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"Wer?"

"Schiller. Ein deutscher Dramatiker, der vor drei Jahrhunderten gelebt hat. In einem Stück um Johanna von Orleans sagt er: "Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.) Ich bin kein Gott, und ich kämpfe nicht länger. Gib's auf, Pete, und zieh deines Weges. Vielleicht hält die Welt durch, solange wir leben, und wenn nicht, können wir sowieso nichts machen. Es tut mir leid, Pete. Du hast gut gekämpft, aber du hast verloren, und ich bin fertig mit der Sache." Damit ging er, und Lamont war allein. Er saß auf seinem Stuhl, und seine Finger trommelten, trommelten ziellos. Irgendwo in der Sonne hafteten die Protonen mit einer geringfügig gesteigerten Reaktionsfähigkeit zusammen, und mit jeder Bewegung nahm dieser Zusammenhalt weiter zu, und irgendwann würde die empfindliche Balance gestört...

"Und niemand auf der Erde wüßte, daß ich recht hatte", rief Lamont aus und blinzelte und blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten.

II. Para

1 a

Dua hatte keine Mühe, sich von den anderen abzusondern. Sie rechnete immer mit Schwierigkeiten, die dann irgendwie ausblieben. Jedenfalls richtige Schwierigkeiten.

Aber warum auch nicht? Odeen machte zwar Einwände auf seine Art. "Bleib hier", sagte er immer. "Du weißt, daß du Tritt aufregst." Nie sprach er von seinen eigenen Empfindungen; um Kleinigkeiten regten sich Denklinge auch nicht auf. Doch kümmerte er sich fast so eingehend um Tritt, wie dieser die Kinder bewachte.

Aber zum Schluß bekam sie Odeen doch immer herum, wenn sie genügend quängelte, und er legte sich dann sogar mit Tritt an. Manchmal gab er auch zu, auf ihre Fähigkeiten stolz zu sein, auf ihre Unabhängigkeit... Er war kein schlechter Linksling, überlegte sie unkonzentriert.

Mit Tritt ließ sich nicht so leicht auskommen; er schaute sie immer so beleidigt an, wenn sie - nun, wenn sie so war, wie sie gern sein wollte. Aber Rechtslinge waren ja immer so. Für sie war er ein Rechtsling, doch für die Kinder ein Eiterung, und das hatte den Vorrang... Was ganz günstig war, denn sie konnte sich immer darauf verlassen, daß das eine oder andere Kind ihn beanspruchte, wenn die Lage brenzlig wurde.

Trotzdem hatte sie nichts gegen Tritt. Bis auf die Augenblik-ke des Verschmelzens ignorierte sie ihn. Bei Odeen war das anders. Er war zuerst richtig aufregend gewesen; schon seine Gegenwart hatte ihre Umrisse zum Leuchten und Verschwimmen gebracht. Und daß er ein Denkling war, erhöhte den Reiz irgendwie noch mehr. Sie verstand ihre Reaktion darauf nicht ganz; diese Reaktion war ein Teil ihrer Absonderlichkeit. Sie hatte sich an ihre Absonderlichkeit gewöhnt - jedenfalls fast.

Dua seufzte.

Als Kind, als sie sich noch als Individuum und nicht als Teil einer Triade ansah, war ihr diese Absonderlichkeit noch viel gegenwärtiger gewesen. Die anderen hatten es sie viel mehr spüren lassen. Schon so eine Kleinigkeit wie die Oberfläche am Abend...

Leidenschaftlich gern war sie abends an der Oberfläche gewesen. Die anderen Gefühlslinge hatten den Ort kalt und düster genannt und waren zitternd verschmolzen, wenn sie ihnen eine Beschreibung gab. Sie waren zwar bereit, in der Wärme des Mittags dort hinaufzusteigen und sich auszubreiten und zu essen, aber eben das machte den Mittag so langweilig. In Gesellschaft des zwitschernden Haufens fühlte sie sich nicht wohl.

Natürlich mußte sie essen, aber das tat sie viel lieber am Abend, wenn es wenig Nahrung gab, wenn aber die ganze Umgebung dämmrig war und schwachrot leuchtete und wenn sie allein war. Natürlich beschrieb sie den anderen die Szene kälter und schlimmer, als sie wirklich war - nur um sie bei dem Gedanken an die Kühle hart werden zu sehen. Nach einer Weile flüsterten die anderen über sie und lachten sie aus - und ließen sie in Ruhe.

Die kleine Sonne stand nun über dem Horizont und strahlte jene geheimnisvolle Röte aus, die Dua allein vorbehalten war. Sie breitete sich seitlich aus, verdickte Rücken und Bauch und absorbierte die dünnen Wärmespuren. Sie kaute geistesabwesend darauf herum, genoß den leicht sauren, substanzlosen Geschmack der gedehnten Wellenlängen. (Sie war noch keinem anderen Gefühlsling begegnet, der sich zu einem ähnlichen Geschmack bekannt hätte. Aber sie vermochte nicht zu erklären, daß sie das mit Freiheit gleichsetzte; mit der Freiheit von den anderen, wenn sie allein sein konnte.)

Auch jetzt brachten die Einsamkeit, die Kühle und das tiefe, tiefe Rot die Erinnerung an die weit zurückliegende Zeit vor der Triade und - sogar noch deutlicher - an ihren eigenen Elterling, der ihr schwerfällig gefolgt war, in ständiger Angst, daß sie sich weh tun könnte.

Er hatte sich aufopfernd um sie bemüht, wie alle Elterlinge; um den Klein-Mittling mehr als um die beiden anderen. Das hatte Dua gestört, und sie hatte oft von dem Tag des Verlassens geträumt. Alle Elterlinge verließen ihre Kinder irgendwann; und sie mußte daran denken, wie sehr er ihr gefehlt hatte, als es eines Tages soweit war.

Er war herbeigekommen, um es ihr möglichst schonend beizubringen, obwohl es den Eiterungen allgemein schwerfiel, ihre Gefühle auszudrücken. An jenem Tage war sie ihm fortgelaufen; nicht aus Boshaftigkeit, nicht, weil sie ahnte, was er ihr sagen wollte, sondern aus Übermut. Gegen Mittag hatte sie eine besondere Stelle entdeckt und sich in unerwarteter Abgeschiedenheit gesättigt, und jetzt erfüllte sie ein seltsames, jukkendes Gefühl, das einfach nach Bewegung und Aktivität schrie. Sie war über die Felsen geglitten und hatte sogar ihre Oberfläche in die Steine eindringen lassen. Sie wußte, daß das schrecklich ungehörig war für einen großen Mittling wie sie, und doch erregte und beruhigte es sie zugleich.

Und ihr Elterling hatte sie endlich eingeholt und baute sich vor ihr auf. Er schwieg eine lange Zeit, machte die Augen klein und dicht, als wollte er jedes Lichtpartikel auffangen, das von ihr reflektiert wurde, als wollte er noch einmal soviel wie möglich von ihr aufnehmen und so lange wie möglich.

Zuerst hatte sie diesen Blick in der verwirrten Annahme erwidert, daß er sie beim Durchdringen der Felsen gesehen hatte und sich jetzt für sie schämte. Doch sie erspürte keine SchamAura und fragte schließlich leise: "Was ist los, Pappie?"

"Dua, die Zeit ist gekommen. Ich habe sie erwartet. Du bestimmt auch."

"Welche Zeit?" Da der Moment nun gekommen war, zeigte sich Dua bewußt uneinsichtig. Wenn sie die Wahrheit nicht wahrhaben wollte, gab es sie auch nicht. (Diese Angewohnheit hatte sie auch später nicht abgelegt. Odeen sagte, alle Gefühlslinge wären so - mit der erhabenen Stimme, die er manchmal an sich hatte, wenn ihm die Bedeutung seiner Existenz als Denkling besonders zu Kopf gestiegen war.)

Ihr Elterling hatte gesagt: "Ich muß weiterziehen. Ich kann nicht bei dir bleiben." Dann stand er einfach dort und schaute sie an, und sie wußte nichts zu erwidern.

"Du sagst es den anderen", fügte er hinzu.

"Warum?" Dua wandte sich widerspenstig ab, ihre Umrisse wurden immer undeutlicher, und sie versuchte sich aufzulösen. Sie wollte sich völlig auflösen, und das konnte sie natürlich nicht. Nach einer Weile tat es weh, und sie verkrampfte sich, und schnell verhärtete sie sich wieder. Ihr Eiterung machte sich nicht einmal die Mühe, sie zu schelten und ihr zu sagen, daß es eine Schande wäre, wenn jemand sie so ausgestreckt sähe.

"Denen ist es doch egal", sagte sie und bereute sofort, daß sie ihren Eiterung damit verletzt hatte. Er nannte die anderen noch immer "Klein-Links" und "Klein-Rechts", aber Klein-Links steckte bereits in seinem Studium, und Klein-Rechts redete schon davon, eine Triade zu bilden. Dua war die einzige der drei, die noch immer das Gefühl hatte... Nun, sie war ja auch die Jüngste. Das waren Gefühlslinge immer, und bei ihnen war alles anders.

"Du wirst es ihnen trotzdem sagen", beharrte ihr Eiterung. Und sie standen sich gegenüber und sahen sich an.