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Er ging ein paar Schritte, bis er durch eine Lücke zwischen den Zelten die Schlucht im Westen erkennen konnte. Auch jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, zogen die schwarzen Reiter in einer nie abreißenden Kette weiter durch die Bresche. Fackeln und große flackernde Scheiterhaufen, die rechts und links des Weges errichtet worden waren, tauchten die Felswände in tanzendes rotes Licht. Tief aus dem Innern der Schlucht drang ein geheimnisvolles grünes Leuchten, in dem die Gestalten der Reiter seltsam flach und körperlos wirkten, so daß es beinah so aussah, als bewegte sich dort keine Armee, sondern ein endloser Zug von Schatten. Kim wandte sich ab. Er sah sich unschlüssig um und kehrte schließlich zu seinem Lagerplatz zurück. Er war noch müder als am Abend zuvor, und er hatte jetzt seit zwei Tagen nichts gegessen, so daß ihm vor Hunger und Schwäche schon übel wurde. Aber er wagte es nicht, das schwarze Visier auch nur für einen Augenblick zu lüften.

Schließlich legte er sich nieder, griff sich eine Decke und schlief fast augenblicklich ein.

Sie blieben zwei Tage und drei Nächte in diesem Tal. Ein paarmal mußten sie ihre Plätze räumen, um einer nachrückenden Gruppe Platz zu machen, und jeder Wechsel brachte sie näher an die Schlucht am Talausgang heran. Die Zahl der nachdrängenden Reiter war so gewaltig, daß das Tal schließlich kaum noch in der Lage schien, die gigantische Armee aufzunehmen. Kim sah Boraas noch einmal wieder, am zweiten Tag, als der Magier auf einem riesigen schwarzen Pferd das Tal inspizierte, Baron Kart an der einen und jenen seltsamen, finsteren Begleiter an der anderen Seite.

Die Tage im Lager verliefen gleichförmig. Es gab nichts zu tun, und Kim brachte fast seine ganze Zeit damit zu, ruhelos umherzuwandern. Er wußte, daß sein Verhalten früher oder später Aufsehen erregen mußte, und eigentlich grenzte es bereits an ein Wunder, daß er bis jetzt unentdeckt geblieben war.

Dann, am Morgen des dritten Tages, wurden sie durch einen rüden Befehl geweckt. Sie formierten sich zu einer langen, wie mit dem Lineal gezogenen Doppelreihe und standen fast eine Stunde lang reglos in der glühenden Sonne. Dann wurden die Pferde gebracht.

Kim freute sich, als das schwarze Pferd, das er erbeutet hatte, zielstrebig aus der Herde ausscherte, auf ihn zutrabte und den Kopf an seiner Schulter rieb. Obwohl Kim sich darüber im klaren war, daß sein Benehmen ungewöhnlich erscheinen mußte, hob er die Hand und streichelte dem Tier zärtlich die Nüstern. Das Tier wieherte, scharrte mit den Vorderhufen und bewegte ein paarmal ungeduldig den Kopf, als wollte es ihn auffordern, in den Sattel zu steigen. Und Kim folgte der Aufforderung.

Nach und nach fanden alle Tiere zu ihren Herren zurück, und der versprengte Haufen schmutziger Gestalten verwandelte sich wieder in eine stolze Schar schwarzer Reiter.

Kim verspürte ein seltsames, warmes Glücksgefühl, als er im Sattel seines Pferdes saß. Umgeben von einem finsteren Haufen von Feinden und dem Tod näher als dem Leben, war dieses Tier sein einziger Freund und Vertrauter, das einzige Lebewesen, das sein Geheimnis kannte und mit ihm teilte. Und irgendwie glaubte Kim zu wissen, daß dieses Gefühl nicht nur einseitig war.

Auf einen Befehl ihres Anführers hin setzten sie sich in Bewegung. Kim fand sich inmitten einer unübersehbaren Kolonne ruhig und diszipliniert dahintrabender Reiter, ein Glied in der nicht abreißenden Kette, die sich westwärts durch die Schlucht zog.

Die Feuer zu beiden Seiten des Weges verblaßten unter dem intensiven grünen Glühen, das vom Ende der Schlucht hereindrang. Zuerst schien es Kim, als brenne dort ein grünes, rauchloses Feuer, aber je näher sie kamen, desto deutlicher konnte er erkennen, daß es sich um etwas völlig anderes handelte. Es gab keine Flammen und keine Hitze, nur diese grüne, alles durchdringende Helligkeit, die aus den Felswänden, aus dem Boden, ja sogar aus der Luft zu kommen schien. Ein hoher, sirrender Ton ließ Kims Nerven vibrieren. Und plötzlich bekam er Angst, fürchterliche Angst. Er ahnte, daß etwas Schreckliches mit ihm geschehen würde, wenn er in den Bereich des grünen Leuchtern vordrang. Aber es gab keinen Fluchtweg. Sie ritten jetzt so dicht nebeneinander, daß zwischen den einzelnen Tieren kaum noch eine Handbreit Platz blieb, und die Reiter in den äußersten Kolonnen streiften mit ihren Rüstungen bereits am Felsen entlang. Selbst wenn Kim so verwegen gewesen wäre, die Flucht zu wagen, hätte er sein Pferd gar nicht wenden können.

Er versuchte, die Angst zurückzudrängen und sich auf den Anblick vor sich zu konzentrieren. Die Reiter strebten ohne zu zögern dem grünen Licht zu. Ihre Körper schienen zu verschwimmen, und Kim glaubte fast, durch sie hindurch die Umrisse der vor ihnen Reitenden zu erkennen.

Das Licht kam näher und näher. Kims Pferd scheute ein wenig, aber Kim brachte es mit einigen besänftigenden Worten zur Ruhe. Ein seltsames Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus, als das Licht ihn erfaßte. Kim schloß geblendet die Augen, senkte den Kopf und beschattete das Gesicht mit der Hand. Aber es nutzte nichts. Das grelle grüne Licht drang durch seine Hand und durch das Metall der Rüstung und ließ ihn aufstöhnen.

Dann, so abrupt, als hätte jemand einen gigantischen Schalter umgelegt, verschwand das Licht, und Kim fand sich in einer gewaltigen, von grauen Schatten erfüllten Höhle wieder. Die Decke war so hoch, daß er sie nicht mehr erkennen konnte, und vor ihm gähnte ein bodenloser Abgrund. Die Reiter versammelten sich am Rande der Schlucht und lenkten ihre Tiere nacheinander auf eine schmale, kühngeschwungene Steinbrücke hinaus, die über den Abgrund führte und sich irgendwo in Weite und Dunkelheit verlor. Es gab kein Geländer, keinen Schutz, nur dieses schmale Steinband, das kaum breit genug war, den Pferden sicheren Tritt zu gewähren. Die schwarzen Reiter zwangen ihre Tiere hinauf, Glied um Glied einer endlosen Kette. Ab und zu löste sich ein Stein unter dem harten Hufschlag der Tiere, und einmal kam ein Pferd ins Stolpern, kreischte auf und stürzte mitsamt seinem Reiter ab, ohne daß dies den Vormarsch der übrigen auch nur für eine Sekunde ins Stocken brachte.

Kims Hände krallten sich in die Mähne seines Tieres, als sie auf die Brücke hinausritten. Er blickte in die Tiefe, schloß entsetzt die Augen und stöhnte leise. Ihm schwindelte, und für einen Moment schien sich die gigantische Höhle um ihn herum zu drehen. Der Hufschlag der Pferde dröhnte plötzlich wie Donnergrollen in seinen Ohren.

Stunden schienen zu vergehen, ehe sie endlich das andere Ende der Brücke erreichten. Die Decke der Höhle senkte sich herab und verband sich mit den Seitenwänden zu einem niedrigen Stollen, von dem zahlreiche Seitengänge abzweigten. Die Luft roch abgestanden und bitter, und jeder Atemzug brannte wie Feuer in Kims Lungen. Die Reiter entzündeten Fackeln, um den Weg zu erhellen.

Der Ritt nahm kein Ende. Einmal rasteten sie, und Kim lehnte sich gegen die feuchtkalte Wand und schlief fast augenblicklich ein. Als er geweckt wurde, hatte er das Gefühl, nur wenige Minuten geschlafen zu haben und müder als vorher zu sein.

Die Umgebung wechselte ständig. Sie ritten durch Hallen und hohe, schattenerfüllte Steindome, durchquerten enge Schluchten und balancierten am Rande bodenloser Abgründe entlang, und einmal führte sie eine Art rohbehauene Steintreppe Hunderte Meter in die Tiefe.

Eine neuerliche Rast folgte, dann wieder endlose Stunden im Sattel. Und endlich, als Kim schon glaubte, sich nicht mehr auf dem Rücken des Pferdes halten zu können, leuchtete vor ihnen ein winziges grünes Licht. Die Fackeln erloschen, und das Heer drang in eine weitläufige, hohe Höhle ein, von deren Decke bizarre Kristallgebilde herunterhingen. Schwärme riesiger Fledermäuse kreisten über ihren Köpfen, und am entgegengesetzten Ende der Höhle glühte wieder jenes wohlbekannte grüne Feuer.

Der Marsch ging ohne Pause weiter. Kims Pferd wieherte erschöpft, als sie einen geröllübersäten Hang hinaufritten. Neben ihm kam ein Tier ins Straucheln, scheute und warf seinen Reiter ab. Der gepanzerte Reiter schlug unglücklich mit dem Kopf auf und blieb reglos liegen. Kim schloß entsetzt die Augen, als er sah, wie er unter den Hufen der Nachdrängenden verschwand.