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Einer der Zwerge zog einen Hammer unter dem Umhang hervor, der gut dreimal so viel wiegen mußte wie er selbst, und schlug damit so wuchtig auf den Tisch, daß die Platte aus zollstarkem Eichenholz einen Riß bekam. Jarrn schenkte ihm einen ärgerlichen Blick und wandte sich wieder an Kim. »Du wirst verschiedener Verbrechen beschuldigt. Sehr schwerer Verbrechen.«

»Ach ja?« sagte Kim säuerlich. »Dürfte ich auch erfahren, welcher?«

»Alles zu seiner Zeit«, antwortete Jarrn mürrisch. »Also - bekennst du dich schuldig?«

Kim riß Mund und Augen auf. »Schuldig? Aber ich weiß ja noch nicht einmal, was man mir vorwirft!«

Jarrn seufzte. »Schreiber!« sagte er. »Notiere für das Protokolclass="underline" Der Angeklagte ist uneinsichtig und beleidigt das Gericht, was im Falle einer Verurteilung zu einer Strafverschärfung führen wird.«

»He!« protestierte Kim. »Ich-«

Wieder schnitt ihm Jarrn das Wort ab. »Niemand soll uns Zwergen vorwerfen, daß wir ungerecht wären«, sagte er. »Du hast es zwar nicht verdient, aber du sollst die Gelegenheit haben, dich in einer fairen Verhandlung vor diesem Gericht zu rechtfertigen. Ich nehme an, du hast keinen Verteidiger?«

»Keinen was?!« stöhnte Kim.

»Schreiber!« krächzte Jarrn. »Notiere für das Protokolclass="underline" Dem Angeklagten wird ein Verteidiger vom Gericht zugewiesen.« Sein Blick glitt über die Gesichter der anwesenden Zwerge. »Meldet sich einer von euch freiwillig?«

Betretenes Schweigen breitete sich im Raum aus. Jarrn seufzte. »Na, dann werde ich einen aussuchen«, sagte er. Er deutete auf einen Gnom, der besonders häßlich und klein geraten war. »Du da! Du wirst den Angeklagten verteidigen, so gut du kannst!«

»Ja, aber ...« begann der Zwerg, kam aber nicht weiter, denn Jarrn brüllte ihn an: »Du hast das Gericht zu respektieren, Verteidiger, oder du kannst das Schicksal des Angeklagten teilen!«

Der Zwerg schien unter seinem Umhang angstvoll zusammenzuschrumpfen und sagte während der ganzen übrigen Verhandlung kein Wort mehr.

»So.« Jarrn rückte sich eindeutig zufrieden auf seinem Stuhl zurecht. »Nachdem dem Protokoll Genüge getan worden ist, können wir ja beginnen. Du streitest also alles ab, Angeklagter?«

»Das würde ich vielleicht tun, wenn ich wüßte, was man mir vorwirft«, sagte Kim verstört.

Die Zwerge begannen zu murren, und Jarrn verdrehte die Augen. »Also gut«, seufzte er. »Wenn du unbedingt die Zeit vertrödeln willst ... Da wären zum einen die Zerstörung mehrerer unserer eisernen Männer -«

»Aber ich habe mich doch nur gewehrt!« protestierte Kim. Doch Jarrn fuhr unbeeindruckt fort.

»Des weiteren wäre da der Angriff auf den König des Zwergenvolkes -«

»Woher sollte ich wissen, wer du bist?« verteidigte sich Kim.

»- und letztendlich die Zerstörung unseres Eisendrachen«, schloß Jarrn ungerührt.

Die Worte des Zwerges verschlugen Kim für einen Moment buchstäblich die Sprache. »Aber das war doch nicht meine Schuld!« rief er fassungslos. »Du warst doch dabei! Er hat Rangarig angegriffen und wurde dabei zerstört.« Unter den Zwergen brach so etwas wie ein Tumult los. Einige begannen, ihn wüst zu beschimpfen, andere überschütteten ihn mit Buh-Rufen und Pfiffen oder schrien: »Werft ihn in Ketten!« oder »Schmeißt den Kerl in den Kerker!«, bis Jarrn dem Zwerg mit dem Hammer einen Wink gab, und dieser mit einem lautstarken Schlag, der die Tischplatte vollends spaltete, wieder für Ruhe sorgte.

»Willst du etwa abstreiten, daß der Drache zerstört wurde, während wir dich verfolgten?« fragte Jarrn, wobei er sich vorbeugte und ein Auge zukniff.

»Das ist richtig«, sagte Kim. »Aber ich -«

»Eben!« unterbrach ihn Jarrn triumphierend. »Wärst du also nicht geflohen, hätten wir dich nicht verfolgen müssen, und folglich hätte der Golddrache unseren Eisendrachen nicht angegriffen und zerstört.« Er wandte sich mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck zum anderen Ende der Tafel. »Schreiber! Notiere für das Protokolclass="underline" Der Gefangene ist geständig.«

»Aber das ist doch -« begann Kim, nur um im gleichen Moment von der gesamten Versammlung niedergebrüllt und ausgebuht zu werden. Diesmal dauerte es weitaus länger, bis Jarrn für Ruhe sorgen konnte; und es kostete den langen Tisch zwei seiner zahlreichen Beine. »Es ist vernünftig von dir, nicht weiter zu leugnen«, sagte Jarrn. »Nicht, daß das irgend etwas an dem Urteil ändern würde.«

»Das ohnehin schon feststeht, vermute ich«, murmelte Kim.

Jarrn sah ihn mit ehrlicher Verblüffung an. »Selbstverständlich«, sagte er. »Was hast du denn erwartet?«

Kim wußte nicht, sollte er lachen oder weinen. Die ganze Situation kam ihm vor wie ein bizarrer Traum, aus dem er nur nicht erwachen konnte.

»Nachdem du anscheinend endlich einsichtig wirst«, fuhr Jarrn fort, beugte sich vor und versuchte, die Hände über der Tischplatte zu falten, rutschte dabei abermals vom Stuhl und konnte sich gerade noch im letzten Augenblick an der Tischkante festklammern, »können wir jetzt zu den wirklich schweren Vergehen kommen, die man dir vorwirft. Gibst du sie zu?«

Kim würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Er war mittlerweile felsenfest davon überzeugt, daß er in einen Alptraum geraten war.

Jarrn verdrehte die Augen. »Er gibt es nicht zu«, sagte er. »Verteidiger - dein Mandant ist sehr uneinsichtig. Du solltest auf ihn einreden, damit er seine Lage nicht noch verschlimmert.«

Der Verteidiger verkroch sich unter seiner Kapuze und schwieg.

»Was werft ihr mir also vor?« fragte Kim ruhig.

»Jetzt will er uns auch noch auf den Arm nehmen!«, keifte Jarrn. »Das ist eine unerhörte Beleidigung des Gerichts!« Wieder brach unter den Zwergen Tumult aus. Einige sprangen auf die Sitzfläche ihrer Stühle hoch und schüttelten drohend die Fäuste in Kims Richtung; andere überschütteten ihn mit Flüchen und Verwünschungen - einer griff sogar nach dem vor ihm stehenden Trinkgefäß und schleuderte es in Kims Richtung, verfehlte ihn aber. Jarrn versuchte mit kreischender Stimme, für Ruhe zu sorgen, aber seine Worte gingen in dem allgemeinen Gebrüll einfach unter, so daß er dem Zwerg mit dem Hammer einen Wink gab. Der Zwerg schwang sein Werkzeug im hohen Bogen. Der Hammer krachte auf den Tisch herunter, zwei weitere seiner Beine knickten ein und dann brach der ganze Tisch polternd in sich zusammen. Jarrn, der sich mit den Ellbogen auf der Platte abgestützt hatte, stürzte nach vorn und schlug sich die Nase blutig.

Fluchend kletterte er wieder auf seinen Stuhl empor und starrte Kim haßerfüllt an. »So, du streitest also ab, hierhergekommen zu sein und dich in unsere Angelegenheiten gemischt zu haben? Du streitest ab, dich auf die Seite der Aufständischen geschlagen zu haben, deren einziges Ziel es ist, unsere Geschäfte zu stören und uns zu ruinieren?«

Kim begriff überhaupt nichts mehr. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte er hilflos. »Ich habe doch nur -«

»Ha!« brüllte Jarrn mit vollem Stimmaufwand. »Schreiber! Notiere, daß der Angeklagte geständig ist!«

»Ich sage jetzt überhaupt nichts mehr«, meinte Kim trotzig.

»Er ist auch noch verstockt!« Jarrn fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum. Ein paar der Zwerge neben ihm begannen wieder zu toben und Buhrufe auszustoßen, und der Zwerg am Ende der Stuhlreihe hob seinen Hammer, hatte aber scheinbar vergessen, daß der Tisch nicht mehr dastand. Das schwere Werkzeug sauste in einem Halbkreis nach unten und kappte das Bein des Stuhles, auf dem er saß. Der Gnom vollführte am Ende des Hammerstiels einen perfekten Salto und landete genau unter seinem eigenen, zusammenbrechenden Stuhl.

»Deine Verstocktheit nutzt dir gar nichts«, rief Jarrn böse. »Die Beweise sind erdrückend.«

»Was für Beweise?« murmelte Kim.

, »Du bist hierhergekommen und hast den Lauf der Dinge gestört«, antwortete Jarrn. »Dinge, die dich nichts angehen. Durch deine Schuld sind uns zahlreiche Geschäfte entgangen, und durch deine Schuld wurden zahllose kostbare Werkzeuge zerstört. Aber es wird dir nichts nützen, du Dussel. So wenig wie deinen bekloppten Freunden ihr kleiner Krieg, den sie vom Zaun gebrochen haben.«