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Sie und die anderen Wesen, beide waren verraten.

Ohne sich dessen bewußt zu sein, schmiegte sie sich immer tiefer in das Gestein. Sie begrub sich, versteckte sich vor den Sternen, vor dem Wind, der Welt entrückt. Nur das Denken erfüllte sie.

Sie haßte Estwald. Er war die Personifizierung der Selbstsucht, der Rücksichtslosigkeit. Er hatte die Positronenpumpe geschaffen und wollte eine Welt mit womöglich Zehntausenden von Bewohnern ohne Gewissensbisse vernichten. Er war allem so weit entrückt, daß er niemals in Erscheinung trat, und so mächtig, daß sich sogar die anderen Hartlinge vor ihm zu fürchten schienen.

Nun denn, sie würde gegen ihn kämpfen. Sie wollte ihn aufhalten.

Den Lebewesen des anderen Universums war es durch irgendwelche Nachrichten ermöglicht worden, bei der Errichtung der Positronenpumpe zu helfen. Odeen hatte davon gesprochen. Wo wurden solche Mitteilungen aufbewahrt? Wie sahen sie wohl aus? Wie konnte man sie für neue Botschaften verwenden?

Es war erstaunlich, wie klar sie denken konnte. Erstaunlich. Der Gedanke, daß sie ihren Verstand einsetzen würde, um grausame Verstandeswesen zu überlisten, bereitete ihr ein wildes Vergnügen.

Niemand konnte sie aufhalten, denn kein Hartling vermochte ihr zu folgen, auch kein Denkling oder Eiterung - und ein Ge-fühlsling hätte es nicht gewagt.

Irgendwann wurde sie vielleicht erwischt, doch im Augenblick war ihr das egal. Sie wollte für ihre Sache kämpfen - um jeden Preis - um jeden Preis , obwohl sie, um das zu erreichen, durch Gestein dringen und darin leben mußte, obwohl sie den Hart-Höhlen ausweichen, die Nahrung, wenn nötig, aus den Speicherbatterien der Hartlinge stehlen oder sich mit den anderen Gefühlslingen herumtreiben und nach Möglichkeit vom Sonnenlicht essen mußte.

Aber sie wollte allen eine Lektion erteilen, und danach konnten sie tun, was ihnen beliebte. Sie war dann sogar zum Weiterziehen bereit - doch erst dann...

5 b

Odeen war zugegen, als der neue Baby-Gefühlsling geboren wurde. Obwohl das Kind völlig normal war, brachte er keine rechte Begeisterung auf. Auch Tritt, der sich aufopfernd darum kümmerte, wie es jedem Eiterung selbstverständlich war, schien irgendwie bedrückt in seiner Ekstase.

Eine lange Zeit war vergangen, und Dua war und blieb verschwunden. Weitergezogen war sie nicht. Ein Weichwesen konnte nur weiterziehen, wenn ihm die ganze Triade folgte; aber Dua war nicht bei den anderen. Es war, als wäre sie weitergezogen, ohne wirklich weiterzuziehen.

Odeen hatte sie einmal gesehen - nur ein einzigesmal. Das war kurz nach ihrer wilden Flucht gewesen, ihrer Flucht vor der Erkenntnis, daß sie das neue Baby gezeugt hatte.

Er war an einer Gruppe Gefühlslingen vorbeigekommen, die sich an der Oberfläche sonnte - getrieben von der sinnlosen Hoffnung, sie hier oben vielleicht zu finden. Die Mittlinge hatten laut getuschelt, denn es geschah nicht oft, daß sich ein Denkling in der Nähe einer Gruppe Gefühlslinge sehen ließ, und hatten sich in koketter Menge verdünnt, ohne daß der ganze dumme Haufen einen anderen Gedanken kannte, als sich zu produzieren.

Odeen empfand nur Verachtung, und seine glatten Flanken zeigten keine Reaktion. Er dachte an Dua und daran, wie sehr sie sich von den anderen unterschied. Dua verdünnte sich nur, wenn sie das innere Bedürfnis dazu verspürte. Sie versuchte niemals auf sich aufmerksam zu machen und war deshalb um so anziehender. Wenn sie sich dazu überwunden hatte, bei diesen Hohlköpfen Zuflucht zu suchen, war sie (das fühlte er) bestimmt leicht zu erkennen - denn sie würde sich als einzige nicht verdünnen, sondern eher verdicken, eben weil sich die anderen verdünnten.

Bei diesem Gedanken glitt Odeens Blick über die Gefühls-linge dahin und bemerkte, daß ein Wesen sich tatsächlich nicht verdünnt hatte.

Er blieb kurz stehen und hastete auf sie zu, ohne sich um die Gefühlslinge zu kümmern, ohne ihr wildes Kreischen wahrzunehmen, als sie ihm nebelhaft aus dem Weg huschten und wild plapperten in dem Bemühen, nicht miteinander zu verschmelzen - jedenfalls nicht hier im Freien und in Anwesenheit eines Denklings.

Es war Dua. Sie versuchte ihm nicht auszuweichen. Sie blieb einfach liegen und schwieg.

"Dua", sagte er unterwürfig, "kommst du nicht nach Hause?"

"Ich habe kein Zuhause, Odeen", erwiderte sie. Nicht ärgerlich, nicht voller Haß - was um so bedrückender war.

"Wie kannst du Tritt übelnehmen, daß er so gehandelt hat, Dua? Du weißt, der arme Bursche kann nicht logisch denken."

"Aber du, Odeen. Und du hast mich abgelenkt, während er dafür sorgte, daß sich mein Körper richtig aufladen konnte, nichtwahr? Dein Verstand sagte dir, daß du mich viel leichter in die Falle locken konntest als er."

"Dua, nein!"

"Nein, was? Hast du denn nicht ein großes Schauspiel abgezogen, das meiner Unterweisung, meiner Bildung dienen sollte?"

"Ja, aber das war kein Schauspiel, ich meinte es ehrlich. Und es hatte nichts mit Tritt zu tun. Ich wußte ja gar nicht, was er getan hatte!"

"Das kann ich nicht glauben." Ruhig schwebte sie davon. Er folgte ihr. Sie waren nun allein; die Sonne strahlte rot.

Sie wandte sich um. "Darf ich dir eine Frage steilen, Odeen? Warum hast du mich unterweisen wollen?"

"Weil ich es wollte, Dua. Weil mir das Lehren Spaß macht und weil ich nichts lieber tun möchte als lehren - außer vielleicht lernen."

"Und Verschmelzen natürlich... schon gut", fügte sie hinzu, um seinem Einwand zuvorzukommen. "Du brauchst mir nicht zu erklären, daß wir von der Vernunft und nicht von den Instinkten sprechen. Wenn du wirklich Spaß am Lehren hast, wenn ich dir wirklich glauben kann - dann verstehst du vielleicht auch etwas von dem, was ich dir jetzt sagen möchte.

Seit ich euch verließ, Odeen, habe ich eine Menge gelernt. Frag mich nicht, wie. Ich habe gelernt. Von einem Gefühlsling habe ich nicht mehr viel - außer vielleicht in physischer Hinsicht. Hier drinnen, wo es zählt, bin ich ganz Denkling, wenn ich auch etwas mehr Gefühl zu haben hoffe als die Denklinge. Und zu den Erkenntnissen, die ich gewonnen habe, gehört auch das Wissen um unsere Existenz, darum, was wir wirklich sind, Odeen; du und ich und Tritt und all die anderen Triaden auf diesem Planeten; was wir wirklich sind und immer gewesen sind."

"Und das wäre?" fragte Odeen. Er wollte ihr gern zuhören, so lange, wie es nötig war, und ganz ruhig, wenn sie nur hinterher mit ihm ging. Er wollte jede Buße auf sich nehmen, alles, was sie verlangte. Sie mußte nur mitkommen - und tief in seinem Inneren sagte eine leise Stimme, daß sie freiwillig zurückkehren mußte.

"Was wir sind? Nun, eigentlich nichts, Odeen", antwortete sie leichthin, fast lachend. "Ist das nicht seltsam? Die Hartlinge bilden die einzige lebendige Spezies auf dieser Welt. Haben sie dich das nicht gelehrt? Es gibt nur diese eine Spezies, weil du und ich, die Weichwesen, nicht wirklich leben. Wir sind Maschinen, Odeen. Das muß so sein, weil nur die Hartlinge leben. Haben sie dir das nicht beigebracht, Odeen?"

"Aber das ist doch Unsinn, Dua!" sagte Odeen verblüfft.

Duas Stimme wurde schärfer. "Maschinen, Odeen! Gemacht von den Hartlingen! Zerstört von den Hartlingen. Sie leben, die Hartlinge. Nur sie. Sie sprechen nicht oft darüber. Das brauchen sie auch nicht. Sie wissen es alle. Aber ich habe denken gelernt, Odeen, und ich habe aus den minimalen Hinweisen meine Schlüsse gezogen. Sie haben ein sehr langes Leben, doch irgendwann sterben auch sie. Sie haben keine neuen Nachkommen; dazu liefert die Sonne zu wenig Energie. Und da nur dann und wann einer stirbt und keine Nachkommen da sind, nimmt ihre Zahl sehr langsam ab. Und es gibt keine jungen Leute, die frisches Blut und neue Gedanken bringen und so beginnen sich die langlebigen alten Hartlinge schrecklich zu langweilen. Und was meinst du wohl, Odeen, tun sie dann?"