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Es blieb dabei. Der Fluss war reißend, sodass er nicht einmal zu gehen wagte, sondern bei jedem Schritt mit dem Fuß aufstampfte und erst nach sicherem Halt suchte, ehe er zum nächsten Schritt ansetzte, aber die Wassertiefe nahm nicht zu, sondern im Gegenteil eher noch ab, als er wieder zum Floß zurückging. Die Fähre war nicht auf einem Riff aufgelaufen, das zufällig an der richtigen Stelle aus dem Wasser ragte. Es war auf Grund gelaufen. Der Fluss war hier vielleicht vierzig Zentimeter tief.

Es war sehr still. Die Spinne starrte ihn nur an und auch der Pack glotzte, dass Kim wahrscheinlich laut aufgelacht hätte, wäre ihm nach Lachen zumute gewesen. Selbst die Elfe verhielt sich mucksmäuschenstill.

Und auch Kim sagte kein Wort, sondern griff schweigend nach den Zügeln des Pferdes, zog das Tier vom Floß herunter und ging langsam auf das Ufer zu. Pack und die Spinne folgten ihm, schweigend und in einigem Abstand.

Zehn Minuten später erreichten sie mit nassen Füßen, aber ansonsten unversehrt das Ufer und wandten sich nach Westen. Niemand gab auch nur einen Laut von sich.

Erst nach ungefähr einer halben Stunde piepste Twix: »Sagt mal - wie viele Stunden genau habt ihr jetzt auf dem Floß gehockt?«

Die Spinne schoss einen Faden auf sie ab und der Pack fauchte und begann mit Steinen nach der Elfe zu werfen.

Beide Angriffe gingen fehl, aber Twix flog erschrocken davon und selbst Kim war irgendwie froh, dass sich die Elfe für den Rest des Tages nicht mehr blicken ließ.

Im Verlauf der nächsten Stunde wurde ihre Gruppe noch kleiner. Der Pack verschwand schon nach ein paar Minuten wieder in dem fast hüfthohen Gras, das den Fluss auch hier noch an beiden Seiten flankierte. Als wenig später die ersten Bäume vor ihnen auftauchten, da trollte sich auch die Spinne. Sie hatte es zwar nicht zugegeben, aber Kim vermutete, dass sie sich in offenem, deckungslosem Gelände ebenso wenig wohl fühlte wie ihre kleineren Verwandten aus seiner Heimat.

Es gab keinen Grund mehr, weiter zu Fuß zu gehen, sodass Kim in den Sattel kletterte und der Elfe einen Wink gab, wie gewohnt auf seiner Schulter Platz zu nehmen.

Den ganzen Tag über und bis weit in den Abend hinein ritt er nach Westen. Der Fluss würde ihn sicher bis in die Nähe der gläsernen Stadt führen, aber nach allem, was sie erlebt hatten, wagte es Kim nicht mehr, sich ihm anzuvertrauen. Er hätte es gekonnt. Im Laufe des Tages stieß er auf mehr als eine Anlegestelle, an der er Boote und ein einfaches Floß fand. Aber er hatte genug vom Bootfahren und seine beiden Begleiter mit Sicherheit auch. Kim war sich darüber im Klaren, dass er auf diese Weise wahrscheinlich weitere drei Tage brauchen würde um Gorywynn zu erreichen. Es war ihm mittlerweile fast egal. Auch wenn er im Innersten inzwischen so weit war, über seine eigene Ungeschicklichkeit lachen zu können, hatte ihm der Zwischenfall auf dem Fluss doch gezeigt, wie aussichtslos sein Vorhaben war. Das war kein Gegner, gegen den er antreten konnte, niemand, den er überlisten oder überzeugen musste. Diesmal war es, als hätte sich die Natur dieser ganzen Welt gegen ihn gesandt.

Am Abend sah er Licht in der Ferne, aber er dachte nicht einmal ernsthaft daran in diese Richtung zu reiten. Bisher hatte jede Begegnung mit einem anderen Menschen entweder beinahe oder wirklich in einer Katastrophe geendet.

Er verbrachte die Nacht frierend und ohne ein Feuer anzuzünden im Schütze einiger Felsen und als er bei Sonnenaufgang wach wurde, lag ein Leinenbeutel mit Obst und frisch gepflückten Beeren neben ihm. Der Pack war zwar nicht zu sehen, aber ganz offenbar noch immer in seiner Nähe.

Kim verzehrte das einfache Frühstück, trank einen Schluck Wasser aus dem Fluss und ritt dann weiter. Twix, die die Nacht zusammengerollt in seiner Hemdtasche verbracht hatte, flog davon um die nähere Umgebung zu inspizieren, und als sie nach einer halben Stunde zurückkam, brachte sie beunruhigende Neuigkeiten mit. Sie hatte eine größere Anzahl von Reitern entdeckt, die noch ein gutes Stück entfernt waren, sich aber in dieselbe Richtung bewegten wie sie. Die Elfe hatte es nicht gewagt, sich ihnen weit genug zu nähern um ihre genaue Identität zu klären, aber im Grunde spielte es auch gar keine Rolle, welche der beiden Parteien nun hinter ihm her war. Wahrscheinlich waren es sowieso beide.

Kim dachte über die unterschiedlichsten Taktiken und Tricks nach um seine Verfolger abzuschütteln oder sie irgendwie in die Irre zu führen und entschied sich dann für die einfachste Lösung: Auf direktem Wege und so schnell wie überhaupt nur möglich nach Gorywynn zu reiten. Wenn es überhaupt noch einen sicheren Platz auf dieser Welt für ihn gab, dann war es Themistokles' Zauberturm.

Er ritt den ganzen Tag fast ohne Pause, bis das Pferd schließlich nicht mehr konnte und sich einfach weigerte weiterzugehen. Kim machte sich mittlerweile schwere Vorwürfe, das Tier so anzutreiben. Twix' Elfenstaub hatte die Wunde zwar schnell heilen lassen, aber er verlangte wirklich das Letzte von ihm. Doch er hatte keine Wahl. Seine Verfolger würden ihre Tiere ganz bestimmt nicht schonen.

Und ihn auch nicht, wenn sie ihn zu fassen bekamen ...

Er legte eine viel zu kurze Schlafpause ein, stieg lange vor Sonnenaufgang wieder in den Sattel und ritt weiter. Als es hell wurde, schickte er Twix los um nach seinen Verfolgern Ausschau zu halten.

Die Elfe kam viel schneller zurück, als er gehofft hatte. »Sie sind nicht mehr sehr weit weg.« Twix kam ohne Umschweife zur Sache. »Vielleicht eine Stunde. Vielleicht zwei: Wenn du hier bleiben und auf sie warten würdest, heißt das.«

Das hatte Kim natürlich nicht vor. Aber die Worte der Elfe bedeuteten, dass seine Verfolger ihn auf jeden Fall einholen würden, sicher nicht in einer oder zwei Stunden, aber auf jeden Fall im Laufe dieses Tages.

Wie weit war es noch bis Gorywynn?

Er konnte nun keine Rücksicht mehr auf den Zustand des Pferdes nehmen und ritt, so schnell es nur ging. Trotzdem schmolz sein Vorsprung immer rascher dahin. Twix flog noch zwei- oder dreimal los, und als sie zum letzten Mal zurückkam, brauchte sie gar nichts mehr zu sagen. Am Horizont hinter ihr zitterte eine graue Staubwolke.

Schließlich wurde es zu einem wirklichen Rennen. Die Mittagsstunde war gerade angebrochen und die Reiter waren nun so nahe herangekommen, dass Kim sie bereits selbst sehen konnte, nicht nur die Staubwolke, die die Hufe ihrer Pferde aufwirbelte. Vor ihm lag ein sanfter Hügel, auf dem das Gras nicht mehr ganz so hoch war wie bisher. Vielleicht würde er auf der anderen Seite ein Versteck finden. Aber seine Verfolger würden ihn auch spätestens dann sehen, wenn er über diesen Hügel ritt und sich seine Silhouette deutlich vor dem Himmel abzeichnete.

Er hatte keine Wahl. Der Hügel zog sich in beiden Richtungen, so weit er sehen konnte, und wenn er hier blieb, dann würden sie ihn noch schneller einholen.

»Also gut«, murmelte er. »Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss noch einmal alles von dir verlangen.«

»Mit wem sprichst du?«, erkundigte sich Twix.

»Mit dem Pferd«, antwortete Kim lächelnd. »Aber das verstehst du wahrscheinlich nicht.«

»Das verstehe ich wirklich nicht«, bestätigte Twix. »Niemand spricht mit Pferden. Pferde sind dumm.«

Der Hengst wieherte leise, stellte die Ohren auf und schlug mit dem Schweif nach einer Fliege, stellte sich dabei aber so ungeschickt an, dass er die Elfe erwischte. Twix wurde in hohem Bogen davongewirbelt, landete mit einem protestierenden Piepsen im Gras und Kim lächelte flüchtig und tätschelte dem Pferd den Hals.

»Also los!«

Der Hengst setzte sich mit einem gewaltigen Sprung in Bewegung und sprengte den Hügel hinauf und, genau wie er erwartet hatte, erscholl praktisch im gleichen Moment hinter ihm ein vielstimmiger, wütender Aufschrei. Kim widerstand der Versuchung, zu seinen Verfolgern zurückzusehen, sondern sprengte weiter den Hügel hinauf - und hätte im nächsten Moment beinahe selbst aufgeschrien; wenn auch vor Freude. Auf der anderen Seite des Hügels lag Gorywynn. Die gläserne Stadt war noch weit entfernt. Ihre Zinnen und Türme schimmerten wie ein Gebilde aus erstarrtem Sternenlicht in der Sonne, und obwohl er schon auf den allerersten Blick sah, dass die Verheerung auch an Gorywynn nicht spurlos vorübergegangen war, war es doch einer der schönsten Anblicke, die er seit langer Zeit genossen hatte.