"Ich glaube, es reicht. Sie hatten also einen persönlichen Groll gegen Hallam?"
"Auf keinen Fall hegte ich damals Zuneigung für ihn. Ich habe auch heute noch nichts für ihn übrig, wenn Sie es genau wissen wollen."
"Würden Sie mir also zustimmen, daß Ihre Einwände gegen die Elektronenpumpe durch Ihren dringenden Wunsch, Hallam zu vernichten, ausgelöst wurden?"
"Ich verwahre mich gegen dieses Kreuzverhör."
"Ich bitte Sie! Was ich hier frage, wird keinesfalls gegen Sie verwandt werden. Unser Gespräch soll mir bloß Aufschluß geben weil ich mir um die Pumpe und eine Reihe anderer Dinge Sorgen mache." "Na ja, man könnte wirklich sagen, daß ich gefühlsmäßig engagiert war. Weil ich Hallam nicht mochte, war ich auch bereit zu glauben, daß seine Beliebtheit und seine Größe auf Sand gebaut waren. Ich überdachte die Elektronenpumpe und hoffte einen Fehler zu finden."
"Und Sie fanden aus diesem Grunde auch einen?"
"Nein!" erwiderte Denison heftig und schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels, was ihn einige Zentimeter in die Höhe hob. "Nicht "aus diesem Grunde". Ich fand einen Fehler, der aber echt war. So schien es mir jedenfalls. Ich habe diesen Fehler keinesfalls erfunden, um es Hallam damit heimzuzahlen."
"Von Erfinden war nicht die Rede, Doktor", beschwichtigte Gottstein. "Es würde mir nicht im Traum einfallen, Ihnen so etwas zu unterstellen. Und doch wissen wir alle, daß man - um an den Grenzen unseres Wissens den Versuch von Definitionen zu machen
auf Vermutungen angewiesen ist. So eine Vermutung mag ein großes Gebiet der Ungewißheit umfassen, das dann in der einen oder anderen Richtung in ehrlichem Bemühen abgeschirmt wird, doch jedenfalls entsprechend den ... äh... Emotionen des Augenblicks. Sie formulierten Ihre Vermutung womöglich am Anti-Hallam-Ende des Möglichen...?"
"Unsere Diskussion ist sinnlos. Damals dachte ich, ich hätte ein stichhaltiges Argument. Ich bin jedoch kein Physiker. Ich bin war - Radiochemiker."
"Hallam auch - doch jetzt ist er der berühmteste Physiker der Welt."
"Er ist noch immer Radiochemiker. Allerdings ein Vierteljahrhundert hinter der Zeit zurück."
"Im Gegensatz zu Ihnen. Sie haben sich eingehend mit der Physik auseinandergesetzt."
"Sie haben sich aber wirklich über mich erkundigt", meinte Denison düster.
"Ich sagte es Ihnen schon; Sie beeindruckten mich. Erstaunlich, was mir so alles wieder einfällt. Aber jetzt möchte ich mal das Thema wechseln. Kennen Sie einen Physiker namens Peter Lamont?"
Widerstrebend: "Ja."
"Würden Sie ihn auch als brillant bezeichnen?"
"So gut kenne ich ihn nicht - außerdem möchte ich das Wort nicht über Gebühr strapazieren."
"Meinen Sie, er weiß, wovon er redet?"
"Da mir nichts Gegenteiliges bekannt ist - ja."
Langsam lehnte sich der Hochkommissar in seinem Stuhl zurück, der sehr zierlich wirkte und auf der Erde sein Gewicht nicht getragen hätte. Er fragte: "Würden Sie mir bitte sagen, inwieweit Sie Lamont kennen? Haben Sie nur von ihm gehört oder ihn wirklich kennengelernt?"
"Wir haben uns ein paarmal getroffen", antwortete Denison. "Er wollte eine Geschichte der Elektronenpumpe schreiben, von Anfang an - einen zusammenhängenden Bericht über all den legendären Unsinn, der sich inzwischen darum rankt. Es schmeichelte mir, daß Lamont zu mir kam, daß er offenbar etwas über mich herausgefunden hatte. Verdammt, Hochkommissar, es schmeichelte mir, daß er überhaupt von meiner Existenz wußte! Aber ich konnte ihm dann nicht viel sagen. Was hätte das auch genützt? Ich hätte doch nur Spott und Hohn geerntet - und das steht mir langsam bis hier; das und das dumpfe Brüten und das Selbstmitleid."
"Wissen Sie, was Lamont in den letzten Jahren getan hat?"
"Worauf wollen Sie hinaus, Hochkommissar?" fragte Deni-son vorsichtig.
"Etwa vor einem Jahr führte Lamont ein Gespräch mit Burt. Ich gehöre nicht mehr zu den Leuten des Senators, aber wir kommen gelegentlich noch zusammen. Er erzählte mir davon. Er machte sich Sorgen. Er dachte, Lamont hätte womöglich ein wichtiges Argument gegen die Elektronenpumpe gefunden, und sah keine praktische Möglichkeit, die Sache aufzugreifen. Auch ich machte mir meine Sorgen... "
"Überall große Sorgen", warf Denison sarkastisch ein.
"Aber jetzt kommt mir der Gedanke... Wenn Lamont mit Ihnen gesprochen hat und..."
"Halt! Sprechen Sie nicht weiter, Hochkommissar! Ich glaube, ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen, und ich möchte nicht, daß Sie noch weiter darauf zusteuern. Wenn Sie von mir die Feststellung erwarten, daß Lamont mir meine Idee gestohlen hat, daß ich wieder einmal zu kurz gekommen bin, irren Sie sich. Mit aller Eindringlichkeit möchte ich Ihnen sagen, daß ich seinerzeit keinerlei stichhaltige Theorie vorzuweisen hatte. Ich hatte Vermutungen, nichts weiter. Die Sache beunruhigte mich; ich brachte sie vor; man glaubte mir nicht; ich war entmutigt. Da ich keine Möglichkeit sah, meine Vermutungen durch Beweise zu stützen, gab ich schließlich auf. Ich sprach bei meinen Zusammenkünften mit Lamont nicht davon; über die frühen Tage der Pumpe kamen wir überhaupt nicht hinaus. Was er später geäußert hat, wie sehr es meinen Vermutungen auch ähnelt, ist eine unabhängige Schlußfolgerung. Sie scheint überdies viel solider fundiert zu sein und auf konkreter mathematischer Analyse zu basieren. Ich erhebe keinerlei Anspruch darauf, der erste gewesen zu sein; nicht den geringsten."
"Sie scheinen Lamonts Theorie zu kennen."
"Sie hat in den letzten Monaten die Runde gemacht. Der Mann kann nichts veröffentlichen, und niemand nimmt ihn ernst, aber seine Theorie sickerte durch die Kanäle. Sie kam sogar bis zu mir."
"Ich verstehe, Doktor. Ich nehme die Theorie ernst. Für mich kam die Warnung nun schon zum zweitenmal, Sie verstehen. Der Bericht über die erste Warnung - Ihre Warnung - ist nie auf den Tisch des Senators gekommen. Die Sache hatte nichts mit finanziellen Unregelmäßigkeiten zu tun, die ihn damals vordringlich beschäftigten. Der eigentliche Leiter des Ermittlungskomitees hielt Ihre Vermutungen - Sie verzeihen meine Offenheit - für verrückt. Ich teilte seine Ansicht nicht. Als die Angelegenheit nun ein zweitesmal aufkam, war ich beunruhigt. Ich wollte mit Lamont sprechen, doch eine Anzahl Physiker, die ich befragte..."
"Auch Hallam?"
"Nein, Hallam nicht. Eine Reihe von anderen Physikern sagten mir, daß Lamonts Arbeit jeder Grundlage entbehrt. Trotzdem wollte ich mit ihm sprechen, aber da wurde mir dieser Posten angeboten, und hier bin ich nun - und Sie ebenfalls. Sie verstehen also, warum ich Sie zu mir bitten mußte. Was meinen Sie - spricht etwas für die von Ihnen und Dr. Lamont vorgebrachte Theorie?"
"Sie meinen, ob der weitere Einsatz der Elektronenpumpe die Sonne oder den gesamten Arm der Galaxis zur Explosion bringt?"
"Ja, das meine ich."
"Ich kann Ihnen das nicht beantworten. Ich habe da nur meine Vermutungen, die eben nur Vermutungen sind. Was La-monts Theorie angeht, so habe ich sie im einzelnen noch nicht untersucht; sie ist ja nicht öffentlich. Und wenn ich sie zu Gesicht bekäme, wäre mir die Mathematik vielleicht zu hoch... Was kommt es überhaupt darauf an? Lamont überzeugt keinen. Hallam hat ihn ruiniert, so wie er mich ruinierte, und es liefe wider das kurzsichtige Interesse der Öffentlichkeit, ihm zu glauben - auch wenn er sich gegen Hallam durchsetzte. Die Leute wollen die Pumpe nicht aufgeben, und es ist viel einfacher, Lamonts Theorie abzulehnen als zu versuchen, etwas zu unternehmen."