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Das grüne Leuchten erfaßte sie. Wieder stöhnte Kim qualvoll unter dem unerträglich gleißenden Licht. Als er die Augen wieder öffnete, befand er sich in einem weiten, von hohen Felswänden umschlossenen Tal, ähnlich dem, aus dem sie aufgebrochen waren.

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Hammerschlag. Das Gebirge lag jetzt hinter ihm, im Osten. Sie hatten die Schattenberge überwunden!

VII

Kim war zu erschöpft, um den Gedanken in seiner vollen Tragweite zu erfassen. Und er schien nicht der einzige zu sein, dem der Ritt unter dem Schattengebirge das Letzte abverlangt hatte. Die Reiter verteilten sich, und Kim ritt inmitten der ihm schon vertraut gewordenen Gruppe zum südlichen Ende des Talkessels. Diesmal verzichtete man darauf, Zelte aufzuschlagen, und auch die Pferde wurden nicht weggeführt. Die Krieger ließen sich, wo sie gerade waren, aus den Sätteln fallen und rollten sich zum Schlafen ein.

Der Wunsch, es ihnen gleichzutun, war übermächtig, aber Kim riß sich zusammen. Wenn es eine Möglichkeit gab, dem schwarzen Heer zu entkommen, dann jetzt.

Vornübergebeugt, die Hände auf den Hals des Pferdes gestützt, trottete er an endlosen Reihen schlafender oder teilnahmslos dahockender Soldaten vorbei. Der Talkessel war rundum geschlossen, nur im Norden gab es einen schmalen, wie mit einer gigantischen Axt in den Felsen gehauenen Spalt. Natürlich war der Ausgang bewacht, aber darüber machte Kim sich im ersten Hochgefühl keine Sorgen. Er hatte das Unmögliche geschafft und einen Weg über das Schattengebirge gefunden - nach all dem würde er sich jetzt nicht von ein paar Wachen aufhalten lassen.

Er ritt langsamer, legte dem Pferd beruhigend die Hand zwischen die Ohren und murmelte leise, sinnlose Worte. Den Blick wachsam geradeaus gerichtet, näherte er sich dem Talausgang. Ein halbes Dutzend schwarzgepanzerter Wächter stand, auf ihre Speere gestützt, vor dem etwa zwanzig Meter breiten Durchlaß. Kim zügelte sein Pferd und hielt an. Er hatte sich noch keine klare Vorstellung darüber gemacht, wie er den Talkessel verlassen konnte. Vielleicht würde es ihm sogar gelingen, in wildem Galopp durch die Reihe der Wächter zu brechen. Aber das andere Ende der Schlucht war garantiert ebenfalls bewacht, und spätestens dort würde seine Flucht zu Ende sein, wenn ihn nicht vorher ein Pfeil oder ein Speer aus dem Sattel hob.

Hufgeklapper ließ ihn herumfahren. Eine kleine Gruppe schwarzer Reiter näherte sich dem Durchlaß. Der Anführer wechselte ein paar Worte mit einem der Wächter, worauf sich der Kordon teilte und die Reiter durchließ.

Kim überlegte nicht lange. Mit sanftem Schenkeldruck zwang er sein Pferd herum, reihte sich ans Ende der Kolonne und passierte mit ihr die Wachtposten. Niemand nahm Notiz von ihm.

Die Schlucht war vielleicht hundert Meter lang, aber seine Aufregung und Ungeduld ließen sie ihn viel länger erscheinen. Endlich passierten sie wieder eine Reihe gutgetarnter Wächter am Ausgang der Klamm, und vor ihnen lag ein unglaublich weites, lichtes Land.

Kim hätte am liebsten laut aufgejubelt. Sie befanden sich noch immer im Gebirge, aber es war eine Gebirgslandschaft ganz anderer Art als diesseits der Schattenberge. Zwischen dem hellen Felsgestein leuchteten grüne Büsche und Farnkraut und bunte Gebirgsblumen. Gras und Moos dämpften die Tritte der Pferde, und aus einem Spalt hoch oben im Felsen wuchs eine verkrüppelte Kiefer in den durchsichtig blauen Himmel. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft, und ein Gebirgsbach mit glasklarem Wasser kreuzte ihren Weg.

Jetzt! dachte Kim.

Er riß sein Pferd herum, preßte ihm die Schenkel in die Seiten und beugte sich tief über seinen Hals. Ein überraschter Aufschrei lief durch die Reitergruppe. Jemand rief etwas, was Kim nicht verstand, dann erscholl ein kurzer, wütender Befehl. Ein Pfeil zischte knapp an ihm vorbei und zersplitterte am Felsen, ein zweiter schrammte über seine Rüstung und hinterließ einen langen blutigen Kratzer an der Flanke seines Pferdes. Dann war er um eine Biegung und vorläufig in Sicherheit.

Kim schätzte blitzartig seine Lage ab. Der Weg führte steil den Hang hinunter und schlängelte sich zwischen Felsen und Baumgruppen hindurch, so daß er fürs erste vor Pfeilen und anderen Geschossen geschützt war. Aber er mußte ein Versteck finden. Sein Pferd war genauso erschöpft wie er selbst, es würde das Rennen mit den starken und ausgeruhten Tieren der Verfolger nicht mehr lange durchhalten.

Wie auf ein Stichwort sprengten in diesem Moment die Reiter um die Ecke. Kim erschrak, als er die hünenhafte Gestalt im Sattel des ersten Pferdes erkannte, die einen riesigen schwarzen Morgenstern schwang. Der Reiter hinter ihm war niemand anders als Baron Kart!

»Lauf, Junge!« rief Kim seinem Pferd zu. »Lauf um dein Leben. Und um meines. Sie bringen uns beide um, wenn sie uns kriegen!«

Das Pferd wieherte, als habe es verstanden. In rasendem Galopp stürmte es den Berg hinunter, sein Atem flog, und vor den Nüstern stand flockiger, weißer Schaum. Kim krallte sich in seiner Mähne fest und schaute verzweifelt nach einem Fluchtweg aus. Aber auf der einen Seite war nur freies, offenes Gelände und auf der anderen ein senkrechter Absturz. Der Weg führte jetzt hart am Rand einer mindestens zehn Meter breiten Schlucht entlang, deren jenseitige Kante durch das steile Gefälle erheblich tiefer lag.

Kim blickte über die Schulter zurück. Der Abstand zwischen ihm und seinen Verfolgern hatte sich verringert. Er glaubte in den Augen des schwarzen Barons abgrundtiefen Haß zu erkennen. Nie würde er Kim verzeihen, ihn derart an der Nase herumgeführt zu haben. So etwas war ihm wohl in seinem ganzen Leben noch nicht passiert.

Um so schrecklicher würde seine Rache sein. Eine Rache, von der ihn nur noch wenige Augenblicke trennten...

Kim riß den Kopf herum und blickte nach vorn. Er faßte einen verzweifelten Entschluß. Seine Hand zerrte am Zügel. Das Pferd bäumte sich auf, widersetzte sich einen Augenblick seinem Befehl und schwenkte dann willig herum. Ein vielstimmiger Aufschrei aus den Reihen seiner Verfolger folgte ihm, als sie sahen, wie Pferd und Reiter in halsbrecherischem Tempo auf die Schlucht zusprengten.

Kim warf sich nach vorn, klammerte sich mit beiden Armen am Hals des Tieres fest und schloß die Augen. Er spürte, wie sich die Muskeln des Pferdes spannten, als es zum Absprung ansetzte. Zwei, drei endlose Sekunden segelten sie durch die leere Luft. Kim riß die Augen auf und sah die gegenüberliegende Absturzkante auf sich zufliegen.

Der Aufprall schleuderte ihn aus dem Sattel. Er überschlug sich in der Luft, kam mit fürchterlicher Wucht am Boden auf und rollte etliche Meter wie ein Stein weiter, ehe er zur Ruhe kam. Das Pferd stolperte noch ein paar Schritte, brach dann mit einem Schmerzenslaut in die Knie und richtete sich mühsam wieder auf.

Kim stemmte sich ächzend hoch. Sein ganzer Körper schmerzte, und in den Ohren rauschte das Blut. Er wandte den Kopf und blickte zum gegenüberliegenden Rand der Schlucht hinauf. Die Verfolger waren zum Stehen gekommen. Der Baron tobte. Kim sah, wie sich die schwarzen Reiter unter seinen Flüchen duckten.

Etwas zischte an ihm vorbei und bohrte sich vor ihm in den Boden. Kim zuckte zusammen, wich einem zweiten Pfeil aus und wandte sich dann schleunigst zur Flucht. Ein Hagel langer schwarzer Pfeile prasselte rings um ihn nieder, und mehr als einmal rettete ihn nur sein Panzer vor einem tödlichen Treffer.

Dann war er hinter einem Felsblock in Sicherheit. Die Pfeile flogen noch immer, erreichten ihn jedoch nicht mehr, fielen zu Boden oder prallten klappernd von den Felswänden ab. Wahrscheinlich schossen die Ritter nur noch, um ihrer Wut Luft zu machen.

Kim pfiff sein Pferd herbei, tastete nach dem Sattelknauf und ließ sich erschöpft gegen seine Flanke sinken. Das Pferd war naß vor Schweiß, und sein keuchender Atem hatte sich noch nicht beruhigt. Kim ruhte ein paar Sekunden aus, dann richtete er sich auf, hob die Hände an den Kopf und setzte zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, wie ihm schien, den schwarzen Helm ab. Er legte ihn behutsam neben sich ins Gras, ließ sich auf ein Knie nieder und fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über die Vorderläufe des Pferdes. Das Tier wieherte, und Kim spürte, daß seine Gelenke angeschwollen waren. Es war das reinste Wunder, daß es sich bei dem Sprung nicht alle vier Beine gebrochen hatte.