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»Du?« flüsterte er.

»Ja«, antwortete Priwinn, der Steppenprinz von Caivallon, während er seinen Helm abnahm.

Und dann lagen auch sie einer in den Armen des anderen und schlugen einander auf die Schultern und lachten, bis sie beide nicht mehr konnten und keuchend nach Luft ringen mußten.

»Wo kommt ihr her?« fragte Kim atemlos. »Was tut ihr hier, und -«

»Eines nach dem anderen«, unterbrach ihn Priwinn. Seine Augen strahlten, während er Kim ansah. Der junge Prinz hatte sich kaum verändert in all der Zeit, die vergangen war: Er war noch immer schlank und dunkelhaarig und hatte ein edles Gesicht, das fast schon das eines Mannes war, aber seine jugendhafte Fröhlichkeit wahrscheinlich nie verlieren würde. Nur in seinen Augen, fand Kim, war etwas, das damals nicht dagewesen war. Eine Verbitterung, die nicht zu dem jugendlichen Aussehen des Prinzen passen wollte.

Aber sie kamen nicht dazu, zu erzählen, denn plötzlich hörten sie Schritte, und schon teilte sich das Unterholz hinter ihnen, und eine in blaßgelbe Blätter gehüllte Gestalt trat heraus.

»Seid ihr von Sinnen, einen solchen Lärm zu veranstalten?« fauchte Limb. »Man hört euch ja noch zwei Äste weiter. Ihr -«

Er verstummte mitten im Wort, als sein Blick Kim erfaßte. Seine Augen wurden schmal. »Was macht er hier?« fragte er mißtrauisch. »Ich hab ihn vorher mit Oak getroffen.« Gorg hob beruhigend die Hand. »Keine Sorge«, sagte er. »Er ist unser Freund.«

»Du kannst ihm vertrauen«, fügte Priwinn hinzu. »Ebenso wie mir und Gorg.«

Limb zögerte. Das Mißtrauen in seinem Blick erlosch nicht völlig. Aber dann sah er die zertrümmerten Eisenmänner, und ein zufriedener Ausdruck breitete sich auf seinen Zügen aus. »Ehr habt sie erwischt«, meinte er. »Gut.«

»Hast du daran gezweifelt?« fragte Gorg leicht beleidigt. »Es sind nur fünf«, zählte Limb, ohne auf seine Frage zu antworten.

»Der andere liegt dort auf dem Weg«, erklärte Priwinn. Er deutete auf Kim. »Unser Freund hat ihn erschlagen.«

»In Ordnung. Aber wir sollten jetzt machen, daß wir wegkommen. Wenn uns jemand sieht, ist alles aus. Oak ist ohnehin schon unruhig geworden, als dieser junge Narr da einfach hinter euch hergestürzt ist.« Er ging davon, hielt aber am Waldrand noch einmal an. »Wir treffen uns in der neuen Stadt! Beeilt euch.« Und damit war er verschwunden.

»Was bedeutet das?« wunderte sich Kim.

Priwim winkte ab. »Limb hat recht - wir können nicht hierbleiben. Es ist zu gefährlich. Du kommst doch mit uns?« Seine Frage - die eigentlich eine Feststellung war - galt Kim. Dieser nickte fast automatisch, sah sich aber dann suchend um. Wo war Bröckchen? Kim erinnerte sich, daß es von seiner Schulter gesprungen war, als er sich auf den Eisenmann stürzte, aber seither hatte er den Federwusch nicht mehr gesehen.

»Was suchst du?« fragte Gorg.

»Ich vermisse jemanden«, antwortete Kim. »Einen Freund.«

»Einen Freund? Wie sieht er aus?«

»Oh, du wirst ihn schon erkennen, wenn du ihn siehst«, antwortete Kim. »Wartet einen Moment. Es kann nicht lange dauern.« Ohne Gorgs Antwort abzuwarten, trat er wieder auf den Weg hinaus und rief ein paarmal nach Bröckchen. Tatsächlich trippelte der gelbrote Federwusel nach einigen Augenblicken hinter einem Busch hervor. »Ist alles vorbei?« druckste er kleinlaut.

Kim lächelte. »Ja. Komm schon, du Feigling.«

»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte Bröckchen und sprang dabei gehorsam auf Kims Schulter hinauf. »Wer sind die beiden?«

»Das erkläre ich dir später«, antwortete Kim. »Wir müssen fort.«

Aber er hielt noch einmal inne und ließ sich neben einem zerstörten Eisenmann auf die Knie sinken. Nachdenklich streckte er die Hand nach seinem abgeschlagenen Kopf aus und drehte ihn herum.

Der Kopf war vollkommen leer.

Und so war auch der Rest des rostroten Titanen: nichts als eine leere, eiserne Hülle. Kim war verwirrt. Er wußte nicht, was er erwartet hatte, vielleicht ein kompliziertes System aus Zahnrädern und Hebeln, irgendeine Art von Mechanik, irgend etwas eben - aber nichts? Was hielt die Eisenmänner in Bewegung und ließ sie arbeiten?

»Unheimlich, nicht?« sagte eine Stimme über ihm.

Kim blickte erschrocken auf und sah in Priwinns Gesicht. Der Prinz der Steppenreiter war lautlos näher gekommen und blickte wie Kirn auf den Eisenmartn herab. Aber auf seinem Gesicht zeigte sich weniger Verwirrung als Zorn - ja, Haß.

»Ich verstehe das nicht«, murmelte Kim. »Was hält sie am Leben?«

»Magie«, antwortete Priwinn, und nun klang seine Stimme wirklich haßerfüllt.

»Zauberei des Zwergenvolkes in den östlichen Bergen. Aber jetzt müssen wir weg hier. Ich erkläre dir alles, sobald wir in Sicherheit sind.«

Für die nächste Stunde jedenfalls kam Kim nicht dazu, seinen Freunden auch nur eine einzige der unzähligen Fragen zu stellen, die ihm auf der Zunge brannten. Die beiden legten ein erstaunliches Tempo vor, während sie quer durch den Astdschungel und später (was auch sonst?) wieder die Treppe hinaufeilten. Kims Beine fühlten sich bald so schwach wie Pudding an, und auch Priwinns Kräfte erlahmten sichtlich. Schließlich wurde es Gorg zuviel - er setzte sich die beiden kurzerhand auf die Schultern und rannte, jetzt immer sieben oder manchmal auch zehn Stufen auf einmal nehmend, weiter die Treppe hinauf.

Trotz der Eile begann es bereits zu dämmern, bis sie sich dem eigentlichen Wipfel des Baumes näherten. Hier oben schien noch die Sonne, aber die Schatten waren bereits länger geworden, und in das Licht hatte sich eine Spur von Grau gemischt. Unten auf dem Boden, der endlos entfernt zu sein schien, mußte die Nacht längst hereingebrochen sein. Kim staunte nicht schlecht über das, was sie auf den obersten und merklich dünneren der gewaltigen Äste erwartete: Vor ihnen erhob sich eine Stadt, die mit Abstand die größte und prachtvollste war, die Kim bisher auf dem Baum zu Gesicht bekommen hatte. Die Häuser waren höher und weitläufiger und in einem weitaus aufwendigeren, wenn auch nicht unbedingt hübscheren Stil erbaut. Als sie näher kamen, da sah Kim, daß sich die Stadt nicht nur auf diesem einen Ast erstreckte, sondern sich wie ein Spinnennetz auf einem gewaltigen Geflecht aus Balken und Streben weit ins Leere hinausgeschoben hatte und da und dort schon die benachbarten Äste erreicht hatte.

Und er bemerkte auch, daß sie ausgestorben war. Nirgends rührte sich etwas. Nirgends brannte ein Licht. Man hörte keinen Laut.

»Sie ist noch nicht fertig«, erklärte Priwinn. »Es wohnt noch niemand hier. Falls überhaupt einer jemals hier einziehen wird, heißt das.«

Kim sah ihn verwundert an, aber Priwinn gebot ihm mit einer Geste, zu schweigen, sah sich rasch und aufmerksam nach allen Seiten um und huschte dann mit schnellen Schritten auf eines der leerstehenden Gebäude zu. Kim und Bröckchen folgten ihm, während Gorg sich in einem Schatten aufstellte, um Wache zu halten, wie er sagte. Die Wahrheit war wohl eher, vermutete Kim, daß das Haus einfach zu klein für ihn war. Gorg hatte einige Übung darin, sich den Schädel an zu niedrigen Decken und Türen einzurennen.

»Treffen wir uns hier mit deinem Freund?« fragte Kim, als sie das Gebäude betreten hatten.

»Limb?« Priwinn schüttelte den Kopf. »Er ist nicht mein Freund«, sagte er, »nur unser Verbündeter. Setz dich - wir haben eine Menge zu besprechen.«

Kim gehorchte, aber erst nach einigem Zögern und mit einem unguten Gefühl. Dieses Haus gefiel ihm 'nicht. Und etwas an der Art, in der Priwinn gesprochen hatte, auch nicht. Als sie am Tisch Platz genommen hatten, erschien ein gewaltiger Schatten vor einem der Fenster, und Gorgs breit-flächiges Gesicht lugte zu ihnen herein. Priwinn nickte ihm flüchtig zu, dann wandte er sich an Kim.

»Ich kann es immer noch nicht fassen, daß du wieder da bist«, sagte er. »Ich habe es so gehofft. Wir alle haben auf dich gewartet.«