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»Und?«

»Auf der Erde lahmt uns unsere Sehnsucht nach einer pastoralen Vergangenheit, die niemals wirklich existiert hat und die, hätte es sie gegeben, niemals wiedererstehen könnte. In vieler Hinsicht war die Ökologie durch die Krise gestört worden, und wir versuchen nun die Überreste nutzbar zu machen, so daß wir Angst haben, immer nur Angst.… Auf dem Mond gibt es keine Vergangenheit, nach der man sich sehnen kann oder von der man träumt. Es gibt nur eine Richtung — nach vorn.«

Montez schien von seinen Worten ganz angetan. Er fuhr fort: »Gottstein, ich habe das alles zwei Jahre lang beobachtet; Sie werden es nun mindestens noch einmal die gleiche Zeit mitansehen. Es gibt ein Feuer hier auf dem Mond; einen unruhigen Brand. Diese Menschen hier breiten sich in jeder Richtung aus. Sie expandieren physisch. Jeden Monat werden neue Korridore gegraben, neue Unterkünfte eingerichtet — Vorbereitungen für neues Bevölkerungspotential. Sie erweitern auch ihre Möglichkeiten. Sie finden neue Baumaterialien, neue Wasserquellen, neue besondere Mineralien. Sie erweitern ihre sonnengetriebenen Batterienbänke, vergrößern ihre elektronischen Fabriken… Ich nehme an, Sie wissen, daß die zehntausend Leute hier auf dem Mond der irdische Hauptlieferant für mikroelektronische Geräte und feine Biochemikalien sind?«

»Ich weiß, daß sie ein wichtiger Lieferant sind.«

»Die Erde macht sich da etwas vor. Der Mond ist der Hauptlieferant. Wenn es so weitergeht, wird er in naher Zukunft auch der einzige Lieferant sein… Nicht zuletzt wächst er auch intellektuell. Gottstein, ich kann mir vorstellen, daß es keinen klugen, an der Wissenschaft interessierten jungen Mann gibt, der nicht unbestimmt — oder vielleicht gar nicht so unbestimmt — davon träumt, eines Tages auf den Mond zu gehen. Da die Erde sich von der Technologie zurückzieht, ist der Mond in diesem Punkte plötzlich zum Zentrum aller Aktivität geworden.«

»Sie meinen das Protonensynchrotron, nicht wahr?«

»Das ist nur ein Beispiel. Wann ist auf der Erde zum letztenmal ein Synchrotron gebaut worden? Allerdings ist es auch das größte und dramatischste Beispiel; nicht das einzige und nicht einmal das wichtigste. Wenn Sie den wichtigsten wissenschaftlichen Apparat hier auf dem Mond kennenlernen wollen…«

»Etwas so Geheimes, daß ich es noch nicht weiß?«

»Nein, etwas so Offensichtliches, daß es niemand zu merken scheint. Ich meine die zehntausend Gehirne hier. Die zehntausend besten Menschengehirne, die es überhaupt gibt. Die einzige lose verknüpfte Gruppe von zehntausend menschlichen Gehirnen, die dem Prinzip und ihrer Einstellung nach der Wissenschaft zugewandt sind.«

Gottstein bewegte sich unruhig und versuchte seinen Stuhl herumzurücken. Der war jedoch am Boden festgeschraubt und rührte sich nicht von der Stelle; allerdings wurde Gottstein durch die Bewegung in die Höhe gewirbelt. Gottstein errötete. »Es tut mir leid.«

»Sie werden sich an die Schwerkraft schon gewöhnen.«

»Stellen Sie die Lage nicht viel schlimmer dar, als sie wirklich ist?« fragte Gottstein. »Die Erde ist auch kein ganz unwissender Planet. Wir haben die Elektronenpumpe entwickelt. Sie ist eine rein terrestrische Errungenschaft. Ein Lunarier hatte damit nichts zu tun.«

Montez schüttelte den Kopf und murmelte einige Worte in seiner spanischen Muttersprache, Worte, die nicht gerade freundlich klangen. Dann fragte er: »Sind Sie jemals Frederick Hallam begegnet?«

Gottstein lächelte: »Ja, das bin ich allerdings. Der Vater der Elektronenpumpe. Ich glaube, er hat sich diesen Titel auf die Brust tätowieren lassen.«

»Die Tatsache, daß Sie lächeln und diese Bemerkung machen, beweist doch, daß ich recht habe. Mal ganz ehrlich: Hätte ein Mann wie Hallam die Elektronenpumpe tatsächlich zeugen können? Der gedankenlosen Masse genügt die Geschichte, aber es ist und bleibt doch eine Tatsache — und Sie wissen das sicher auch, wenn Sie schon darüber nachgedacht haben, daß es für die Elektronenpumpe überhaupt keinen Vater gibt. Die Paramenschen, die Wesen im Parauniversum, wer immer sie sind und wie immer sich ihr Universum äußert, haben sie erfunden. Hallam wurde nur zufällig zu ihrem Instrument. Die ganze Erde ist ihr Werkzeug.«

»Wir waren aber klug genug, aus ihrer Initiative Kapital zu schlagen.«

»Ja, so wie die Kühe klug genug sind, das Heu zu fressen, das wir ihnen vorlegen. Die Pumpe ist kein Zeichen dafür, daß der Mensch vorwärtsstrebt. Ganz im Gegenteil.«

»Wenn die Pumpe ein Rückschritt ist, dann ein Hoch auf den Rückschritt. Ich persönlich würde ungern darauf verzichten.«

»Wer würde das schon? Es geht aber darum, daß sie im Augenblick genau in die Stimmung da unten paßt. Unendliche Energie bei minimalstem Kostenaufwand für die Wartung der Anlagen und bei absoluter Umweltsauberkeit. Aber es gibt keine Elektronenpumpen auf dem Mond.«

»Ich würde meinen, daß hier auch kein Bedürfnis besteht«, entgegnete Gottstein. »Die Sonnenbatterien reichen vollauf. Auch hier unendliche, kostenlose, saubere Energie… das sind doch die Schlagworte?«

»Ja, allerdings, doch die Sonnenbatterien sind gänzlich vom Menschen hergestellt. Darauf will ich ja hinaus. Auch für den Mond war eine Elektronenpumpe vorgesehen; man versuchte sie zu installieren.«

»Und?«

»Es klappte nicht. Die Paramenschen nahmen das Wolfram nicht an. Nichts geschah.«

»Das wußte ich nicht. Warum nahmen sie es nicht?«

Montez hob Schultern und Augenbrauen. »Wie kann man das wissen? Man könnte etwa vermuten, daß die Paramenschen auf einer Welt ohne Satelliten leben, daß sie sich daher verschiedene Welten, von denen jede auch bevölkert ist, auf so kurze Entfernung gar nicht vorstellen können, so daß sie, nachdem sie auf die eine gestoßen waren, nach der zweiten gar nicht erst Ausschau hielten. Wer will das wissen? Tatsache ist jedenfalls, daß die Paramenschen nicht angebissen haben und wir allein absolut nichts unternehmen konnten.«

»Wir allein«, wiederholte Gottstein nachdenklich. »Damit meinen Sie die Erdmenschen?«

»Ja.«

»Und die Lunarier?«

»Die hatten nichts damit zu tun.«

»Waren sie daran interessiert?«

»Ich weiß es nicht. Hierauf gründet sich ja auch in der Hauptsache meine Unsicherheit — und meine Angst. Die Lunarier — besonders die eingeborenen Lunarier — fühlen sich nicht als Erdmenschen. Ich weiß nicht, wie ihre Pläne aussehen, was sie vorhaben. Ich bekomme es einfach nicht heraus.«

Gottstein blickte ihn nachdenklich an. »Aber was könnten sie denn tun? Haben Sie Grund zu der Annahme, daß sie uns schaden wollen oder daß sie der Erde schaden könnten, wenn sie wollten?«

»Auf diese Frage weiß ich keine Antwort. Die Lunarier sind ein attraktives und intelligentes Volk. Es will mir scheinen, als gingen ihnen die Extreme des Hasses, der Erregung, der Furcht irgendwie ab. Aber vielleicht ist das auch nur mein Eindruck. Zu schaffen macht mir, daß ich es nicht weiß.«

»Die wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen auf dem Mond sind doch in terrestrischer Hand, nicht wahr?«

»Das stimmt. Zunächst das Protonensynchrotron. Dann das Radioteleskop auf der transterrestrischen Seite. Das Dreihundert-Inch-Optische-Teleskop ebenfalls… Ja, die großen Installationen, die ausnahmslos seit über fünfzig Jahren in Betrieb sind, stehen unter Aufsicht der Erde.«

»Und was ist seither getan worden?«

»Von den Erdmenschen sehr wenig.«

»Und von den Lunariern?«

»Ich bin mir nicht sicher. Die Wissenschaftler hier arbeiten in den großen Anlagen, aber ich habe einmal die Anwesenheitskarten geprüft. Da gibt es gewisse Lücken.«

»Lücken?«

»Zeiten, in denen sie nicht an Ort und Stelle sind. Es ist, als hätten sie eigene Laboratorien.«