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»Es ist normal, dass die Jugend gegen das Alter aufbegehrt«, sagte Themistokles. »Deine Eltern haben das getan, als sie jung waren, und auch du tust es. Und in gar nicht allzu langer Zeit wirst du alt sein und deine Kinder werden sich weigern so zu leben, wie du es für richtig hältst. Nichts anderes geschieht hier.«

»Nur dass wir uns nicht gegenseitig umbringen«, sagte Kim.

»Das ist wahr«, gestand der Krieger. »Und es ist der Grund, aus dem wir hier zusammengekommen sind.« Er deutete auf Themistokles. »Themistokles hat dir nicht alles erzählt. Märchenmond ist nicht wie deine Heimat. Es ist eine magische Welt. Eine Welt, in der die Magie lebt und die durch die Magie lebt. Die Jungen glauben die alte Magie nicht mehr zu brauchen. Aber das ist nicht wahr. Märchenmond wird untergehen, wenn die Magie vollkommen erlischt.«

Kim starrte Themistokles an. »Ist das wahr?«

Statt direkt zu antworten, sagte Themistokles: »Und sie wird erlöschen. Im selben Moment, in dem das letzte Wesen auf dieser Welt aufhört an sie zu glauben.«

Kim wusste, dass er Recht hatte. Er dachte an die toten Elfen, an Twix, die nur leben konnte, solange sie in seiner Nähe war, und an hundert andere vermeintliche Kleinigkeiten, die er auf dem Weg hierher erlebt hatte.

»Dann sollte man es ihnen sagen«, murmelte er. »Kai ist doch nicht dumm! Er muss das begreifen.«

»Vielleicht könnte er es«, sagte Themistokles, »gäbe es nicht den Magier der Zwei Berge.«

»Alles begann, nachdem er aufgetaucht ist«, bestätigte der Krieger.

»Und wie kann das sein?«, fragte Kim. »Wie kann ein Magier euer Feind sein, wenn die Magie erlischt?«

»Ich dachte schon, du stellst diese Frage nie!«, nörgelte die Spinne.

»Wir hatten gehofft, die Antwort von dir zu bekommen«, sagte Themistokles. »Niemand hier weiß es. Vielleicht ist er gar kein Magier, sondern nennt sich nur so. Vielleicht ist seine Magie von einer Art, die wir nicht verstehen. Niemand weiß, wer er ist oder wo er herkommt.«

»Und ihr glaubt, ich wüsste mehr über ihn?«, fragte Kim. »Wieso?«

»Offensichtlich weiß er eine Menge über dich«, sagte der bärtige Mann. »Er hat seine zuverlässigsten Krieger ausgeschickt, damit sie dich zu ihm bringen. Du scheinst von großer Wichtigkeit für ihn zu sein. Möglicherweise hat er auch Angst vor dir.«

»Vielleicht geht es ihm auch nur genau wie euch«, sagte Kim. »Vielleicht weiß er einfach nur, wer ich bin, und glaubt sich vor mir fürchten zu müssen.« Er seufzte tief. »Kai hat mir erzählt, dass viele Eltern ihre Söhne nach mir genannt haben. Das ist eine große Ehre, aber ich fürchte, ihr überschätzt mich. Ich bin kein Held.«

»Du hast unsere Welt gerettet«, sagte der Krieger.

»Zweimal«, fügte ein anderer hinzu.

»Das war etwas anderes«, sagte Kim. »Ich hatte Glück. Ich kann euch nicht dabei helfen, gegen euch selbst zu kämpfen!«

»Kannst du nicht oder willst du nicht?«, fragte der Krieger scharf.

Kim wollte auffahren, aber bevor er dazu kam, auch nur ein Wort zu sagen, wurden draußen vor der Tür aufgeregte Stimmen laut. Kaum einen Atemzug flog die Tür auf und Kai, Wolf und ein gutes Dutzend Bewaffneter stürmten herein, direkt gefolgt von den Männern der Palastwache, von deren drohend erhobenen Schwertern sie sich aber nicht sonderlich beeindruckt zeigten.

Themistokles sprang mit einem solchen Ruck auf, dass sein Stuhl über die Fliesen scharrte und beinahe umgestürzt wäre. »Was bedeutet das?!«, donnerte er. »Kai! Wolf! Was erdreistet ihr euch?«

Seine Stimme war wie Donnerhall. Von einer Sekunde auf die andere war er kein greiser alter Mann mehr, sondern ein mächtiger, Ehrfurcht gebietender Magier, dessen Augen vor Empörung sprühten. Nicht nur Kai und Wolf, sondern auch ihre Begleiter, ja selbst die Männer der Palastwache erstarrten für einen Moment in der Bewegung und blickten ihn mit Furcht auf den Gesichtern an.

»Was bedeutet das?«, fragte Themistokles noch einmal. »Was soll dieser Auftritt?«

»Wir müssen euch sprechen«, sagte Kai trotzig. »Aber man wollte uns nicht vorlassen.«

»Mit gutem Grund«, grollte Gorg. Auch er war aufgestanden und hatte einen Schritt in Richtung der Eindringlinge getan. Er war unbewaffnet, aber er machte dieses Manko durch seine Kraft leicht wieder wett. »Was fällt euch ein, mit Waffengewalt hier einzudringen? Ihr kennt die Regeln!«

»Regeln?« Kai schürzte geringschätzig die Lippen. »Ich kann mich nicht erinnern sie jemals anerkannt zu haben.«

Wolf sagte nichts, sondern sah Gorg nur abschätzend an. Der Riese wollte zornig antworten, aber Themistokles brachte ihn mit einer raschen Geste zum Schweigen.

»Steckt die Waffen ein und wir werden reden«, sagte er. »Und eure Männer werden die Burg verlassen, auf der Stelle!«

Zwei oder drei Sekunden lang geschah gar nichts und Kim konnte fast körperlich fühlen, wie die Spannung wuchs. Ein falsches Wort, eine winzige, unbedachte Bewegung konnte zu einer Katastrophe führen.

Dann fragte Wolf: »Garantiert Ihr für unsere Sicherheit?«

Themistokles' Miene verdüsterte sich noch weiter. »Wollt Ihr mich beleidigen, Wolf?«

»Natürlich nicht«, antwortete Wolf. »Verzeiht.« Er wandte sich zu seinen Begleitern um und nickte, worauf die Männer rasch und ohne den geringsten Widerspruch den Saal verließen. Nur einen Augenblick später folgten ihnen auch Kais Begleiter.

Themistokles gab der Palastwache einen Wink. »Ihr könnt ebenfalls gehen.«

Die Soldaten zögerten, aber dann wiederholte Themistokles seine Geste und sie zogen sich gehorsam zurück. Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, steckten endlich auch Kai und Wolf ihre Schwerter ein.

»Gorg, bitte!«, sagte Themistokles.

Der Riese warf ihm einen fast trotzigen Blick zu, ging dann aber zu seinem Stuhl zurück und setzte sich. Nur Themistokles blieb stehen. Das zornige Funkeln war aus seinen Augen gewichen, aber er wirkte noch immer verärgert. Nicht die geringste Spur eines Lächelns war auf seinem sonst so freundlichen Gesicht zu sehen.

»Also?«, fragte er. »Was wollt ihr?«

»Ich denke, das weißt du genau, alter Mann«, sagte Kai verächtlich. Er deutete auf Kim. »Ihn.«

»Hüte deine Zunge, vorlauter Bengel«, sagte Gorg. »Du wirst Themistokles mit dem gehörigen Respekt gegenübertreten oder ich bringe dir Manieren bei!«

Kai streifte den Riesen mit einem verächtlichen Blick. Dann grinste er und verneigte sich übertrieben spöttisch in Themistokles' Richtung. »Verzeiht, großehrwürdiger Meister der Illusion und des faulen Zaubers«, sagte er höhnisch. »Aber hättet Ihr vielleicht die Güte, uns Euren Gast auszuliefern - bevor wir uns gezwungen sehen Eure Bude kurz und klein zu schlagen?«

Gorgs Gesicht lief puterrot an. Er wollte aufspringen, aber Themistokles brachte ihn erneut mit einer schnellen Geste zur Ruhe.

»Ich fürchte, das geht nicht«, sagte er kühl. »Du hast es ja selbst gesagt: Kim ist unser Gast und somit steht er unter dem Schutz des Gastrechts. Ich kann ihn euch nicht ausliefern.«

»Dann -« begann Kai wütend.

Wolf hob rasch die Hand. »Bitte, Themistokles«, sagte er. »Ich will nicht respektlos erscheinen, aber auch ich bestehe auf der Auslieferung des Jungen.«

Seiner Stimme ging der aggressivfordernde Ton Kais vollkommen ab, aber er klang beinahe noch entschlossener. Kais provozierendes Auftreten war wohl zu einem guten Teil nur Angst, die er auf diese Weise zu überspielen versuchte. Wolf hingegen wirkte nur vorsichtig.

»Und wie stellt ihr euch das vor?«, fragte Kim. »Wollt ihr mich auseinander schneiden, damit jeder die Hälfte bekommt?«