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Priwinn ballte so heftig die Faust auf dem Tisch, daß seine Knöchel hörbar knackten. Der Blick, mit dem er den Bauern durchbohrte, war wie Eis. »Vielleicht täuscht du dich, Bauer«, sagte er.

Der Bauer schüttelte lächelnd den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Aber vielleicht seid Ihr es, der sich täuscht, Prinz Priwinn. Ich habe von Euch gehört. Und von dem, was Ihr tut. Glaubt mir, es ist falsch. Ihr helft niemandem, wenn Ihr mit Euren Freunden durch das Land zieht und Eisenmänner zerstört. Sinnlose Zerstörung hat noch niemals etwas genützt.«

»Wir zerstören nur, was Märchenmond zerstört«, antwortete Priwinn.

Der Bauer wollte antworten, doch in diesem Moment drang das dünne Schreien eines Kindes durch die Tür herein, und seine Frau stand rasch auf und verließ den Raum. Die Gäste blickten ihr nach. »Ihr habt ein Kind?« fragte Priwinn.

Und mit einem Male erlosch das Lächeln in den Augen des Bauern. Sehr traurig nickte er. »Einen Sohn«, antwortete er. »Er kam im letzten Winter zur Welt, und er ist der letzte, der uns geblieben ist.«

Kim blickte ihn forschend an, und nach einer langen, von düsterem Schweigen erfüllten Pause fuhr der Mann fort: »Wir hatten noch zwei Kinder. Einen Sohn von zwölf und ein Mädchen von elf Jahren. Aber beide verschwanden im vergangenen Frühjahr.«

»Und Ihr habt nie wieder von ihnen gehört?«

Über Priwinns Gesicht huschte ein Ausdruck, der Kim beinahe entsetzte. Was er auf den Zügen seines Gefährten las, das war kein Mitleid, nicht einmal Bedauern, sondern ein Ausdruck, als hätte er genau das gehört, was er hören wollte. Und plötzlich hatte Kim nicht mehr die Kraft, dem Blick des Bauern standzuhalten.

Eine Weile saßen sie in unbehaglichem Schweigen beieinander. Dann hörten sie, wie die Haustür aufgestoßen wurde, und das Tappen schwerer Pfoten näherte sich der Stube. Alle Blicke wandten sich neugierig der Tür zu, und nicht nur zu Kims Überraschung sahen sie den Hund, der Sheera aus dem Haus gejagt hatte, nun Seite an Seite mit dem Kater hereinmarschieren. Die beiden Tiere sahen reichlich zerrupft aus, aber sie machten nicht mehr den Eindruck, als seien sie noch Feinde. Vielleicht waren sie das auch nie gewesen, überlegte Kim.

Als wäre die Rückkehr der beiden Tiere ein Zeichen gewesen, auf das er nur gewartet hatte, trippelte in diesem Moment Bröckchen aus der Küche herbei, sprang mit einem Satz auf den Tisch hinauf und untersuchte schnüffelnd die Teller nach irgendwelchen Resten. Was es fand, das verputzte es in Windeseile, dann sprang es wieder auf Kims Schulter hinauf, kuschelte sich zu einem flauschigen Federball zusammen - und rülpste so laut, daß dem Bauern fast die Pfeife aus dem Mund fiel.

»Das war gut«, sagte Bröckchen anerkennend. »Sprecht Eurer Frau ein Lob für die hervorragende Speisekammer aus, guter Mann.«

»Das werde ich tun«, antwortete der Bauer. »Es freut mich, wenn es dir geschmeckt hat. Du kannst gern soviel essen, wie du willst.«

»Das mache ich«, antwortete Bröckchen und rülpste erneut, daß Kim das Ohr klingelte. »Sobald wieder etwas drin ist, was man essen kann.«

Der Bauer, der natürlich keine Ahnung hatte, daß Bröckchen bei diesem Thema niemals übertrieb, lachte herzhaft. »Einen drolligen Kerl hast du da«, sagte er, an Kim gewandt. »Wo hast du ihn her?«

Kim wollte antworten, doch da fiel die Haustür ins Schloß, und die schweren Schritte des Riesen ließen das Haus erzittern. Einen Augenblick später betrat Gorg tief gebückt die Stube.

Der Bauer sprang mit einem Schrei und so heftig in die Höhe, daß sein Stuhl umstürzte. Die Pfeife fiel aus seinem Mundwinkel und polterte zu Boden. Auch Kim und wenig später Priwinn fuhren von ihren Stühlen hoch.

Über Gorgs linker Schulter hingen Kopf und Hals des eisernen Pferdes!

Mit einem einzigen Schritt durchquerte der Riese die Stube und warf den abgerissenen Pferdekopf auf den Tisch. Das Möbelstück zerbrach unter dem Aufprall der Last in Stücke, und der Bauer prallte mit einem Keuchen einen Schritt zurück. Seine Augen quollen vor Unglaube fast aus den Höhlen, während er den zertrümmerten Pferdekopf anstarrte, und auch Kims Blick irrte fassungslos zwischen diesem und dem Gesicht des Riesen hin und her, immer und immer wieder.

Niemals zuvor hatte er Gorg so haßerfüllt erlebt. Niemals zuvor hatte er einen solchen Ausdruck in seinen Augen gesehen, ein wildes, fast tierisches Flackern, das den Giganten furchterregend aussehen ließ. Gorgs Hände bluteten. Sein Körper war schweißbedeckt und zitterte, und sein Atem ging schwer und stoßweise.

»Was ... was hast du getan?« keuchte der Bauer. Aus hervorquelienden Augen starrte er den Riesen an. Er wurde noch bleicher, als er den Haß im Antlitz des Riesen sah. Schritt für Schritt wich er zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß, und flüsterte noch einmaclass="underline" »Was hast du getan?«

Und plötzlich fuhr er herum, stieß einen krächzenden, halberstickten Schrei aus und stürzte zum Fenster. Gorg packte ihn, riß ihn mit einer zornigen Bewegung zurück und stieß ihn so wuchtig gegen die Wand, daß er stürzte. »Wenn du deine beiden eisernen Helfer rufen willst, dann spar dir die Mühe«, zischte er wütend. »Was von ihnen übrig ist, das liegt in deiner Scheune.«

Selbst Priwinn blickte den Riesen überrascht an. Kim zweifelte jetzt nicht mehr daran, daß die beiden etwas in genau dieser Art vorgehabt hatten - aber der brodelnde Haß in Gorgs Augen schien selbst Priwinn zu verwirren.

Unter der Tür erschien die Bauersfrau, die wohl durch den Lärm angelockt worden war. Sie trug ein kleines Kind auf dem Arm, und als sie ihren Mann am Boden erblickte, da stieß sie einen leisen Schrei aus und rannte an dem Riesen vorbei zu ihm. Erst als sie sich zu ihm herabbeugte, um ihm aufzuhelfen, erblickte sie den zertrümmerten Tisch und das, was darauf lag.

Sie erstarrte mitten in der Bewegung. Kim sah, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich, und mit einemmal begannen ihre Hände so heftig zu zittern, daß er fast fürchtete, sie würde das Kind fallen lassen. Aber als er zu ihr trat, um ihr zu helfen, da fuhr sie mit einer fast entsetzten Bewegung zurück, richtete sich blitzschnell auf und machte ein paar schnelle Schritte, um aus seiner Reichweite zu gelangen. »Warum tut ihr das?« stammelte sie. »Wir ... wir haben euch nichts getan. Warum tut ihr uns das an?«

»Sei unbesorgt«, sagte Priwinn. Er warf einen raschen, fast furchtsamen Blick ins Gesicht des Riesen und gab sich einen sichtbaren Ruck: »Wir werden euch nichts zuleide tun.«

Weder der Bauer noch seine Frau schienen seine Worte überhaupt zu hören. Während der Mann wie erstarrt dasaß und aus leeren Augen auf den zertrümmerten Pferdeschädel starrte, begann die Frau immer heftiger zu zittern. Tränen liefen über ihr Gesicht, aber als Kim sich ihr nähern wollte, da machte sie wieder eine erschrockene Bewegung zurück und preßte gleichzeitig das Baby schützend an ihre Brust. Das Kind begann jetzt zu schreien, und die linke Hand der Frau fuhr in einer beruhigenden Bewegung, die sie wahrscheinlich gar nicht selbst bemerkte, über sein Gesicht.

»Das ist das Ende«, flüsterte der Bauer, der sich mühsam erhoben hatte. Seine Lippen bewegten sich kaum, während er sprach, und sein Blick hing noch immer an dem abgerissenen Pferdehals. Gleichzeitig schien es Kim, als sähe er ihn gar nicht. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck so tiefen Entsetzens, daß Kim schauderte. »Ihr ... Ihr habt mir alles genommen«, murmelte er. »Ihr habt alles zerstört. Jetzt werden sie mir den Hof wegnehmen und das Land, alles. Ich werde in den Gruben arbeiten müssen, bis ich sterbe.«

»Keine Sorge«, sagte Priwinn hart. »Ich werde dich für den Verlust entschädigen.«

Aber es war wie zuvor: Weder der Bauer noch seine Frau hörten seine Worte. »Dir habt alles zerstört«, stöhnte der Bauer noch einmal. »Wir ... wir waren doch nur freundlich zu Euch. Wir haben Euch nichts getan. Wir ... wir wollten doch nur -«