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»Das glaube ich nicht«, flüsterte Kim. »Sie ... sie sind mehr. Ich weiß es. Ich spüre es. Sie machen mir angst.«

»Aber das brauchen sie nicht«, seufzte Oak. »Auch hier bei uns gibt es ein paar, die so denken wie du - aber sie irren sich. Die Eisenmänner sind sehr nützlich.«

Kim lachte bitter auf.

»Morgen«, fuhr Oak fort, »wenn das Fest vorüber ist, zeige ich dir unsere neue Stadt. Sie ist zehnmal größer und schöner als diese hier. Tja, wenn wir die Eisenmänner nicht hätten... Du wirst sehen, es gibt keinen Grund, sie zu fürchten. Und nun komm.«

»Wohin?« fragte Kim mißtrauisch.

»Nach oben«, antwortete Oak. »Ich möchte, daß du am Fest teilnimmst. Du brauchst etwas, um auf andere Gedanken zu kommen, Kim. Wenn du allein hier zurückbleibst, rennst du am Ende noch kopfüber in die Nacht hinein, nur weil du einen Eisenmann siehst.« Er ließ Kims Hand los, stand auf und lächelte aufmunternd.

Und Kim folgte ihm tatsächlich. Wenn auch aus einem ganz, ganz anderen Grund, als Oak auch nur ahnen mochte.

IX

Die zweite und noch sehr viel größere Überraschung des Tages sollte Kim später erleben, als das Fest weit fortgeschritten war und die Baumleute mit ihren Wettkämpfen begannen. Vorderhand jedoch mußte Kim sich in einer sportlichen Disziplin üben, die daheim ganz bestimmt niemals bei den Olympischen Spielen auftauchen würde, sich aber bei den Baumleuten großer Beliebtheit zu erfreuen schien: Treppensteigen.

Oak führte sie zurück zum Stamm des Baumes, wo sie auf die gewundene Treppe hinaustraten und sich scheinbar endlos weiter nach oben quälten. Bröckchen wurde es bald zuviel, so daß es sich wie üblich mit einem Satz auf Kims Schultern schwang. Kim selbst hingegen mußte sich leider auf die eigenen Beine verlassen. Nach einer Weile wurden seine Schritte schleppender, und er fiel merklich hinter Oak zurück, der sich mit geradezu verblüffender Leichtigkeit die Stufen hinaufbewegte. Die wenigen Stunden Schlaf, die Kim gehabt hatte, hatten ihn zwar erfrischt, aber er war noch nicht wieder ganz zu Kräften gekommen.

»Es ist nicht mehr weit.« Oak deutete nach oben, als sei das eine Beruhigung. »Noch vier Äste.«

Kim ächzte. Vier Äste - und sie hatten noch nicht einmal die halbe Strecke zum ersten zurückgelegt! Er würde niemals dort hinaufkommen!

Oak grinste breit. »Nur keine Sorge«, sagte er, als hätte er Kims Gedanken erraten - oder sie auf seinem Gesicht abgelesen, was wahrscheinlicher war. »Das letzte Stück des Weges brauchen wir nicht zu laufen.«

Kim rätselte, was das nun zu bedeuten hatte, fand aber keine Antwort, und so ergab er sich in sein Schicksal. Er schleppte sich hinter Oak die nicht enden wollende Treppe hinauf, bis er das Gefühl hatte, seine Beine müßten mittlerweile so kurz geworden sein, daß sie direkt unter seinen Schultergelenken herauswuchsen.

Sie erreichten den ersten Ast, und Kim erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine weitere, und wie es schien noch viel größere Baumstadt. Es folgten weitere zahllose Stufen, und dann blieb Oak plötzlich stehen. Hin und wieder waren sie an gewaltigen Höhlungen vorbeigekommen, die ins Innere des titanischen Baumes führten. Auch jetzt hatten sie wieder einen dieser Eingänge erreicht. Oak machte eine einladende Geste, und Kim folgte ihm.

Die Höhle war kleiner, als er geglaubt hatte - ein Quadrat von gerade fünf mal fünf Schritten, dessen Boden sonderbarerweise von einem hüfthohen Geländer umgeben war. Oak beschied mit knappen Worten, die Wände nicht zu berühren, dann streckte er den Arm aus und zog kräftig an einem aus Pflanzenfasern geflochtenen Seil, das in der Mitte herabhing - genauer gesagt, irgendwo aus der schier endlosen Schwärze über ihnen kam, denn der Raum hatte zwar einen Fußboden, aber sichtlich keine Decke.

Einen Augenblick später schrie Kim überrascht auf, als ein spürbarer Ruck durch den Boden ging. Und plötzlich war der Eingang verschwunden, und die Wände rasten nur so an ihnen vorbei in die Tiefe. Die Höhle war ein Aufzugschacht!

»Gut, nicht?« grinste Oak, während er sich sichtlich an Kims Überraschung weidete. »Bald werden wir den Schacht durch den ganzen Baum getrieben haben, und dann kommen wir viel rascher voran. Wir planen sogar einen noch größeren Aufzug.«

»Das ist... phantastisch«, meinte Kim zögernd. Aber er fand es nicht phantastisch. Ganz im Gegenteil. Warum beunruhigte ihn dieser Aufzug?

»Wie funktioniert er?«

»Ganz einfach«, erklärte Oak mit hörbarem Stolz. »Die Plattform hängt an Seilen. Soll sie in die Höhe gehoben werden, lassen wir von oben ein Gegengewicht fallen.«

»Aha.« Etwas an dieser Erklärung ängstigte Kim.

»Es ist wirklich bequem«, fuhr Oak fort, der nun einmal ins Reden gekommen war. »Und ganz nebenbei - es waren die Eisenmänner, die ihn gebaut haben.«

Kim sah ihn fragend an. Sein ungutes Gefühl verstärkte sich.

»Ohne sie wäre es unmöglich gewesen«, sagte Oak.

»Kannst du dir vorstellen, wieviel Arbeit es ist, den Schacht aus dem Baum herauszuschneiden?«

Das konnte Kim nicht, und er wollte es auch nicht. Mißtrauisch fragte er: »Macht es dem Baum nichts aus?«

»Was?«

»Wenn ihr Löcher hineinschneidet.«

Oak lachte. »Wo denkst du hin! Er ist so groß, daß er es nicht einmal spüren würde, wenn wir hundert Schächte in seinen Stamm grüben. Das hier ist kein Bäumchen, wie du es kennst, Kim. Nein, nein - keine Sorge.«

Aber Kim machte sich Sorgen - obgleich er keinen Grund sah, an Oaks Ausführungen zu zweifeln. Trotzdem - irgend etwas stimmte hier nicht.

Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Ab und zu huschte ein Eingang an ihnen vorüber, während der Aufzug noch lange und unbeirrt seinen Weg nach oben fortsetzte, bis er endlich langsamer wurde und schließlich zum Stehen kam. Kim blinzelte in das ungewohnt helle Licht, als er aus dem Lift heraustrat. Zum erstenmal sah er die Sonne. Auch hier spannte sich ein grünes Blätterdach vor dem Himmel, aber es war nicht mehr so undurchdringlich wie unten - hier und da war ein Flecken aus hellem Blau zu erkennen.

Auf dem Ast, auf den sie hinaustraten, herrschte ein reges Treiben. Gelächter und fröhliche Stimmen schallten ihnen entgegen, es schienen gleich Tausende von Baumleuten hier zu sein. Auf kleinen, eigens dafür vorbereiteten Flecken des Astes brannten Feuer, über denen Früchte gebraten wurden; Krüge machten die Runde, und ein wenig entfernt sah Kim ein buntes, mit allerlei Fahnen und Wimpeln geschmücktes Zelt, um das sich eine große Anzahl verschiedenfarbiger Baumleute drängelte.

»Kommt«, rief Oak in aufgeräumter Stimmung. »Ich stelle euch ein paar Freunde vor.«

Beinahe widerwillig folgten ihm Kim und Bröckchen. Ihr Gastgeber stürzte sich kopfüber ins Gewühl, und nach einer Weile sah sich Kim voller Unbehagen im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit. Oak schien unzählige Freunde zu haben, nicht ein paar, denn er sprach nahezu jeden an, und sie alle begrüßten Kim und seinen bunten Begleiter. Und ob Kim wollte oder nicht - nach einer Welle steckte ihn die fröhliche, ausgelassene Stimmung an, und es war noch keine halbe Stunde vergangen, da hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung mit seinen neuen Bekannten lachen. Bröckchen, das rasch herausgefunden hatte, daß die gebratenen Früchte für jedermann da waren, wuselte von Feuer zu Feuer und gab sein Bestes, die Ernte des ganzen Baumes an einem Abend aufzufuttern. Wenn Kim sah, mit welcher Hingabe sein bunter Freund mampfte, dann standen seine Aussichten, es zu schaffen, nicht einmal schlecht.