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»So überaus ernst, junger Herr?« fragte eine heisere Stimme hinter ihm und weckte ihn aus seinen Gedanken. »Ich dächte doch, Georg von Sturmfeder hätte alle Ursache, heiter und guter Dinge zu sein!«

Der junge Mann wandte sich verwundert um und schaute herab – auf den Kanzler Ambrosius Volland. War ihm dieser Mann schon gestern durch seine widrige Freundlichkeit, durch sein katerhaftes, schleichendes Wesen unangenehm aufgefallen, so war dies heute noch mehr der Fall, da der Kanzler durch überladenen Putz seine Mißgestalt noch mehr herausgehoben hatte. Sein dunkelgelbes verwittertes Antlitz, mit dem ewigen stehenden Lächeln, die grünen Äuglein unter den langen, grauen Wimpern, die roten, entzündeten Ränder der Augenlider, der dünne Katzenbart stachen grell ab gegen ein rotes Barett von Samt und gegen einen Mantel von hellgelber Seide, der über den Höcker des kleinen Mannes hinabfloß. Unter diesem trug er einen grasgrünen Anzug, rosenrot ausgeschlitzt und rosenrote Knieebänder mit ungeheuren Maschen. Sein Kopf stak in den Schultern und das rote Barett stieß hinten sogleich auf den Höcker auf. Der Scharfrichter von Stuttgart pflegte daher zu sagen, unter allen Menschen, die er kenne, sei niemand schwerer zu köpfen als der Kanzler Ambrosius Volland.

Dieser Mann war es, der an Georg von Sturmfeder mit süßem Lächeln hinaufsah, und da ihn dieser noch immer anstarrte, zu sprechen fortfuhr: »Ihr kennet mich vielleicht nicht, wertgeschätzter junger Freund, ich bin aber Ambrosius Volland, Seiner Durchlaucht Kanzler. Ich komme, um Euch einen guten Morgen zu wünschen.«

»Ich danke Euch, Herr Kanzler; viele Ehre für mich, wenn Ihr Euch deswegen herbemühtet.«

»Ehre, wem Ehre gebühret! Ihr seid ja der Ausbund und die Krone unserer jungen Ritterschaft! Ja! wer meinem Herrn so treu beigestanden ist in aller Not und Fährlichkeit, der hat Anspruch auf meinen innigsten Dank und meine absonderliche Verehrung!«

»Ihr hättet das wohlfeiler haben können, wenn Ihr mitgezogen wäret nach Mömpelgard«, erwiderte Georg, den die Lobsprüche dieses Mannes beleidigten. »Treue muß man nie loben, eher Untreue schelten.«

Einen Augenblick blitzte ein Strahl des Zornes aus den grünen Augen des Kanzlers, aber er faßte sich schnell wieder zur alten Freundlichkeit. »Ja wohl, das mein ich auch! Was mich betrifft, so lag ich am Zipperlein hart darnieder und konnte also nicht wohl nach Mömpelgard reisen; werde aber jetzt mit meinem kleinen Licht, das mir der Himmel verliehen, dem Herrn desto tätlicher zur Hand gehen.«

Er hielt einen Augenblick inne und schien Antwort zu erwarten; aber der Jüngling schwieg und maß ihn nur hin und wieder mit einem Blick, den er nicht recht ertragen konnte. »Nun, Euch wird die Freude erst recht angehen. Der Herzog hält erstaunlich viel auf Euch! Natürlich, Ihr verdient es auch im höchsten Grad und der Herzog hat seinen Liebling gut gewählt. Wollet doch erlauben, daß Ambrosius Volland Euch auch eine kleine Erkenntlichkeit zeige. Seid Ihr Freund von schönen Waffen? Kommet in meine Behausung auf dem Markt, wählet Euch aus meiner Armatur was Euch beliebt. Vielleicht dienen Euch schöne Bücher, habe einen ganzen Kasten voll; wählet Euch aus, was Ihr wollet, wie es unter Freunden gebräuchlich. Esset auch zuweilen bei mir zu Mittag, meine Base, ein feines Kind von siebzehn Jahren hält mir haus; sehet ihr nur, hi, hi, hi – sehet ihr nur nicht zu tief in die Augen.«

»Seid ohne Sorgen, bin schon versehen.«

»So? ei das ist recht christlich gedacht; das muß ich loben; man trifft solchen wackern Sinn nicht immer unter unserer heutigen Jugend. Ich sagte es ja gleich; der Sturmfeder, das ist ein Ausbund von Tugenden. Nun, was ich noch sagen wollte, wir sind bis jetzt so zusammen die einzigen von des Herzogs Hofstaat, stehen wir zusammen, so werden nur Leute aufgenommen, die wir wollen. Verstehet mich schon, hi, hi, eine Hand wäscht die andere. Darüber läßt sich noch sprechen; Ihr beehret mich doch zuweilen mit einem Besuche?«

»Wenn es meine Zeit erlauben wird, Herr Kanzler.«

»Würde mich gerne noch länger bei Euch aufhalten, denn in Eurer Gegenwart ist mir ganz wohl ums Herz; muß aber jetzt zum Herrn. Er will heute früh Gericht halten über die zwei Gefangenen, die gestern nacht das Volk aufwiegeln wollten. Wird was geben, der Beltle ist schon bestellt.«

»Der Beltle?« fragte Georg, »wer ist er?«

»Das ist der Scharfrichter, wertgeschätzter, junger Freund.«

»Ich bitte Euch! der Herzog wird doch nicht den ersten Tag seiner neuen Regierung mit Blut beflecken wollen!«

Der Kanzler lächelte greulich und antwortete: »Was das wieder Eurem fürtrefflichen Herzen Ehre macht, aber zum Blutrichter taugt Ihr nicht. Man muß ein Exempel statuieren. Der eine«, fuhr er mit zarter Stimme fort, »der eine wird geköpft, weil er von Adel ist, der andere wird gehängt. Behüt Euch Gott, Lieber!«

So sprach der Kanzler Ambrosius Volland und ging mit leisen Schritten die Galerie entlang den Gemächern des Herzogs zu. Georg sah ihm mit düsteren Blicken nach. Er hatte gehört, daß dieser Mann früher durch seine Klugheit, vielleicht auch durch unerlaubte Künste großen Einfluß auf Ulerich gewonnen hatte; er hatte den Herzog selbst oft mit großer Achtung von der Staatsklugheit dieses Mannes sprechen gehört; aber er wußte nicht warum, er fürchtete für den Herzog, wenn er sich dem Kanzler vertraue, er glaubte Tücke und Falschheit in seinen Augen gelesen zu haben.

Er sah gerade den Höcker und den wehenden gelben Mantel um die Ecke schweben, als eine Stimme neben ihm flüsterte: »Trauet dem Gelben nicht!« Es war der Pfeifer von Hardt, der sich unbemerkt an seine Seite gestellt hatte.

»Wie? bist du es, Hanns?« rief Georg und bot ihm freundlich die Hand. »Kommst du ins Schloß, uns zu besuchen? Das ist schön von dir, bist mir wahrhaftig lieber als der mit dem Höcker; aber was wolltest du mit dem Gelben, dem ich nicht trauen solle?«

»Das ist eben der mit dem Höcker, der Kanzler, der ist ein falscher Mann; ich habe auch den Herzog verwarnt, er soll nicht alles tun, was er ihm rät, aber er wurde zornig und – es mag wahr sein, was er sagte.«

»Was sagte er denn? hast du ihn heute schon gesprochen?«

»Ich kam, um mich zu verabschieden, denn ich gehe wieder heim nach Hardt zu Weib und Kind; der Herr war erst gerührt und erinnerte sich an die Tage seiner Flucht und sagte, ich soll mir eine Gnade ausbitten. Ich aber habe keine verdient, denn was ich getan, ist eine alte Schuld, die ich abgetragen. Da sagte ich, weil ich nichts anders wußte, er soll mich meinen Fuchs frei schießen lassen, und nicht strafen als Jagdfrevel. Des lachte er und sprach: das könne ich tun, das sei aber keine Gnade, ich solle weiter bitten. Da faßte ich ein Herz und antwortete: ›Nun, so bitt ich, Ihr möget dem schlauen Kanzler nicht allzuviel trauen und folgen. Denn ich meine, wenn ich ihn sehe, er meint es falsch – ‹«

»So geht es mir gerade auch«, rief Georg, »es ist, als wolle er mir die Seele ausspionieren mit den grünen Augen und ich wette, er meint es falsch; aber was gab dir der Herzog zur Antwort?«

»›Das verstehst du nicht‹, sagte er, und wurde böse; ›in Klüften und Höhlen magst du wohl bewandert sein, aber im Regiment kennt der Kanzler die Schliche besser als du.‹ Kann sein, ich habe unrecht und es soll mir lieb sein, um den Herzog! Nun lebet wohl, Junker! Gott sei mit Euch; amen.«

»Und wolltest du also gehen; wolltest nicht noch zu meiner Hochzeit bleiben? Ich erwarte den Vater und das Fräulein heute. Bleibe noch ein paar Tage; du warst so oft der Liebesbote und darfst uns nicht fehlen!«