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»Ja«, nickte Kim. »Der König der Zwerge.«

»Eben!« rief Priwinn in fast triumphierendem Tonfall. »Einen wertvolleren Gefangenen können wir uns kaum wünschen. Es war sehr klug von dir, ihn mitzubringen. Er wird uns noch von großem Nutzen sein.«

»Ich habe ihm mein Wort gegeben«, sagte Kim traurig. »Das war vielleicht etwas voreilig«, meinte Priwinn kalt. »Es tut mir leid - aber er bleibt hier. Es ist noch nicht vorbei, Kim. Der Flußmann hatte recht, wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg.«

»Wie meinst du das?«

»Wir haben Gorywynn zurückerobert und das Heer der Piraten vertrieben«, antwortete Priwinn, »aber das heißt nicht, daß wir gesiegt haben. Im Gegenteil.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Ich fürchte, das Schlimmste steht uns noch bevor.«

Kim warf einen erschrockenen Blick in das Gesicht des Zwerges. Jarrn musterte den Steppenkönig kalt, aber Kim gewahrte auch ein dünnes, böses Lächeln in seinen Augen. Priwinn hatte recht - es war noch nicht vorbei. Und plötzlich erinnerte er sich auch wieder an die scheinbar unerklärliche Fröhlichkeit und Gelassenheit, mit der Jarrn sowohl ihre Flucht als auch seine Gefangennahme hingenommen hatte. »Du meinst, sie werden wiederkommen?« fragte er.

»Die Flußleute?« Priwinn schüttelte den Kopf. »Kaum. Sie haben sich blutige Nasen geholt und werden eine ganze Weile brauchen, um sich davon zu erholen. Aber unsere Späher berichten seit Tagen von einem Heer, das sich auf dem Weg hierher befindet. Wenn kein Wunder geschieht, so wird es spätestens bei Sonnenaufgang eintreffen.«

»Was für ein Heer?« fragte Peer.

Priwinn sah ihn an, als überlege er allen Ernstes, ob es der Junge überhaupt wert sei, eine Antwort zu erhalten. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte - allerdings nicht zu Peer, sondern in Kims Richtung gewandt: »Eisenmänner.«

»Eisenmänner?!« Kim fuhr zusammen wie unter einem Hieb und blickte Jarrn aus weit aufgerissenen Augen an. »Ist das wahr?« flüsterte er.

Jarrn grinste hämisch. »Hast du gedacht, wir sehen zu, wie ihr alles zerschlagt, was wir aufgebaut haben, Blödmann?«

»Wie viele sind es?« Kim erschauerte.

»Tausende«, fiel Gorg ein. Und Priwinn fügte hinzu: »Alle, die uns entkommen sind. Und vermutlich alle, die sie noch in ihren Schmieden gefertigt haben. Du bist dagewesen, Kim. Du solltest besser wissen als wir, wie viele es sind.« Aber Kim schüttelte nur den Kopf. »Ich habe keinen einzigen von ihnen gesehen«, sagte er. »Sie müssen sie weggeschafft haben. Oder sie stellen sie an einem anderen Ort her.«

In den Augen des Zwerges erschien ein Ausdruck, als hätte Kim etwas ungemein Lustiges gesagt. Er grinste noch breiter als sonst, sagte aber kein Wort. »Dann war alles umsonst«, flüsterte Kim niedergeschlagen.

Priwinn schüttelte heftig den Kopf. »Keineswegs«, sagte er. »Wir haben die erste Schlacht gewonnen, und jetzt, wo du da bist, werden wir auch die zweite gewinnen. Und wenn es dir gelingt, den Tatzelwurm weiter im Zaum zu halten, dann steht unsere Sache gut.«

Kim hatte ihm erzählt, was zwischen ihm und dem Tatzelwurm vorgefallen war. Aber offensichtlich hatte Priwinn gar nicht verstanden, was er gesagt hatte. Kim zweifelte, daß sie siegen konnten. Zwar war der Tatzelwurm mit seinen ungeheuerlichen Körperkräften ein wertvoller Verbündeter, aber selbst dieser Gigant war nicht unverwundbar, wie die Schlacht heute bewiesen hatte. Schließlich hatten die Eisenmänner ihn schon einmal besiegt.

Traurig sah er auf das Bett mit dem schlafenden Zauberer herab. Wäre Themistokles doch nur wach. Würde er doch nur noch einmal die Augen öffnen, um ihm zu sagen, was zu tun war. Alles war so verwirrend.

Niedergeschlagen blickte Kim den Zwerg an. »Bist du deshalb so guter Dinge?« fragte er.

Gorg verstärkte seinen Griff um Jarrns Schulter, und der Zwerg verzog schmerzhaft das Gesicht. »Was ist? Antworte.« Jarrn kicherte böse, obwohl er sich gleichzeitig unter Gorgs kräftigem Händedruck wand. Aber er schwieg wohlweislich. Priwinn ballte zornig die Faust und machte einen Schritt auf den Zwerg zu. »Freu dich nur nicht zu früh, Zwerg«, sagte er und machte eine befehlende Geste in Gorgs Richtung. »Sperr ihn irgendwo ein, Gorg. Und stell zwanzig der besten und tapfersten Krieger zu seiner Bewachung bereit.«

Der Riese ging, um zu tun, was Priwinn ihm befohlen hatte. Für eine Weile wurde es danach sehr still in der Turmkammer, und es war ein Schweigen von unbehaglicher Art, das sich ausbreitete. Priwinn sah Kim an, und Kim spürte, daß der Freund auf etwas wartete, darauf, daß er etwas ganz Bestimmtes sagte oder tat. Er wußte auch, was es war. Aber er konnte sich nicht dazu durchringen. Es war ein Moment der Entscheidung. Und wenn Kim sich jetzt falsch entschied ... Priwinn band den Schwertgurt ab und legte ihn vor Kim auf den Tisch, zögerte noch einmal und stellte schließlich seinen Helm daneben. »Das gehört dir«, sagte er. Kim schüttelte den Kopf.

»Aber du hast dich doch längst entschieden«, sagte Priwinn mit einem dünnen, beinahe traurigen Lächeln. Er kam näher, legte Kim die Hand auf die Schulter und sah ihm ernst in die Augen. »Glaube nicht, daß ich dich nicht verstehe. Auch mir bricht es das Herz, die Waffe gegen mein eigenes Volk erheben zu müssen. Aber es bleibt keine andere Wahl.«

»Ich kann das nicht«, murmelte Kim. Aber ganz überzeugt war nicht einmal mehr er selbst von seinen Worten. »Du hast es bereits getan«, anwortete Priwinn. »Heute abend in der Schlacht um Gorywynn - hast du da nicht mitgekämpft? Und als du und dein Freund hier aus den Höhlen der Zwerge geflohen seid, habt ihr euch euren Weg in die Freiheit nicht erkämpft?«

»Das war etwas anderes«, murmelte Kim.

»War es das?« fragte Priwinn leise. »War es das wirklich?« Kim wußte keine Antwort darauf. Und nach einer Weile drehte sich der Steppenkönig wortlos weg, legte auch den Rest seiner schwarzen Rüstung ab und legte ihn auf den Tisch neben das Schwert und den Helm. »Es gehört dir«, sagte er noch einmal. »Morgen früh, wenn die Sonne aufgeht, wirst du es tragen und uns in die letzte Schlacht führen.«

XXIV

Er hatte einen Alptraum in dieser Nacht. Da die Stadt völlig überfüllt war und er Themistokles ohnehin um keinen Preis der Welt alleingelassen hätte, hatte Kim darum gebeten, daß man für Peer und ihn zwei weitere Betten in die Turmkammer brachte. Sie hatten noch lange geredet, und es hatte noch länger gedauert, bis Kim sich schließlich widerwillig auf seinem Lager ausstreckte und die Augen schloß. Und kaum war er in einen ersten, unruhigen Schlaf versunken, als er auch schon zu träumen begann.

Er sah sich auf diesem Bett liegen und in die Dunkelheit hinaufstarren. Bröckchen lag neben ihm zu einem kleinen Stachelball zusammengerollt und schnarchte, daß die Wände wackelten. Aber plötzlich war Kim nicht mehr allein. Nachdem er erschrocken hochgefahren war und sich umgesehen hatte, da erkannte er eine kleine, in ein zerfetztes schwarzes Cape gehüllte Gestalt, die am Kopfende seines Bettes stand und ihn mit sonderbarem Ausdruck anblickte. Unnütz zu fragen, wie es Jarrn gelungen sein mochte, Priwinns Wachen zu entschlüpfen und hierherzukommen. Kim verspürte keinen Schrecken, denn er wußte, daß dies ein Traum war, und auch daß Jarrn nicht gekommen war, um ihm etwas anzutun. Neben Kim hob Bröckchen den Kopf und blinzelte verschlafen. Er spürte, wie das winzige Wesen zu zittern begann.

Lange saß Kim einfach da und blickte den Zwerg an, und dieser erwiderte seinen Blick auf eine Art, die sein Gegenüber plötzlich unsicher und verstört werden ließ.

Endlich stand Kim auf, ging an dem Zwerg vorbei und sah sich im Zimmer um. Die leisen, gleichmäßigen Atemzüge Peers und des alten Zauberers waren die einzigen Geräusche, die er hörte. Von draußen drang noch immer der rote Schein lodernder Feuer herein, aber die lachenden Stimmen der Krieger waren verklungen. Tiefe Nacht hatte sich über Gorywyrtn gesenkt, und wer von den Männern nicht Wache stand, der nutzte die wenigen Stunden, die noch bis zum nächsten Morgen verbleiben mochten, um Kräfte für die letzte, entscheidende Schlacht zu sammeln.