»Seht Ihr den im grünen Mantel mit den schwarz und roten Federn auf dem Helm? er reitet neben dem Banner und spricht mit dem Junker, er reitet einen Rappen und zeigt gerade mit dem Finger auf uns – seht, das ist der Herzog.«
Die Reiterschar mochte ungefähr vierzig Pferde betragen, sie bestand meist aus Edelleuten und ihren Dienern, die dem Herzog in seine Verbannung nachgezogen waren, oder von seinem Einfall benachrichtigt, an der Grenze seines Landes sich an ihn angeschlossen hatten. Sie waren alle wohlberitten und bewaffnet. Georg von Sturmfeder trug Württembergs Panier, neben ihm ritt ganz geharnischt der Herzog. Als dieser Zug jetzt den Landsknechten etwa auf zweihundert Schritte nahe war, erhob der lange Peter seine Stimme und sprach: »Gebt acht, ihr Leut. Wann Zeine Durchlaucht nahe ist, und ich meinen Hut vom Scheitel reiße, zo schreiet: ›Vivat Ulericus!‹ schwenket die Fähnlein in der Luft; und ihr Trommler, rasselt auf euren Fellen, daß euch das Donnerwetter! schlagt den Wirbel wie beim Sturm auf eine Festung, Bassa manelka, haut drauf und wenn der Schlegel bricht – zo begrüßen die tapfern Landsknecht einen Fürsten.«
Diese kurze Anrede tat ihre vollkommene Wirkung; die kriegerische Schar murmelte das Lob des Herzogs, sie schüttelten ihre Hellebarden, stampften ihre Büchsen klirrend auf den Boden und die Trommler faßten ihre Schlegel krampfhaft in die Hand und als jetzt Georg von Sturmfeder, der Bannerträger von Württemberg, ansprengte und hinter ihm hoch zu Roß, erhaben wie in den Tagen seiner Herrschaft, mit kühnen, gebietenden Blicken Herzog Ulerich von Württemberg sich zeigte, da entblößte der lange Peter ehrfurchtsvoll sein Haupt, die Trommeln rasselten wie zum Sturm einer Feste, die Fähnlein neigten sich zum Gruß, und die Landsknechte riefen ein tausendstimmiges »Vivat Ulericus!«
Der Bauersmann von Hardt war still in der Ferne gestanden, hatte nicht auf diese kriegerischen Grüße gehört, seine ganze Seele schien nur in seinem Auge zu liegen, das trunken an seinem Herrn hing. Der Herzog hielt den Rappen an, blickte um sich und es war tiefe Stille unter den vielen Menschen. Da trat der Bauer vor, kniete nieder, hielt ihm den Bügel zum Absteigen und sprach: »Hie gut Württemberg alleweg!«
»Ha! bist du es, Hanns, mein Geselle im Unglück, der mir den ersten Gruß von Württemberg bringt? Meine Edeln habe ich hier erwartet, daß sie mich begrüßen bei meinem ersten Schritt auf württembergischem Grund, meinen Kanzler und meine Räte, wo sind die Hunde? Die Stände meiner Landschaft, wo blieben sie, will man mich nicht wiedersehen in der Heimat? Ist keiner von allen da, mir den Bügel zu halten, als der Bauer?«
Seine Begleiter drängten sich staunend um den Herzog her, als sie ihn also sprechen hörten. Sie wußten nicht, war es Ernst oder bitterer Scherz über sein Unglück; sein Mund schien zu lächeln, aber sein Auge blitzte mutig und seine Stimme klang ernst und befehlend. Sie sahen einander wegen dieser düstern Laune zweifelhaft an, aber der Pfeifer von Hardt erwiderte seinem Fürsten:
»Diesmal ist's nur der Bauer, der Euch auf Württembergs Boden hilft, aber verachtet nicht ein treues Herz und eine feste Hand. Die andern werden schon auch kommen, wenn sie hören, daß der Herr Herzog wieder im Lande sei.«
»Meinst du?« sprach Ulerich bitter lachend, indem er sich vom Pferde schwang. »Sie werden auch kommen. Bis jetzt haben wir wenig Kunde davon; aber ich will anklopfen an ihren Türen, daß sie merken sollen, es ist der alte Herr, der in sein Haus will!«
»Sind dies die Landsknecht, die mir dienen wollen?« fuhr er fort, indem er aufmerksam das kleine Heer betrachtete; »sie sind nicht übel bewaffnet und sehen männlich aus. Wieviel sind es?«
»Zwölf Fähnlein, Euer Durchlaucht«, antwortete der Oberst Peter, der noch immer mit gezogenem Hut vor ihm stand und hie und da verlegen den ungarischen Bart zwirbelte. »Lauter geübte Leut, Gott straf mein Zeel, tut mir leid, wenn ich geflucht hab, der König in Frankreich hat sie nicht besser.«
»Wer bist denn du?« fragte ihn der Herzog, der die große dicke Figur mit dem langen Hieber und dem roten Gesicht verwundert anschaute.
»Ich bin eigentlich ein Landsknecht meines Zeichenz, man nennt mich den langen Peter, jetzt aber wohlbestallter Oberst verzammelter –«
»Was, Oberst! diese Narrheit muß aufhören. Ihr mögt mir wohl ein tapferer Mann sein, aber zum Hauptmann seid Ihr nicht gemacht. Ich selbst will Euer Oberst sein und zu Hauptleuten werde ich einige meiner Ritter machen.«
»Bassa manelk – tut mir leid, wenn ich geflucht hab, aber erlaubt, Herr Herzog einem alten Kerl ein Wort, daz ist gegen unzern Pakt mit dem Goldgülden monatlich und den vier Maaz Wein tagtäglich. Da steht zum Beispiel der Staberl aus Wien, 'z gibt keinen Tapferern unter dem Mond –«
»Schon gut, Alter, schon gut! auf die Goldgülden und den Wein soll mir's nicht ankommen. Wer bisher Hauptmann war, soll es richtig bekommen; nur den Befehl müßt Ihr abgeben. Habt Ihr Pulver und Kugeln?«
»Das will ich meenen!« sagte der Magdeburger, »wir haben noch von Euer Durchlaucht eigenem Pulver und Blei, was wir in Tübingen mitgenommen. Wir haben Munition auf achtzig Schuß für den Mann.«
»Gut; Georg von Hewen und Philipp von Rechberg, ihr teilt euch in die Knechte, jeder nimmt sechs Fähnlein. Ihr da, die ihr euch Hauptleute nennet, könnet bei den einzelnen Fähnlein bleiben und den beiden Herren an die Hand gehen. Ludwig von Gemmingen seid so gut, und nehmet den Oberbefehl über das Fußvolk. Jetzt geraden Wegs auf Leonberg. Freu dich, mein treuer Bannerträger«, sagte Ulerich, als er sich aufs Pferd schwang, »so Gott will, ziehen wir morgen in Stuttgart ein.«
Die Reiterschar, den Herzog an der Spitze, zog fürder. Der lange Peter stand noch immer unverrückt auf dem Platz, den Hut mit der stolzen Hahnenfeder in der Hand und schaute den Reitern nach.
»Daz ist einmal ein Fürst!« sprach er zu den Hauptleuten, die neben ihm standen. »Waz der für eine gewaltige Stimme hat und wie er greulich mit den Augen funkelt, daz ez einem angst und bange wird. Hu, ich meine, er woll mich mit Haut und Haar verschlucken, alz er mich fragte: ›Wer bist denn du?‹«
»Mir wor's grod, wie wenn einer siedend Wasser über mein Leib schütten tät. In Wien ist doch auch 'n Kaiser, aber der tut nit so gwaltig wie der do!«
»Also Hauptleut sind wer gwesen«, sprach der Hauptmann Muckerle, »die Herrlichkeit hat nit lang dauert.«
»Narr! daz ist mir recht. ›Würde bringt Bürde‹, zagt ein Sprichwort. Die anderen haben oft nicht recht gehorcht, wenn wir befohlen haben, Diavolo, hat doch erst heute einer mich ausgelacht. Hat allez einen besseren Schick, wenn'z die Herren anführen; den Goldgülden und die vier Maaz haben wir ja doch, und daz bleibt die Hauptzache.«
»Dat meen ich ooch! und dat haben wer dem langen Peter tu verdanken. Er soll leben!«
»Dank' schön! aber daz zag ich, der Herr wird dem Bund aufzünden, Mordblei! wenn der erst ein Schwert in die Hand nimmt, der jagt die Städtler allein auz dem Land! Und zeine Räte und Kanzler und die Landschaft! Habt ihr gehört, wie greulich er über die geflucht hat? Ich möcht in keinez Haut stecken.«
Das Wirbeln der Trommeln unterbrach das Gespräch dieser tapferen Krieger; diese Töne erschollen nicht mehr auf ihren Befehl, aber der lange Peter war in seinen vielen Feldzügen so sehr an den Wechsel von Glück und Unglück, von Hoheit und Niedrigkeit gewöhnt worden, daß er über den Sturz seines Regiments nicht trauerte. Gelassen nahm er die Hahnenfeder von dem großen Hut, legte die rote Schärpe und den langen Hieber, die Zeichen seiner Würde ab und ergriff eine Hellebarde. »Gott straf mein Zeel, ez ist schwer für einen Kerl wie ich, zwölf Fähnlein zu regieren«, sagte er, als er sich wieder als guter Landsknecht in die Reihen seiner Kameraden stellte. »Aber bei Sankt Petruz, dem trefflichen Landsknecht – er muß jetzt auch Oberst zein in den himmlischen Heerscharen Kyrie Eleyzon! – der Mensch muß allez probieren auf Erden.« Die Landsknechte schüttelten ihm die Hand und bestätigten es; es tat seinem tapferen Herzen wohl, zu hören, er habe sein Kommando trefflich verwaltet. Die drei Ritter, ihre Anführer, saßen auf und stellten sich zu ihren Fähnlein, die Landsknechte richteten sich in gewohnter Ordnung zum Marsch und Ludwig von Gemmingen ließ die Trommeln rühren zum Aufbruch.