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Plötzlich begann das Wertier aufgeregt zu schnüffeln. Kim verdrehte den Kopf, um Bröckchen ansehen zu können, und obwohl es nichts sagte, sondern nur erregt die Nase hin- und herdrehte und Witterung aufnahm, spürte Kim doch seine Angst.

»Was hast du?« fragte er.

»Da ... ist etwas«, sagte Bröckchen.

Bröckchen vollführte sein schüttelndes Achselzucken, wobei seine spitzen Stacheln Kim in Wange und Schläfe pieksten. »Es ... kommt näher.«

»Aus welcher Richtung?« rief Kim.

Bröckchen hob eine Pfote und deutete nach vorn. »Dorther.« Kim strengte seine Augen an, um in die Dunkelheit hineinzustarren, aber er sah nichts. Doch nach einer Weile beschlich ihn ein gräßliches Gefühclass="underline" Irgendwo in dieser grauen, wattigen Unendlichkeit vor ihnen ... war jetzt etwas. Groß und böse.

»Besser, wir machen kehrt«, sagte Kim. Sein Herz klopfte, und er hatte Mühe, sich seine Furcht nicht zu deutlich anmerken zu lassen. Sie waren erst vor kurzem an einer der Abzweigungen vorbeigekommen, und Kim dachte, es war besser, einen Ort zu haben, an dem sie ausweichen konnten. Keiner der anderen widersprach, und so wandten sie sich um und gingen - sehr viel schneller als sie gekommen waren - den Weg zurück. So lange, bis Bröckchen abermals auf Kims Schulter zusammenfuhr und mit piepsender, aber sehr klarer Stimme sagte: »Besser, ihr beeilt euch!«

Mehr war nicht nötig. Mit einemmal schien alle Müdigkeit und Erschöpfung vergessen zu sein. Sie rannten los, so schnell sie konnten.

Schon spürte Kim, daß etwas hinter ihnen aus der Dunkelheit herankroch, immer näher. Er widerstand der Versuchung, den Kopf zu drehen, sondern konzentrierte sich darauf, so rasch wie möglich zu laufen.

Dann hörten sie es: Der Boden unter ihren Füßen begann sacht zu zittern, und aus dem Stein rings um sie herum drang ein tiefes, vibrierendes Grollen und Knirschen, als wälze sich eine ungeheuerliche Masse hinter ihnen heran, vielmehr als bewege sich der ganze Berg.

»Schneller!« schrie Kim.

Aus ihrem Lauf wurde panische Flucht. Kim und Peer fielen einige Schritte zurück, um einen der langsameren Jungen an den Armen zu packen und mit sich zu zerren, dabei warf Kim fast unabsichtlich einen Blick hinter sich. Und was er sah, das ließ sein Herz fast aussetzen, dann aber um so schneller jagen, schmerzhaft und mit der Wucht eines außer Kontrolle geratenen Hammerwerkes. Die Dunkelheit hinter ihnen schien zu brodelndem Leben erwacht zu sein. Eine ungeheure, scheinbar formlose Masse wälzte sich da heran, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte er das Gefühl, in zwei gewaltige, rotglühende, böse Augen zu blicken.

Er sah kein zweites Mal hin, sondern griff so schnell aus, daß selbst Peer Mühe hatte, mitzukommen. Den Jungen schleiften sie einfach zwischen sich. Trotzdem schafften sie es nur im allerletzten Moment. Die Abzweigung, die Kim gesehen hatte, tauchte jäh aus der grauen Dämmerung vor ihnen auf, und Kim fand gerade noch Zeit, sich mit einem gewaltigen Satz hineinzuwerfen und dabei Peer und den Jungen einfach mitzureißen, da schien eine ganze Lawine hinter ihnen vorbeizudonnern. Die gewaltige Masse füllte den Tunnel zur Gänze aus und ließ den ganzen Berg erbeben.

Kim stürzte, ließ endlich die Hand des Jungen los und rollte herum. Mit klopfendem Herzen sah er auf.

Wo die Tunnelöffnung gewesen war, da befand sich jetzt eine zuckende, brodelnde, weiche, schwarze Wand, die mit rasender Geschwindigkeit vorbeidonnerte. Was immer es war, was da vorbeijagte, es mußte von großer Ausdehnung sein. Kim spürte eine Woge erstickenden, süßlichen Gestanks, wie ihn auch die schleimigen Pfützen verströmt hatten, nur tausendmal stärker jetzt und bedrohlicher. Hastig kroch er weiter von der Tunnelöffnung weg, als eine ganze Welle der widerwärtigen, durchsichtigen Flüssigkeit hereinschwappte und seine Füße und die Hosenbeine tränkte. Der Berg zitterte. Das Grollen war zu einem Brüllen angeschwollen, und Kim wußte nicht mehr, ob es wirklich das Dröhnen des Gesteins war, was sie hörten, oder das Donnern dieses fürchterlichen Unwesens dort draußen.

»Was ist das?« flüsterte Peer entsetzt, als es endlich vorbei war. Das Grollen und Stöhnen war jetzt leiser geworden. Der Boden zitterte immer noch sanft unter ihnen.

Kim zuckte hilflos mit den Schultern. »Wie soll ich das wissen«, flüsterte er. »Vielleicht... nein, das ist unmöglich, oder doch - ein Wurm? Oder eine Schlange?«

»Ein Wurm?« Peer riß ungläubig die Augen auf. »Das Vieh war mindestens hundert Meter lang!«

»Optimist!« piepste Bröckchen.

Kim blickte unglücklich. Er seufzte. »Wenigstens wissen wir jetzt, wovor die Zwerge solche Angst haben!«

»Sehr beruhigend«, maulte Peer und rappelte sich auf. Er hatte sich beim Sturz Hände und Knie blutig geschürft und blickte jetzt auf seine zerschundene Haut herab. Aber er sagte nichts mehr, sondern sah sich aufmerksam in der Runde um. »Ist jemand verletzt?« fragte er.

Niemand antwortete. Auch als er sich wenige Augenblicke darauf erkundigte, ob sie weitergehen wollten, schwiegen alle.

»He«, sagte er in dem vergeblichen Versuch, aufmunternd zu klingen. »Ich weiß, daß ihr euch fürchtet. Mir geht es genauso. Aber wir können nicht hierbleiben.«

»Laß es gut sein, Peer«, sagte Kim. »Wir sind müde. Vielleicht sollten wir ein bißchen schlafen.«

»Hier?« Peer schüttelte sich angeekelt. »Falls du es noch nicht bemerkt hast - dieser Tunnel ist genauso glitschig wie der andere. Hier kann jederzeit noch so eine Lawine auftauchen.«

»Aber irgendwo müssen wir doch schlafen«, meinte Kim müde. »Warum also nicht hier? Außerdem«, fügte er nicht sehr überzeugt hinzu, »wer sagt, daß es mehr als diese eine gibt.«

»Nun ja«, Peer seufzte und runzelte die Stirn, »und falls doch, dann werden wir es schon merken, nicht wahr?« Kim spürte, daß es besser war, jetzt nichts mehr zu sagen. Sie alle hatten einen Grad der Erschöpfung erreicht, der sie reizbar machte, und das, was sie soeben erlebt hatten, trug nicht unbedingt dazu bei, sie zu beruhigen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um, suchte vergeblich eine Weile nach einem trockenen Fleckchen, auf dem er sich ausstrecken konnte, und legte sich schließlich seufzend auf den besudelten Boden, um zu schlafen.

Es wurde ein ebenso unruhiger wie kurzer Schlaf. Kim erwachte, als ihn jemand kräftig und ausdauernd an der Nase zog. Noch halb benommen hob Kim die Hand, um den Störenfried zu verscheuchen, und prompt spürte er einen schmerzhaften Biß in den Zeigefinger. Mit einem Ruck öffnete er die Augen und starrte das stachelige Etwas an, das vor seinem Gesicht auf dem Boden hockte und ihn aus hervorquellenden Triefaugen musterte.

»Was ist denn los?« murmelte Kim noch ganz verschlafen. »Nicht so laut«, wisperte Bröckchen, und das in einem Ton, der Kim schlagartig erwachen ließ.

Hastig richtete er sich auf, warf einen raschen Blick in die Runde und stellte fest, daß alle anderen noch schliefen. Selbst Peer, der sich angeboten hatte, Wache zu halten, war im Sitzen eingenickt und schnarchte leise.

»Also?« fragte Kim noch einmal und jetzt im Flüsterton. »Ich habe mich ein wenig umgesehen«, antwortete Bröckchen.

»Und?« fragte Kim ungeduldig. »Laß dir doch nicht jedes Wort aus deiner häßlichen Nase ziehen.«

Bröckchen schielte, um seine Schnauze zu betrachten, murmelte etwas Unfreundliches, sagte aber dann: »Ich glaube, ich habe einen Weg nach draußen gefunden.«