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»Also — ich bin wirklich hungrig«, sagte Dua.

Odeen glaubte ein Schuldgefühl aufzufangen. Ein Schuldgefühl wegen Tritt? Wegen ihres Hungers? Warum sollte sich Dua schuldig fühlen, weil sie hungrig war? Oder hatte sie etwas getan, das Energie erforderte, und war nun deshalb…

Ungeduldig schob er den Gedanken beiseite. Es gab Momente, da ein Denkling zu sehr grübelte und sich in seine Überlegungen verrannte, ohne sich noch darum zu kümmern, was wichtig war und was nicht. Im Augenblick kam es nur auf sein Gespräch mit Dua an.

Sie setzte sich zwischen die Elektroden, und als sie sich dazu zusammenfaltete, wurde ihre Winzigkeit ganz offensichtlich. Auch Odeen war hungrig; er sah das an den Enden der Elektroden, die ihm heller vorkamen als gewöhnlich, und noch auf diese Entfernung nahm er den köstlichen Geschmack der Nahrung wahr. Wenn man hungrig war, schmeckte man die Nahrung auf größere Distanz als gewöhnlich… Aber er wollte später essen.

»Sitz da nicht so stumm herum, mein lieber Linksling. Erzähl’s mir. Ich will alles wissen.« Dua hatte (unbewußt?) die ovale Form eines Denklings angenommen, wie um damit zu dokumentieren, daß sie als Denkling angesehen werden wollte.

»Alles kann ich dir unmöglich erklären, Dua. Die Wissenschaft, meine ich, denn dir fehlt doch das Grundwissen. Ich will mich möglichst einfach ausdrücken, und du hörst erst einmal zu. Hinterher sagst du mir dann, was du nicht verstanden hast, und ich versuche das dann zu erklären. Zunächst weißt du sicherlich, daß alle Materie aus winzigen Partikeln besteht, die Atome genannt werden, und daß diese aus noch kleineren Bausteinen bestehen.«

»Ja, ja«, antwortete Dua. »Deshalb können wir ja verschmelzen.«

»Genau. Denn wir bestehen in Wirklichkeit hauptsächlich aus leerem Raum. Alle Partikel sind weit voneinander entfernt, und deine und meine und Tritts Partikel können zusammenkommen, weil jeder Satz in die Leere rings um die Atome der anderen paßt. Daß die Materie nicht restlos auseinanderstrebt, liegt daran, daß die Partikel über die trennenden Entfernungen doch zusammenhalten. Es gibt Anziehungskräfte, die sie halten, von denen die stärkste die sogenannte Atomkraft ist. Sie hält die wesentlichen Elementarteile in sehr festen Gruppen zusammen, die weit verstreut sind und ihrerseits durch schwächere Kräfte verbunden bleiben. Verstehst du das?«

»Nur ein bißchen«, sagte Dua.

»Na ja, macht nichts. Wir können das später noch einmal durchgehen… Die Materie kann in verschiedenen Zustandsformen existieren. Sie kann besonders breit verteilt sein wie in den Gefühlslingen — wie in dir, Dua. In den Denklingen und Elterlingen ist sie nicht ganz so verbreitet. Und noch weniger im Felsgestein. Sie kann aber auch sehr zusammengedrängt oder dicht sein, wie in den Hartlingen. Deshalb sind sie auch hart. Sie sind mit Partikeln angefüllt.«

»Du meinst, es ist überhaupt kein leerer Raum in ihnen?«

»Nein, das meine ich nicht«, erwiderte Odeen, der nicht recht wußte, wie er das Problem noch verdeutlichen sollte. »Sie haben auch noch viel freien Raum in sich, aber nicht soviel wie wir. Partikel brauchen einen bestimmten freien Raum, und wenn sie nur wenig davon haben, können sich andere Partikel nicht dazwischendrängen. Wenn trotzdem andere Teilchen hineingezwängt werden, tut es weh. Deshalb lassen sich die Hartlinge auch nicht gern von uns berühren. Wir Weichwesen haben mehr Platz zwischen unseren Partikeln, als wir eigentlich brauchen — also passen noch andere Partikel hinein.«

Dua machte nicht gerade den Eindruck, als hätte sie alles verstanden.

Odeen sprach hastig weiter. »Im anderen Universum sind die Regeln anders. Die Atomkraft ist dort nicht so groß wie bei uns. Das bedeutet, daß die Partikel mehr Platz brauchen.«

»Wieso?«

Odeen schüttelte den Kopf. »Weil… weil… die Wellensysteme der Partikel weiter ausgebreitet sind. Ich kann es nicht anders erklären. Bei einer schwächeren Atomkraft brauchen die Partikel Platz, und zwei Materiestückchen können nicht so leicht miteinander verschmelzen wie in unserem Universum.«

»Können wir denn das andere Universum sehen?«

»O nein. Das ist unmöglich. Wir können es allenfalls aus seinen grundlegenden Gesetzen ableiten. Unternehmen können die Hartlinge allerdings eine Menge. Wir können Materie hinüberschicken und erhalten andere Materie im Austausch. Wir können ihre Materie untersuchen, weißt du. Und wir können die Positronenpumpe errichten. Darüber weißt du doch Bescheid, oder?«

»Nun, du hast mir erzählt, daß sie uns mit Energie versorgt. Aber ich wußte nicht, daß sie mit einem anderen Universum zu tun hat…Wie ist denn das andere Universum? Hat es auch Sterne und Welten wie wir?«

»Das ist eine ausgezeichnete Frage, Dua.« Nachdem er nun die offizielle Sprecherlaubnis hatte, machte Odeen das Lehren viel mehr Spaß. (Vorher hatte er immer das Gefühl gehabt, einer heimlichen Perversion Vorschub zu leisten, indem er einem Gefühlsling solche Dinge zu erklären versuchte.)

Er fuhr fort: »Wir können das andere Universum nicht sehen, aber wir können aus seinen Gesetzen schließen, wie es aussieht. Siehst du, was die Sterne zum Leuchten bringt, ist der allmähliche Übergang von einfachen Partikelkombinationen zu komplizierteren Formationen. Wir nennen das Atomverschmelzung.«

»Gibt es das im anderen Universum auch?«

»Ja, aber weil die Atomkraft dort geringer ist, erfolgt die Verschmelzung auch viel langsamer. Das bedeutet, daß die Sterne im anderen Universum viel, viel größer sein müssen, weil es sonst nicht genügend Verschmelzung geben würde, um sie zum Leuchten zu bringen. Ein Stern, der im anderen Universum so groß wie unsere Sonne wäre, müßte dort kalt und tot sein. Wenn andererseits die Sterne bei uns größer wären, als sie es sind, würde die Verschmelzung sofort zur Explosion führen. Daraus folgert, daß es in unserem Universum tausendmal mehr kleine Sterne geben muß, als es größere Sterne im anderen Universum gibt…«

»Wir haben doch nur sieben…« begann Dua und fügte dann hinzu: »Oh, ich hatte vergessen…«

Odeen lächelte nachsichtig. Man vergaß leicht die unzähligen Sterne, die nur durch Spezialinstrumente zu sehen waren. »Schon gut. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, daß ich dich mit all dem Zeug langweile.«

»Du langweilst mich nicht«, sagte Dua. »Ich finde das alles großartig. Dabei schmeckt es mir sogar.« Und sie erschauderte wohlig zwischen den Elektroden.

Odeen, der Dua noch niemals hatte positiv über das Essen sprechen hören, war von ihren Worten sehr angetan. Er sagte: »Natürlich lebt unser Universum nicht so lange wie das andere. Die Verschmelzung läuft so schnell ab, daß nach einer Million Lebensspannen alle Partikel miteinander verbunden sind.«

»Aber da gibt es doch noch so viele andere Sterne.«

»Ah, die entwickeln sich doch alle gleichzeitig fort! Das ganze Universum stirbt. Im anderen Universum, das viel weniger Sterne hat und größere dazu, geht die Verschmelzung so langsam vor sich, daß die Sterne tausendmal, millionenmal länger leben als die unseren. Es läßt sich kaum vergleichen, weil vielleicht auch die Zeit in den beiden Universen unterschiedlich abläuft.« Er fügte widerstrebend hinzu: »Das verstehe ich übrigens auch nicht ganz. Es gehört mit zur Estwaldschen Theorie, doch ich habe mich damit noch nicht weiter befaßt.«

»Hat Estwald das alles herausgefunden?«

»Jedenfalls einen großen Teil.«

»Es ist wunderbar«, sagte Dua, »daß wir Nahrung aus dem anderen Universum bekommen. Ich meine, dann ist es ja egal, ob unsere Sonne verlöscht. Wir könnten uns dann aus dem anderen Universum ernähren.«

»Richtig.«

»Aber ergibt sich dabei denn gar nichts Schlimmes? Ich habe das das Gefühl, daß etwas Schlimmes passieren könnte.«

»Nun«, antwortete Odeen, »mit der Positronenpumpe transportieren wir Materie hin und her, und das heißt, daß sich die Universen ein wenig vermischen. Unsere Atomkraft wird etwas abgeschwächt, so daß sich die Verschmelzung in unserer Sonne verlangsamt und die Sonne ein wenig schneller abkühlt…Aber nur ein wenig, und wir brauchen sie ja sowieso nicht mehr.«