsknechte erprobt, als sie noch gegen ihn standen, er versieht sich zu ihnen, daß sie ihm mit gleichem Mute jetzt beistehen werden, und verspricht ihnen mit seinem fürstlichen Wort, die Bedingungen zu halten, die sie ihm angeboten haben.«
»Ein frommer Herr«, murmelten sie untereinander mit beifälligem Nicken, »ein Goldgülden des Monats – und Mordblei – täglich vier Maß Wein für die Hauptleut!«
Der Oberst stand auf, entblößte sein kahles Haupt zum Gruß und sprach, von manchem Räuspern der Verlegenheit unterbrochen. »Wir danken Euch, hochedler Herr, wollen'z tun, wollen mitziehen – wir wollen dem Schwäbischen Bund heimgeben, waz er unz getan, zo wollen wir. Die allerbesten und tapfersten, wie auch fürtrefflichsten Leute haben zie fortgeschickt, als brauchten zie keine Landsknechte mehr. Da steht zum Beispiel der Hauptmann Löffler. Wenn'z einen tapferern Landsknecht gibt in der Christenheit, zo laß ich mir die Haut vom Leib schälen, und laß mich braten wie eine Zau. Da steht der Staberl von Wien; zo einen hat die Zonne noch nie beschienen und der Mond. – Da ist dann der Magdeburger, wie der, ficht keiner in der Türkei – und der Muckerle da, man zollt ihm'z nicht anzehen; aber daz ist der beste Schütz mit der Donnerbüchs und trifft auf vierzig Gäng inz Schwarze. – Von mir mag ich nicht reden, Eigenlob stinkt; aber Bassa manelka in Spanien und Holland hab ich gedient und Canto cacramento in Italia und Teutschland, Mordblei! in jedem Heere kennt man den langen Peter. Gott straf mein Zeel, wenn ich und die andern hinter den schwäbischen Hund, wollt zagen Bund, komme, diavolo maledetto! da werden zie daz Haazenpanier ergreifen und mit den Absätzen hinter sich hauen!«
Es war dies die längste Rede, die der lange Peter in seinem Leben gehalten hat und noch in späten Jahren, als er längst bei Pavia den Ruhm der deutschen Landsknechte mit dem Tod besiegelt hatte, führten seine Genossen, wenn sie den jüngern Kameraden vom langen Peter erzählten, diesen Moment als einen der erhabensten seines Lebens auf. Wie er dagestanden sei auf das lange Schwert gestützt, den großen Hut mit der Hahnenfeder kühn auf das Ohr gerückt, die rechte Hand in die Seite gestemmt und die Beine ausgespreizt, da habe ihm nichts gefehlt als ein besseres Wams und eine Gnadenkette, um ihn für einen echten Oberst und wahrhaften Feldherrn zu halten.
Die Hauptleute luden jetzt den Junker von Sturmfeder ein, eine Musterung über das neugeworbene Heer zu halten. Der dumpfe Schall der ungeheuern Trommeln, tönte durchs Tal und weckte die Schläfer aus ihrer Ruhe. Noch schien Frondsbergs kriegerischer Geist und sein strenger Ordnungssinn über ihnen zu schweben, denn in wenigen Augenblicken hatten sie sich zu drei großen Kreisen gebildet, die je aus vier Fähnlein bestanden. Einem Auge, das an die schnelle, taktmäßige Bewegung, die schöne Haltung und die gleiche Farbe der Regimenter unserer Zeit gewöhnt ist, möchte wohl jener Anblick überraschend, ja lächerlich erschienen sein. Die Landsknechte waren nach ihrem Geschmack gekleidet, doch hatte die Mode der Zeit im Schnitt ein wenig Gleichförmigkeit in ihren Anzug gebracht. Sie trugen gewöhnlich enge Wämser von Leder, oder auch Lederwesten mit Ärmeln von grobem Tuch. Die Lenden staken in ungeheuer weiten Pluderhosen, die am Knie zugebunden, durch ihre Litzenschwere noch etwas tiefer herunterhingen. Die vollen Waden umgaben grobe Strümpfe von hellen Farben und die Füße waren mit groben Bundschuhen von ungefärbtem Leder bekleidet. Ein Hut, eine Tuch- oder Ledermütze, eine erbeutete oder für eigene Rechnung gekaufte Blechhaube bedeckte den Kopf und die bärtigen Gesichter dieser Männer, die oft zwanzig Jahre unter allen Heeren und Himmelsstrichen Europas dienten, hatten einen kühnen, martialischen Ausdruck. Ihre Bewaffnung bestand in einem langen Dolch und einer Hellebarde, ein Teil war auch mit Donnerbüchsen bewaffnet, die man mit Lunden losbrannte.
So standen sie mit ausgespreizten Beinen, Fuß an Fuß geschlossen, wie ein festes Bollwerk und Georgs kriegerischen Sinn erfreute der Anblick dieser kampfgeübten Männer, die wohl zu wissen schienen, daß sie vereinzelt nichts, aber in Massen verbunden auch einer zahlreichen Schar von Feinden, furchtbar seien.
Die Hauptleute hatten den Kriegesbrauch und das Kommandowort ihrer früheren Anführer wohl im Gedächtnis behalten; sie traten daher mit dem jungen Ritter in einen dieser Kreise und der tiefe, weit tönende Baß des langen Peters befahclass="underline" »Gebt acht ihr Leut! kehrt euch um!«
Schnell hatten sich die Kreise nach innen gekehrt, und vernahmen nun die Reden ihrer Hauptleute, die ihnen jene Aufforderung des Herzogs von Württemberg auseinandersetzten. Ein freudiges Gemurmel zeigte, daß sie mit diesen Bedingungen zufrieden seien und Ulerich von Württemberg so eifrig dienen wollten, als sie vorher gegen ihn gedient hatten. Die Hauptleute ließen jetzt auch einige Übungen machen und Georg bewunderte die Geschicklichkeit der Landsknechte und glaubte fest man werde es in der Kriegskunst auf Erden schwerlich noch viel weiter bringen. Er täuschte sich! Doch sein Irrtum ist so verzeihlich, als jener unserer Großväter, welche die Heroen des großen Friederich für unübertrefflich hielten und den gottlosen Spott ihrer Enkel über Zopf- und Kamaschendienst nicht ahneten. Und wird nicht eine Zeit kommen, wo man auch über die guten alten Zeiten von 1829 lächeln wird? Freilich, so schlanke Taillen wie heutzutage sah man bei den Landsknechten und ihren Hauptleuten Anno 1519 nicht. Doch hätten jene martialischen Figuren einem ganzen heutigen Heere mit Normalbärten aushelfen können.
Etwa nach einer Stunde meldeten die Vorposten, daß man unten im Tale von der Gegend von Heimsheim her, Waffen blinken sehe, und wenn man das Ohr auf die Erde lege, seien die Tritte vieler Rosse deutlich zu vernehmen.
»Das ist der Herzog«, rief Georg, »führt mein Pferd vor, ich will ihm entgegenreiten.«
Der junge Mann galoppierte durch das Tal hin und die Hauptleute und ihre Gesellen blickten ihm nach und bewunderten die Kraft und Gewandtheit, mit welcher er in der schweren Rüstung aufs Pferd gesprungen war, lobten seinen Anstand und seine Haltung, solange sie ihn noch sehen konnten. Bald mischte sich sein Helmbusch mit den Büschen und Lanzenspitzen, die man unten im Tal bemerkte. Sie kamen näher, jetzt sah man Helme blinken, jetzt wurden die Reiter bis um die Brust sichtbar, jetzt erschienen sie auf einmal auf einer kleinen Anhöhe und man konnte die ganze Schar übersehen. Der Pfeifer von Hardt schaute mit blitzenden Augen in die Ferne. Seine Brust hob und senkte sich, die Freude schien ihn des Atems zu berauben, sprachlos nahm er den Obersten an der Hand und deutete auf die Reiterschar.
»Welcher ist der Herzog«, fragte dieser, »ist'z der auf dem Mohrenschimmel?«
»Nein, das ist der edle Herr von Hewen; seht Ihr das Banner von Württemberg, wie, seh ich recht? bei Gott, der Junker von Sturmfeder darf es tragen!«
»Daz ist eine große Ehr! Mordblei, ist erst fünfundzwanzig und darf die Fahne tragen! in Frankreich darf das nur der Connetabel tun, der erste Mann nach dem König Franz. Dort heißt man'z Ohrenflamme und ist aus lauter Gold. Aber welcher ist der Herzog Ulerich?«