Gottstein schwieg eine Zeitlang. Sein plumpes Gesicht war ohne jeden Ausdruck. Er nickte langsam vor sich hin, als folge er einem eigenen Gedankengang.
Schließlich sagte er: »Wissen Sie, Denison, ich habe das Gefühl, diese Sache krempelt die Welt um. Wir dürften nun keine Schwierigkeiten mehr haben, die wissenschaftlichen Spitzen zu überzeugen, daß die Elektronenpumpe unsere Welt vernichtet.«
»Der gefühlsmäßigen Abneigung vor dieser Möglichkeit ist der Boden entzogen. Wir sind nun in der Lage, das Problem darzulegen und zugleich eine Lösung zu bieten.«
»Wann würden Sie darüber eine Abhandlung schreiben, wenn ich Ihnen eine schnelle Veröffentlichung garantiere?«
»Können Sie das tatsächlich garantieren?«
»Notfalls in einem Journal der Regierung.«
»Ich würde gern die Durchfluß-Instabilität neutralisieren, ehe ich darüber schreibe.«
»Natürlich.«
»Und ich hielte es für angemessen«, fuhr Denison fort, »Dr. Peter Lamont als Mitautor vorzusehen. Er kann die mathematische Seite fundieren — etwas, das außerhalb meines Bereiches liegt. Außerdem hat seine Arbeit erst den Anstoß zu meinen Forschungen gegeben. Noch etwas, Hochkommissar…«
»Ja?«
»Ich möchte auch vorschlagen, die Lunarphysiker mit heranzuziehen. Aus ihrer Gruppe käme zum Beispiel Dr. Barron Neville als dritter Autor in Frage.«
»Aber warum denn? Gibt das jetzt nicht noch unnötige Komplikationen?«
»Es war ihr Pionisator, der das alles möglich machte.«
»Das können wir angemessen erwähnen… Aber hat Dr. Barron tatsächlich mit Ihnen an dem Projekt gearbeitet?«
»Nicht direkt.«
»Warum wollen Sie ihn dann mit hereinziehen?« Denison senkte den Blick und fuhr mit der Hand vorsichtig über seine Bügelfalte. »Es wäre auf jeden Fall diplomatisch. Wir müssen nämlich die Kosmei-Pumpe auf dem Mond installieren.«
»Warum nicht auf der Erde?«
»Erstens brauchen wir ein Vakuum. Der ganze Vorgang ist im Gegensatz zur Elektronenpumpe nur einseitig, und wenn wir ihn nutzbar machen wollen, sind die Vorbedingungen auch anders. Mit der Mondoberfläche steht uns ein gewaltiges Vakuum zur Verfügung — das wir auf der Erde nur mit erheblichem Aufwand erzeugen könnten.«
»Und doch wäre es denkbar, oder nicht?«
»Zweitens«, fuhr Denison fort, »ist es zu gefährlich, wenn zwei gewaltige Energiequellen aus gegensätzlichen Richtungen in unserem Universum zusammentreffen. Es gäbe so etwas wie einen Kurzschluß, wenn die beiden Austrittspunkte zu dicht zusammenlägen. Eine Trennung durch vierhunderttausend Kilometer Vakuum, wobei die Elektronenpumpe nur auf der Erde arbeitet und die Kosmei-Pumpe nur auf dem Mond, wäre ideal und sogar unumgänglich. Und wenn wir auf dem Mond arbeiten müssen, wäre es nur klug und auch anständig, die Gefühle der Lunarphysiker zu achten. Wir sollten sie teilhaben lassen.«
Gottstein lächelte: »Ist das Miß Lindstroms Rat?«
»Ich bin sicher, daß Miß Lindstrom sich so äußern würde, aber der Vorschlag ist so vernünftig, daß ich auch selber darauf kommen konnte.«
Gottstein stand auf, reckte sich und sprang einige Male auf der Stelle auf und ab — gespenstisch langsam, wie es bei der Mondschwerkraft nicht anders möglich war. Bei jedem Sprung winkelte er die Knie an. Schließlich setzte er sich wieder und fragte: »Haben Sie das schon mal versucht, Dr. Denison?«
Denison schüttelte den Kopf.
»Das soll angeblich den Kreislauf in den Beinen fördern. Ich mache es jedesmal, wenn ich das Gefühl habe, daß mir die Füße absterben. Ich werde in Kürze einen Kurzbesuch auf der Erde machen und möchte mich vorher nicht zu sehr an die Lunarschwerkraft gewöhnen. — Wollen wir jetzt mal von Miß Lindstrom sprechen, Dr. Denison?«
Denison fragte in verändertem Tonfalclass="underline" »Was ist mit ihr?«
»Sie ist Touristenführerin.«
»Ja. Das sagten Sie schon.«
»Und ich sagte auch, daß sie eine etwas seltsame Assistentin für einen Physiker abgibt.«
»Im Grunde bin ich nur Amateurphysiker, und da ist sie wohl auch Amateurassistentin.«
Gottstein war ernst geworden. »Witzeln Sie nicht herum, Doktor. Ich habe mir die Mühe gemacht, Nachforschungen über sie anzustellen. Und die Fakten sind ganz aufschlußreich — sie wären es jedenfalls gewesen, wenn sich schon früher jemand darum gekümmert hätte. Ich glaube, sie ist Intuitionist.«
»Das sind viele, Hochkommissar. Ich bezweifle nicht, daß auch Sie ein leidlicher Intuitionist sind. Daß ich es bin — leidlich jedenfalls, weiß ich ganz sicher.«
»Aber es gibt einen Unterschied, Doktor. Sie sind ein vorzüglicher Wissenschaftler, und ich, wie ich hoffe, bin ein vorzüglicher Gesandter… Und während Miß Lindstrom so weit intuitiv denken kann, um Ihnen in fortgeschrittener theoretischer Physik von Nutzen zu sein, ist sie letztlich doch nur ein Touristenmädchen.«
Denison zögerte. »Sie hat wenig formelle Ausbildung, Hochkommissar. Ihr Intuitionismus ist von ungewöhnlich hohen Graden, steht aber kaum unter bewußter Kontrolle.«
»Ist sie ein Ergebnis des alten genetischen Formungsprogramms?«
»Ich weiß es nicht. Überraschen würde es mich nicht.«
»Trauen Sie ihr?«
»Inwiefern? Sie hat mir geholfen.«
»Wissen Sie, daß sie die Frau Dr. Barron Nevilles ist?«
»Es besteht eine gefühlsmäßige Bindung, nicht aber eine gesetzliche, wie ich annehme.«
»So gesehen, gibt es überhaupt keine gesetzlichen Bindungen auf dem Mond. Der gleiche Neville, den Sie als dritten Autor für Ihre Abhandlung einladen wollen?«
»Ja.«
»Ist das nur ein Zufall?«
»Nein. Neville interessierte sich gleich nach meiner Ankunft für mich, und ich meine, er hat Selene gebeten, mir bei der Arbeit zu helfen.«
»Hat sie Ihnen das gesagt?«
»Sie sagte, sie interessiere sich für mich. Das war doch ganz natürlich.«
»Machen Sie sich eigentlich klar, Dr. Denison, daß sie bei der Zusammenarbeit vielleicht nur ihre eigenen und die Interessen Dr. Nevilles im Auge hat?«
»In welcher Beziehung könnten sich ihre Interessen von den unseren unterscheiden? Sie hat mir rückhaltlos geholfen.«
Gottstein verlagerte sein Gewicht im Stuhl und bewegte seine Schultern wie beim Muskeltraining. Er sagte: »Da ihm die Frau so nahe steht, weiß Dr. Neville natürlich, daß sie Intuitionist ist. Wäre es da nicht natürlich, sie zu gebrauchen? Warum sollte sie sonst Touristenführerin bleiben, wenn damit nicht ihre Fähigkeiten vertuscht werden sollen — aus ganz bestimmten Gründen?«
»Wie ich höre, führt Dr. Neville sehr oft ähnliche Argumente an. Mir fällt es schwer, an solche überflüssigen Komplotte zu glauben.«
»Woher wollen Sie wissen, daß sie überflüssig sind? Als mein kleiner Raumgleiter über der Mondoberfläche schwebte — kurz bevor sich der Strahlungsball auf Ihrem Gerät bildete, schaute ich auf Sie hinab. Sie standen nicht am Pionisator.«
Denison überlegte. »Nein, das stimmt. Ich schaute mir die Sterne an. Das tue ich zu gern da oben an der Oberfläche.«
»Und was machte Miß Lindstrom?«
»Das habe ich nicht gesehen. Sie sagte, sie hätte das magnetische Feld verstärkt und schließlich den Durchfluß bewirkt.«
»Ist es üblich, daß sie die Geräte allein bedient?«
»Nein. Aber ich kann ihren Drang verstehen.«
»Und hätte es bei dem Vorgang eine Art Ausstoß geben können?«