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"Achtundzwanzig Tage", murmelte Denison. Er hatte das Gefühl, sein Raumanzug erdrückte ihn.

"Einen Monat", beharrte Selene. "Es war fortgeschrittene Halberde, als Sie hier eintrafen, und es ist auch jetzt wieder

Halberde." Sie deutete auf die schimmernde Rundung der Erde am südlichen Himmel.

"Gut - aber warten Sie doch. Ich bin hier draußen nicht so mutig wie unten. Wenn ich nun falle?"

"Na und? Die Schwerkraft ist im Verhältnis zur irdischen Gravitation nur gering, der Abhang ist ganz flach, und Ihr Raumanzug kann einiges vertragen. Wenn Sie fallen, lassen Sie sich einfach weitergleiten und rollen. So macht es fast genausoviel Spaß."

Denison sah sich zweifelnd um. Ringsum erstreckte sich die schöne Mondlandschaft im Licht der Erde. Sie war schwarz und weiß ein mildes, zartes Weiß im Vergleich zur Grelle der Landschaft, die er vor einer Woche bei einer Inspektionsfahrt zu den endlosen Bänken von Sonnenbatterien im Mare Imbri-um erlebt hatte. Und auch das Schwarz war irgendwie weicher, es fehlte der schmerzvolle Kontrast des echten Tages. Die Sterne waren ungewöhnlich hell, und die Erde - die Erde -wirkte unendlich einladend mit ihren weißen Wirbelflecken auf blauem Grund und dem Hauch von Tönung hier und da.

"Na ja", sagte er, "haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich an Ihnen festhalte?"

"Aber nein. Und wir gehen sowieso nicht ganz hinauf. Heute ist erst einmal der Anfängerhügel dran. Versuchen Sie nur mit mir Schritt zu halten. Ich bewege mich ganz langsam."

Sie machte lange, vorsichtig ausschwingende Schritte, und er versuchte es ihr im gleichen Rhythmus nachzumachen. Der emporgeneigte Boden unter ihren Füßen war pulverig, und mit jedem Schritt wirbelte Denison feinen Staub auf, der sich in der Luftleere schnell wieder setzte. Schritt um Schritt paßte er sich an - doch es machte ihm Mühe.

"Gut", meinte Selene, die sich untergehakt hatte, um ihn zu stützen. "Sie machen sich gut für ein Erdchen - nein, ich sollte wohl sagen Immi ... "

"Vielen Dank."

"Das ist aber auch nicht viel besser. Immi für Immigrant ist fast so beleidigend wie Erdchen. Ich sollte vielleicht sagen, daß Sie sich wirklich sehr gut machen für einen Mann Ihres Alters."

"Nein! Das ist ja noch schlimmer." Denison keuchte ein wenig und spürte, wie seine Stirn feucht wurde.

"Jedesmal wenn Sie so weit sind, daß Sie Ihren Fuß aufsetzen wollen, müssen Sie sich mit dem anderen Fuß einen kleinen Stoß geben", sagte Selene. "Dadurch werden Ihre Schritte größer, und alles ist einfacher. Nein, nein - schauen Sie mal her."

Denison blieb dankbar stehen und beobachtete Selene, die trotz des grotesken Anzuges irgendwie schlank und anmutig wirkte, wenn sie nur in Bewegung war; das Mädchen eilte in flachen Hüpfschritten davon. Sie kehrte um und kniete sich neben ihn.

"Jetzt machen Sie einen langsamen Schritt, Ben, und ich stoße an Ihren Fuß, wenn ein Schub kommen muß."

Sie versuchten es mehrmals, und Denison sagte: "Das ist ja schlimmer als ein Wettlauf auf der Erde. Ich muß mich mal ausruhen." "Natürlich. Das kommt davon, daß Ihren Muskeln noch die richtige Koordination fehlt. Sie kämpfen gegen sich selbst, nicht gegen die Schwerkraft... Also, setzen Sie sich und kommen Sie erst mal wieder zu Atem. Wir gehen heute nicht viel weiter hinauf."

"Schadet es den Tanks, wenn ich mich auf den Rücken lege?" fragte Denison.

"Nein, natürlich nicht, aber ich würde es nicht tun. Nicht auf bloßem Boden. Die Temperatur beträgt 65 Grad unter Null -und je kleiner die Berührungsfläche ist, desto besser. Ich würde mich nur setzen."

"Na gut." Seufzend setzte sich Denison. Bewußt wandte er sich nach Norden, mit dem Rücken zur Erde. "Sehen Sie mal, die Sterne!"

Selene saß im rechten Winkel zu ihm und schaute ihn an. Von Zeit zu Zeit, wenn das Erdlicht im richtigen Winkel auftraf, konnte er unter der Helmscheibe undeutlich ihr Gesicht ausmachen.

"Sehen Sie denn keine Sterne auf der Erde?" fragte sie.

"So nicht. Selbst wenn es keine Wolken gibt, saugt die Luft einen Teil des Lichtes auf. Die Temperaturunterschiede in der Atmosphäre bringen sie zum Flackern, und die Lichter der Städte, auch wenn sie weit weg sind, lassen sie verschwinden."

"Klingt schrecklich."

"Gefällt es Ihnen hier, Selene? Hier draußen auf der Oberfläche?"

"Ich bin nicht gerade verrückt danach, aber ab und zu läßt es sich aushaken. Natürlich gehört es zu meiner Arbeit, die Touristen auch hier herauszuführen."

"Und jetzt müssen Sie's für mich tun."

"Wie oft muß ich Ihnen noch sagen, daß es nicht dasselbe ist, Ben? Wir haben eine vorgeschriebene Route für die Touristen, die sehr ungefährlich und auch sehr uninteressant ist. Glauben Sie etwa, wir würden die Leute hier auf den Gleithang führen? Der ist für die Lunarier - und die Immis. Hauptsächlich aber Immis."

"Er kann nicht sehr beliebt sein. Es ist niemand sonst hier."

"Na ja, es gibt bestimmte Tage dafür. Sie sollten den Hang mal an einem Wettlauftag sehen. Da würde es Ihnen hier sicher nicht gefallen."

"Ich weiß, daß es mir jetzt schon nicht gefällt. Ist das Gleiten ein Sport speziell für Immis?"

"Vorwiegend. Die Lunarier mögen die Oberfläche im allgemeinen nicht."

"Wie steht es mit Dr. Neville?"

"Sie meinen - wie steht er zur Oberfläche?"

"Ja!"

"Offen gesagt, glaube ich nicht, daß er überhaupt schon einmal hier oben war. Er ist eine echte Stadtpflanze. Warum fragen Sie?"

"Nun, als ich ihn um Erlaubnis bat, an der Routineinspektion der Sonnenbatterien teilzunehmen, ließ er mich ohne weiteres fahren - aber zum Mitkommen war er nicht zu bewegen. Ich bat ihn darum, damit ich jemanden hatte, der meine Fragen beantwortete, falls mir welche einfielen, und seine Weigerung fiel ziemlich heftig aus."

"Ich hoffe, Sie haben jemand anders für Ihre Fragen gefunden."

"O ja. Übrigens, auch ein Immi. Vielleicht erklärt das Dr. Nevilles Einstellung gegenüber der Elektronenpumpe."

"Was meinen Sie?"

"Nun ..." Denison lehnte sich zurück, hob abwechselnd die Beine und beobachtete träge ihren langsamen Aufstieg und Fall. "He, das ist gut. Schauen Sie, Selene... Ich meine, Dr. Neville hat sich sehr darauf versteift, eine Pumpstation auf den Mond zu holen obwohl die Sonnenbatterien völlig ausreichen. Auf der Erde - wo die Sonne oft nicht so zuverlässig scheint wie hier - könnten wir keine Solarbatterien einsetzen. Im ganzen Sonnensystem gibt es keinen Himmelskörper, der für die Verwendung solcher Batterien besser geeignet ist als der Mond. Sogar der Merkur ist zu heiß... Aber die Batterien binden einen natürlich an die Oberfläche, und wenn man die Oberfläche nicht mag ..."

Selene stand auf. "Los, Ben. Sie haben sich genug ausgeruht", sagte sie. "Auf! Auf!"

Er richtete sich mühsam auf. "Eine Pumpstation würde jedoch bedeuten, daß kein Lunarier mehr an die Oberfläche zu kommen brauchte, wenn er es nicht wollte."

"Weiter hinauf geht's, Ben. Bis zum Kamm da oben. Sehen Sie

dort, wo das Erdlicht horizontal abgeschnitten wird?"

Sie legten das letzte Stück Weg schweigend zurück. Denison bemerkte eine glatte Fläche zur Linken - einen breiten Streifen Abhang, der von Staub völlig frei zu sein schien.

"Da kommt kein Anfänger hinauf - zu glatt", beantwortete Selene seine unausgesprochene Frage. "Nun werden Sie nicht übermütig und verlangen von mir, daß ich Ihnen auch noch den Känguruh-Sprung beibringe."

Gleichzeitig vollführte sie einen Känguruh-Sprung, schwang sich dabei vor dem Aufsetzen herum und sagte: "Hier sind wir richtig. Setzen Sie sich, und ich bringe..."

Denison gehorchte und drehte sich zum Hang. Unsicher schaute er die Schräge hinab. "Kann man wirklich darauf gleiten?"

"Natürlich. Die Schwerkraft ist hier schwächer als auf der Erde

also wird man auch viel weniger gegen den Boden gedrückt, und das bedeutet, daß es weniger Reibung gibt. Auf dem Mond ist alles glatter als auf der Erde. Deshalb sehen die Fußböden in unseren Korridoren und Wohnungen auch so unvollendet aus. Möchten Sie meinen kleinen Vortrag über dieses Thema hören - den, den ich den Touristen immer halte?"