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»Was ist das?« staunte Priwinn. Vorsichtig bewegte er sich auf das sonderbare Eisending zu, blieb wieder stehen und streckte die Hand aus. Er berührte es nur ganz flüchtig, ehe er die Finger rasch wieder zurückzog. Ein verblüffter Ausdruck glitt über sein Gesicht. »Es ist warm!«

Kim folgte ihm neugierig und legte ebenfalls die Hand auf die Flanke des Eisenbuckels. Das Metall war rostig und fühlte sich uralt an. Es war tatsächlich warm; ja, beinahe schon heiß - wie ein Herd, dessen Feuer vor noch nicht allzu langer Zeit erloschen war. Verwirrt sah er erst Priwinn, dann den Riesen an. Schließlich streifte sein Blick eher zufällig die Zwerge.

Jarrn und die anderen waren ein kleines Stück zurückgefallen. Keiner der Gnome blickte in ihre Richtung, mit Ausnahme Jarrns, und auch der sah alles andere als fröhlich aus - eher ängstlich. Aber warum?

Plötzlich holte der Prinz so scharf Luft, daß sich Kim erschrocken zu ihm umdrehte. Priwinn starrte noch immer aus ungläubig aufgerissenen Augen auf den eisernen Buckel, dann fuhr er herum, war mit einem Satz bei Jarrn und riß ihn am Kragen in die Höhe.

»Ihr verdammten Zwerge!« brüllte der Steppenprinz, wobei er Jarrn so wild schüttelte, daß der Zwerg zu kreischen und mit den Beinen zu strampeln begann. »Das ist euer Werk! Das habt ihr gebaut, nicht wahr? Das ist es, was hier geschehen ist!«

Kim begriff gar nichts. Verwirrt blickte er von einem zum anderen und dann auf den eisernen Buckel, von dem ein immer stärker spürbarer warmer Hauch ausging, und erneut kam ihm der Vergleich mit einem Herd in den Sinn. - Und endlich verstand er. »Das Eis!« flüsterte er. »Diese... diese Dinger ... schmelzen das Eis!«

Priwinn schüttelte den Zwerg noch heftiger. »Und ihr habt sie gebaut! Nicht wahr? Das ist doch so! Antworte, Zwerg!«

»Laß mich los, Grobian!« kreischte Jarrn. Priwinn ließ ihn tatsächlich los, und zwar so jäh, daß der Kleine in den Morast herabstürzte und tief darin versank.

»Wie viele von diesen Dingern gibt es?« fuhr ihn Priwinn aufgebracht an.

»Sehr viele«, antwortete Jarrn kleinlaut. »Kannst du dir doch vorstellen, oder? Ich weiß nicht, wie viele. Tausend vielleicht. Wir haben lange dafür gebraucht. Glaub mir, es war nicht leicht.«

»Aber warum?« murmelte Kim. »Warum ... tut ihr das, Jarrn?«

»Warum, warum!« äffte Jarrn seine Stimme nach. »Sie wollten es.«

»Wer - sie?« fragte Priwinn scharf.

»Die Flußleute«, antwortete Jarrn. »Sie sind zu uns gekommen, und wir haben schließlich einen Vertrag mit ihnen geschlossen.«

»Einen Vertrag, dieses Land zu zerstören?«

Kim machte eine beruhigende Geste in Priwinns Richtung. In einem so sachlichen Ton, daß er selbst ein bißchen erstaunt war, wandte er sich an Jarrn. »Erzähle.«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, versuchte Jarm auszuweichen. Sein Blick huschte über Priwinns Hände, als fürchtete er, sie könnten zuschlagen. »Sie wollten, daß wir das Ungeheuer vertreiben, und das haben wir getan.«

»Den Tatzelwurm«, vermutete Gorg.

Jarrn nickte. »Ja. Dann wollten sie einen Kanal durch die Berge, und auch den haben sie bekommen. Und am Schluß wollten sie das hier: Wärme, um hier fruchtbares Land für Äcker zu schaffen. Wir haben getan, was sie wollten. Bis auf das letzte Komma haben wir unseren Vertrag erfüllt. Aber sie haben uns betrogen. Als wir unseren Lohn holen wollten, da haben sie uns verjagt, und die, die nicht schnell genug waren, haben sie gefangen und in Ketten gelegt. Die Unglücklichen müssen immer noch für sie arbeiten.«

»Sie haben euch übers Ohr gehauen«, sagte Priwinn, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude. »Also seid ihr betrogene Betrüger.«

»Wir betrügen nicht!« protestierte Jarrn. »Wir haben niemals jemanden betrogen!«

»Das stimmt«, sagte Gorg.

Priwinn warf ihm einen giftigen Blick zu und wandte sich wieder an den Zwerg. »Und wo genau stehen all diese Ofen?« wollte er wissen. »Wie weit ins Land habt ihr sie getragen?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Jarrn. »Wir haben sie nur gebaut. Aufgestellt haben sie die Flußleute.«

»Dann ... dann kann es sein, daß hier alles unwiderruflich zerstört ist?« stammelte Priwinn verzweifelt.

Jarrn schwieg. Und trotz der Wärme, die der eiserne Buckel ausstrahlte, kroch eine eisige Kälte über Kims Rücken.

XV

Je weiter sie nach Norden kamen, desto wärmer wurde es. Die Luft war jetzt nicht mehr so kalt, daß das Atemholen weh tat, und sie stießen immer öfter auf trockene Inseln inmitten der morastigen Einöde, in die sich die Welt der Eisriesen verwandelt hatte. Die Maschinen der Zwerge und das, was die Flußleute damit getan hatten, schienen diesen Landstrich nicht nur in Unordnung gebracht, sondern seine Naturgesetze regelrecht auf den Kopf gestellt zu haben.

Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, da schritten sie bereits über trockenen Boden, in dem sich nur hier und da noch eine Pfütze oder ein kleines Schlammloch befanden. Und als sich auch dieser zweite Tag ihrer Wanderung dem Ende zuneigte, da rückte ihr Ziel in greifbare Nähe: Weltende, die Burg am Rande der Zeit, Sitz der mächtigen Weltenwächter.

Schon am frühen Nachmittag erspähten Sheeras scharfe Kateraugen die eisigen Türme, und wenig später gewahrte auch Kim ein weißes Blitzen und Schimmern am Horizont. Dieser Anblick - und die große Erleichterung darüber, daß Burg Weltende die Zerstörung der Eisigen Einöde überstanden hatte - gab ihnen noch einmal neue Kraft. Obwohl sie ihre letzten Vorräte schon am vergangenen Abend aufgezehrt hatten und alle erschöpft und müde von dem zweitägigen Gewaltmarsch waren, schritten sie noch einmal schneller aus. Trotzdem vergingen Stunden, ehe sie sich der Burg aus Schnee und Eis auch nur sichtbar näherten. Aber je weiter sie schließlich doch an das gewaltige Bauwerk aus schimmernden Eistürmen herankamen, desto unbehaglicher begann sich Kim zu fühlen.

Er war nicht der einzige, dem es so erging. Auch auf Gorgs Gesicht wich die Hoffnung allmählich einem Ausdruck von Beunruhigung, ja Sorge. Selbst Priwinn wurde immer schweigsamer und sprach schließlich während des letzten Stück Weges kein Wort mehr.

Es war nicht nur der Umstand, daß ihnen niemand entgegenkam, um sie zu begrüßen. Die Eisriesen lebten zurückgezogen in ihrer Festung am Rande der Unendlichkeit und kümmerten sich nicht um den Rest der Welt. Aber mit jedem Schritt, der sie dem Eispalast der Weltenwächter näher brachte, spürten sie deutlicher, daß irgend etwas nicht stimmte. Bis sie schmerzlich erkennen mußten, was es war. Das gewaltige Eistor mit der eingravierten, liegenden Acht - dem Symbol der Unendlichkeit - war unverändert. Die spiegelnde Fläche aus glasglattem, milchigem Eis war schon für sich allein größer als so manche Burg, die Kim in Märchenmond zu Gesicht bekommen hatte. Aber die Silhouetten der Eiszinnen darüber waren zu klein und zu rund; die Türme der Festung sahen aus wie riesige Kerzen, die in der Wärme der Sonne in sich zusammengesunken waren; die Eismauern standen schräg und gegeneinander geneigt, als begännen sie, unter ihrem eigenen Gewicht zusammenzubrechen.

Burg Weltende begann zu schmelzen!

Ein Dutzend Schritte vor dem Tor blieb Kim stehen und starrte das mächtige Gebilde aus Eis und gläserner Kälte an, und er weigerte sich einfach, anzuerkennen, was seine Augen ihm zeigten. Er spürte den frostigen Hauch, den die gewaltigen Eisflanken ausstrahlten, und sie alle zitterten jetzt wieder vor Kälte.