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»Brot?«, kreischte die Spinne. Sie klang eindeutig entsetzt. »Ich bin doch kein Karnickel! Ich brauche Fleisch!«

Die Tür ging auf und Grendel streckte den Kopf herein. »Also doch!«

»Ich ... ich sage ihm nur, dass er dem Haus fernbleiben soll!«, stotterte Kim erschrocken. »Ehrlich!«

Grendel blickte eine Sekunde lang zum Fenster und Kim fürchtete schon, dass er zu ihm kommen und einen Blick nach draußen werfen würde, aber dann nickte er nur grimmig und sagte: »Also gut. Aber er täte besser daran, auf dich zu hören. Was das angeht, verstehe ich keinen Spaß!«

Er knallte die Tür zu. Kim atmete erleichtert auf, dann drehte er sich noch einmal zum Fenster. »Du hast ihn gehört.«

»Komische Freunde hast du«, sagte die Spinne.

»Ja«, seufzte Kim. »Da hast du Recht. Du ahnst ja nicht, wie.« Er schloss das Fenster, ließ sich wieder auf das Bett fallen und versuchte das soeben Erlebte irgendwie zu verstehen. Dass Grendel ein alter Sonderling war, war ihm schon lange klar. Trotzdem hatte er ihn bisher für einen recht freundlichen Mann gehalten. Aber das ...

Konnte es sein, dass er ... Angst vor dem Pack hatte?

Und wenn ja, warum?

Mit diesem Gedanken schlief er ein.

Er erwachte kurz vor Sonnenaufgang, weil irgendetwas auf seiner Schulter zappelte. Der sanfte, goldene Schimmer, der durch seine geschlossenen Augenlider drang, verriet ihm, dass Twix zurückgekommen war. Als er die Augen öffnete, sah er, dass die Elfe auf seiner verletzten Schulter saß.

Sie zappelte jedoch nicht herum, sondern blickte aus erschrocken aufgerissenen Augen zum Fenster hoch und zitterte am ganzen Leib.

Als Kims Blick dem der winzigen Elfe folgte, verstand er auch, warum.

Die Spinne hockte vor dem Fenster, presste sich das Gesicht an der Scheibe platt und sabberte vor Gier. »Fleisch!«

»Lass den Quatsch«, murmelte Kim verschlafen. Er setzte sich auf, unterdrückte ein Gähnen und fuhr an die Elfe gewandt fort: »Keine Angst. Sie tut dir nichts.«

»Du hast gut reden«, piepste die Elfe. »Du hast ja auch noch nicht in ihrem Kokon gesessen.«

Kim zog es vor, die Diskussion nicht fortzusetzen, sondern stand ganz auf. Es war kalt. Seine Schulter tat nicht mehr so weh wie am Abend, was wahrscheinlich an Twix' Anwesenheit lag.

»Wo ist Grendel?«, fragte er gähnend.

»Der ist schon zur Arbeit«, antwortete Twix mit einem nervösen Blick zum Fenster empor. »Aber das Frühstück ist fertig.«

»Wie schön«, murmelte Kim. Er stand auf und setzte die Elfe behutsam auf das Bett um sich anzuziehen. Es war wie gestern: Die Kleider passten hervorragend, aber er fühlte sich nicht wirklich wohl dabei, die Kleidung von Grendels verschwundenem Sohn zu tragen. Er fragte sich, wie sich Grendel dabei fühlen mochte ihn darin zu sehen.

Er verließ das Zimmer, verzehrte das reichliche Frühstück, das Grendel für ihn bereitgestellt hatte, und überlegte, wie er den Tag hinter sich bringen konnte. Sein Erlebnis in der vergangenen Nacht hatte ihm gezeigt, dass Grendel vollkommen Recht hatte: Er war eindeutig nicht in der Verfassung, einen Ritt von einer Woche zu bewältigen. Er würde wohl oder übel auf das Schiff warten müssen.

Was wahrscheinlich nichts anderes hieß, als dass er sich eine Woche lang schier zu Tode langweilen würde.

»Grendel ist zur Arbeit?«, wandte er sich an Twix.

Die Elfe nickte nervös und sah zum Fenster.

»Kannst du mir sagen, wo das ist?«

»Schon«, antwortete Twix. »Aber dann müssten wir ... raus. Und ich glaube nicht, dass Grendel das möchte.«

»Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen«, sagte Kim lächelnd. »Und die Spinne tut dir auch nichts, keine Angst.« Er stand auf, setzte die Elfe vorsichtig auf seine Schulter und ging zur Tür.

Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, aber es war bereits hell, wenn auch noch kalt. Wieder fiel ihm die Stille auf. Der kleine Ort lag vollkommen ausgestorben da und mit seinen Bewohnern schienen auch alle Geräusche gegangen zu sein. Selbst die Laute, die seine Schritte verursachten, kamen ihm irgendwie ... falsch vor. Als verschlucke etwas ihre Echos. Kim hatte eigentlich vorgehabt, sich noch einmal in aller Ruhe in den leerstehenden Häusern umzusehen, aber mit einem Mal hatte er es sehr eilig, den Ort zu verlassen.

Twix dirigierte ihn in Richtung Fluss. Er fand Grendel nicht am Ufer, aber das lag nicht etwa daran, dass die Elfe die Unwahrheit gesagt hätte: Grendel befand sich nahezu auf der anderen Seite des Flusses.

Er hatte Kim nie verraten, was er arbeitete, aber nun sah er es: Quer über den Fluss war ein fast handgelenkstarkes Tau gespannt, an dem entlang Grendel ein großes, plump aussehendes Floß hangelte. Trotz der großen Entfernung konnte Kim sehen, wie schwer die Arbeit dem alten Mann fiel.

Es dauerte fast eine Stunde, bevor Grendel das Floß wieder ans diesseitige Ufer gehievt hatte. Er war am ganzen Leib in Schweiß gebadet und atmete schwer.

»Was tust du hier?«, fragte er. »Ich hatte dich gebeten, im Haus zu bleiben. Was, wenn dich jemand sieht?«

»Es ist niemand in der Nähe«, antwortete Kim. »Und im Haus sterbe ich vor Langeweile.«

»Besser als mit einem Pfeil im Rücken«, antwortete Grendel. Er schien noch mehr sagen zu wollen, beließ es aber dann bei einem bloßen Kopfschütteln. Kim hatte das Gefühl, dass Grendel einfach zu müde war um den Streit fortzusetzen.

»Du bist der Fährmann hier«, sagte er. »Deshalb tut dir auch niemand etwas zuleide.«

»Fast niemand«, verbesserte ihn Grendel. »Aber du hast Recht. Jede Seite braucht dann und wann meine Dienste. Ich mische mich nicht ein und sie lassen mich dafür in Frieden.«

Kim betrachtete nachdenklich die Fähre. Das plumpe Gefährt verdiente diesen Namen im Grunde gar nicht. Es war kaum mehr als ein roh zusammengezimmertes Floß mit einem brusthohen Geländer an den beiden langen Seiten, das mittels eines Taues über den Fluss gezogen wurde. Es musste Tonnen wiegen. Kim schauderte allein bei der bloßen Vorstellung, dieses Floß Tag für Tag - womöglich mehrmals - von einem Ufer zum anderen ziehen zu müssen.

»Das ist ein ziemlich schwerer Beruf«, sagte er.

Grendel hob die Schultern. »Man gewöhnt sich daran«, sagte er. »Ich habe mein Leben lang nichts anderes getan, so wie mein Vater vor mir und dessen Vater vor ihm.« Er atmete hörbar ein. »Aber nun solltest du wirklich wieder ins Haus gehen. Ich muss mich auf den Weg machen. In einer Stunde kommt eine Karawane am anderen Ufer an.«

»Eine Karawane?«

Grendel schüttelte den Kopf. »Sie zieht nicht in deine Richtung.« Und damit trat er auf das Floß, griff nach dem Tau und begann mit aller Kraft zu ziehen. Kim sah, wie sich die Muskeln unter seinem Hemd spannten und sich sein Gesicht vor Anstrengung verzerrte. Trotzdem setzte sich das Floß nur zentimeterweise in Bewegung.

Er sah gute zehn Minuten lang zu, wie sich Grendel damit abmühte, das tonnenschwere Floß gegen die Kraft der Strömung auf den Fluss hinauszuziehen.

Dann wusste Kim, was zu tun war.

Er brauchte drei Tage, um seinen Plan in die Tat umzusetzen, und er gestaltete sich wesentlich schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte - zumal er ständig auf der Hut war, um nicht von Grendel überrascht zu werden. Schließlich wollte er sich nicht den Spaß verderben lassen.

Kim nutzte jede Minute, in der Grendel nicht da war oder schlief, um die verlassenen Häuser zu durchstöbern und nach passenden Materialien zu suchen. Dieser Teil seines Planes erwies sich sogar als leichter als erwartet, denn die früheren Bewohner hatten ihre Häuser wirklich Hals über Kopf verlassen und offenbar nur mitgenommen, was sie am Leib trugen. Er fand sowohl eine Werkstatt als auch eine Schmiede und ausreichend Zimmermannswerkzeug; und somit alles, was er brauchte.

Danach begannen die Schwierigkeiten aber erst. Es war eine Sache sich eine höchst komplizierte Gerätschaft wie die, die er brauchte, auszudenken, aber eine ganz andere, sie dann auch zu bauen.