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»Wir einigen uns schon«, sagte Kai feindselig. Dann wandte er sich wieder an Themistokles. »Also?«

»Du weißt, wie meine Antwort lauten muss, Kai«, sagte Themistokles. Seine Stimme klang fast freundlich. »Das Gastrecht ist heilig. Niemand darf es brechen. Ich kann Kim nicht an dich ausliefern. Genauso wenig wie an Euch, Wolf.«

Wolfs Gesicht verdüsterte sich. »Ich habe befürchtet, dass Ihr so antworten würdet, Themistokles«, sagte er. »Und es tut mir sehr Leid. Ich respektiere Euch und ich respektiere diesen Ort. Aber wir können nicht zulassen, dass sich dieser Junge in unser Schicksal einmischt.«

»Was genau meint Ihr damit?«, erkundigte sich Gorg lauernd. Wolf sah den Riesen nicht einmal an. »Gorywynn hat Neutralität geschworen«, sagte er. »Ihr habt euch nie in den Krieg eingemischt und wir haben Gorywynn umgekehrt nicht angegriffen. Ihr habt diese Regel gebrochen, als ihr diesem Jungen Unterschlupf gewährt habt. Wir verlangen seine Auslieferung.«

»An wen?«, fragte Gorg. »Kims Frage ist nicht ohne Berechtigung. Wer von euch beiden soll ihn bekommen?«

»Wir werden diese Frage zu gegebener Zeit klären«, antwortete Wolf. »Bitte zwingt uns nicht, Gewalt anzuwenden.«

»Ihr würdet uns angreifen, nur um Kim zu bekommen?« Themistokles schüttelte den Kopf. »Das glaube ich Euch nicht, Wolf.«

»Ihr solltet es besser wissen«, antwortete Wolf. Er straffte sich. Seine Stimme wurde eine Spur lauter. »Wir geben Euch Zeit bis zum nächsten Sonnenuntergang. Liefert Ihr ihn bis dahin nicht aus, dann holen wir ihn mit Gewalt.«

Das Festbankett war vorbei, nachdem Wolf und Kai gegangen waren. Gorg und einige der Krieger begleiteten die ungebetenen Besucher aus dem Palast, und noch bevor sie zurückkamen, verabschiedeten sich die Gäste, sodass Kim allein mit Themistokles und Sturm zurückblieb.

Kim wartete, bis auch der letzte Bedienstete auf einen Wink des Zauberers hin den Saal verlassen hatte, dann wandte er sich an Themistokles.

»Es tut mir Leid«, sagte er leise. »Das wollte ich nicht.«

»Was wolltest du nicht?«, fragte Themistokles.

»Ich bringe euch in Gefahr«, sagte Kim. »Wenn sie angreifen -«

»- werden wir mit ihnen fertig«, fiel ihm Themistokles ins Wort; allerdings in einem Ton, der den Worten augenblicklich das meiste ihrer Glaubwürdigkeit nahm. »Außerdem werden sie uns nicht angreifen. Das wagen sie nicht.«

Davon war Kim ganz und gar nicht überzeugt, aber er wollte jetzt nicht mit Themistokles über diesen Punkt diskutieren.

»Was ist so wichtig an mir, Themistokles?«, fragte er.

Der alte Zauberer hob die Schultern. »Ich wollte, ich wüsste es«, sagte er und diesmal klangen seine Worte überzeugend. »Kai ist ein ungestümer junger Narr, von dem nichts anderes zu erwarten war. Aber Wolf...« Er wiegte den Kopf. »Ich kenne ihn von früher. Er war eigentlich immer sehr besonnen.«

»Vielleicht liegt es daran, dass du nicht wie die anderen bist«, sagte Sturm. Kim blickte ihn fragend an und er fügte mit einer erklärenden Geste hinzu: »Du hast erlebt, wie es draußen ist. Das Volk hat sich in zwei Lager gespalten. Niemand steht zwischen den Fronten - außer dir. Du bist der Einzige, der weder zu der einen noch zu der anderen Seite gehört.«

»Weil sie beide verrückt sind!«, sagte Kim mit Nachdruck. »Aber du bist der Einzige, der das erkennt«, beharrte Sturm. »Um nicht zu sagen: der Einzige, der dem unheilvollen Einfluss nicht erlegen ist, der ganz Märchenmond ergriffen hat«, sagte Themistokles nachdenklich. »Vielleicht ist es das.«

Kim führte den Gedanken zu Ende. »Du meinst, der Zauberer der Zwei Berge fürchtet sich vor mir.«

»Weil er nicht weiß, was es ist, das dich seinem Einfluss entzieht«, bestätigte Themistokles. »Und bei Wolf ist es genau anders herum. Vielleicht glaubt er mit dir den Schlüssel zum Sieg zu haben.«

»Hat er ihn denn?«, fragte Sturm.

»Ich weiß es nicht«, sagte Themistokles seufzend. »Es ist nur eine Idee. Vielleicht nicht einmal eine besonders gute. Man greift nach jedem Strohhahn, wenn man verzweifelt ist.« Er stand auf. »Bitte entschuldigt mich jetzt. Ich muss ... über vieles nachdenken.«

Er ging. Kim wollte ihn zurückhalten, aber Sturm berührte ihn am Arm und deutete ein Kopfschütteln an. Kim ließ sich wieder zurücksinken und wartete, bis Themistokles die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann fragte er: »Was willst du?«

»Mit dir reden«, antwortete Sturm ernst. Er deutete auf den Pack, auf Twix und die Spinne. »Sind sie vertrauenswürdig?«

»Keine Sorge«, sagte die Spinne. »Du bist viel zu dünn.«

Kim lächelte flüchtig, als er Sturms verdutzten Gesichtsausdruck sah, nickte dann sehr ernst und sagte: »Ich würde ihnen mein Leben anvertrauen.«

»Gut«, sagte Sturm. »Ich muss dir ... etwas erklären. Themistokles wollte nicht, dass ich es dir sage, und er würde es auch bestimmt abstreiten, aber ... es ist meine Schuld.«

Kim verstand nicht, was er meinte. »Was?«

»Das alles hier.« Sturm machte eine weit ausholende Geste. Ein plötzlicher Luftzug löschte einige der Kerzen auf dem Tisch und ließ die Fackeln flackern. »Alles, was passiert ist.«

»Der Krieg zwischen den Alten und den Jungen?«, fragte Kim überrascht.

»Nein, das natürlich nicht«, antwortete Sturm und Gorg fügte von der Tür aus hinzu:

»Und alles andere ebenso wenig.«

Sturm fuhr erschrocken herum und auch Kim drehte überrascht den Kopf. Der Riese war so lautlos hereingekommen, dass sie ihn nicht einmal bemerkt hatten. Gorgs kolossale Erscheinung ließ ihn nur zu leicht vergessen, dass sich der Riese so lautlos wie eine Katze bewegen konnte.

»Themistokles hat vollkommen Recht, dir diesen Unsinn zu verbieten«, fuhr der Riese fort. »Du wirst nichts ändern, wenn du dir die Schuld an allem gibst.«

»Aber es ist meine Schuld!«, protestierte Sturm.

»Wovon redet ihr eigentlich?«, fragte Kim. »Was ist seine Schuld?«

»Dass die Magie erlischt«, sagte Sturm. »Themistokles weiß seit langem, dass Märchenmond in Gefahr ist. Schon als ich hier ankam, war er in großer Sorge. Was er sagt, ist wahr. Er ist der letzte lebende Zauberer. Abgesehen von uns, die wir hier in diesem Raum sind, vielleicht der einzige auf dieser Welt, der noch an die Kraft der Magie glaubt. Also machte er den mächtigsten Zauber, den jemals ein Zauberer versucht hat, um Märchenmond und seine Bewohner zu schützen. Er bannte beinahe all seine Zauberkraft in eine Kugel um ihn an einem sicheren Ort aufzubewahren.«

Kim tauschte einen fragenden Blick mit Gorg, den der Riese mit einem Nicken beantwortete. »Das ist der Grund, aus dem er so ... sonderbar ist. Themistokles besitzt nur noch einen Bruchteil seiner Zauberkraft. Er hat fast all seine Macht in die Kugel gebannt.«

»Damit sie nicht in falsche Hände gerät, falls ihm etwas zustößt«, vermutete Twix. »Aber das ist doch eine gute Idee.«

»Und was ist passiert?«, fragte Kim, als weder Sturm noch Gorg von sich aus weitersprachen, sondern betreten die Blicke senkten.

»Die Glaskugel ging verloren«, sagte Gorg.

»Verloren? Aber wie?«

»Ich habe ihn verloren«, gestand Sturm kleinlaut.

Kim starrte ihn an. Sturm blickte weiter zu Boden und begann mit den Füßen zu scharren. Er fuhr erst nach einer geraumen Weile fort. »Ich habe damit gespielt. Ich wusste nicht, was ich tat. Ich dachte, es wäre nur ein hübscher Gegenstand. Ich habe damit herumgespielt und ... und ihn verloren.«

»Verloren«, murmelte Kim verständnislos. »Aber er muss doch wieder zu finden sein.« Er sah den sommersprossigen Jungen fragend an. »Wo hast du ihn denn verloren?«

»Er ist mir ... hinuntergefallen«, sagte Sturm ausweichend.

»Hinuntergefallen? Wo?«

»Über den Rand«, sagte Sturm.

Kim seufzte. »Bitte, Sturm! Mach es doch nicht so spannend! Über welchen Rand?«