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»Aber ich muss mit ihm sprechen!«, sagte Wolf gerade.

»Wenn du nicht auf der Stelle verschwindest, Wolf, dann wirst du mit niemandem mehr sprechen!«, antwortete Gorg drohend. »Ich scherze nicht! Es ist das zweite Mal, dass du mit einer Waffe in der Hand hierher kommst. Jeder andere an deiner Stelle wäre jetzt bereits tot! Ich habe dich nur um unserer alten Freundschaft willen bisher verschont, aber du solltest den Bogen nicht überspannen!«

Kim wurde hellhörig. Das war eine neue Information, die vielleicht noch einmal von Wichtigkeit sein konnte. Er ging weiter ohne etwas zu sagen. Gorg und Wolf waren so sehr damit beschäftigt, zu streiten, dass sie ihn bisher noch nicht bemerkt hatten. Vielleicht erfuhr er ja noch mehr Einzelheiten.

»Was ist nur aus dir geworden, Gorg?«, sagte Wolf kopfschüttelnd. »Es gab eine Zeit, da hätte man dich nicht zweimal bitten müssen dich für die richtige Seite zu entscheiden.«

»Das habe ich längst«, knurrte Gorg. »Und meine Seite ist dies hier. Wir werden nicht Partei ergreifen. Gorywynn ist neutral.«

»Die liebste Ausrede aller Feiglinge zu allen Zeiten«, sagte Wolf.

»Feigling?« Gorgs Gesicht färbte sich rot. »Ich werde dir gleich zeigen, wer -«

»Gorg!«, sagte Kim.

Der Riese fuhr erschrocken herum und musterte ihn finster, während auf Wolfs Gesicht ein Ausdruck deutlicher Erleichterung erschien.

»Kim!«, rief er. »Du bist es! Das ist gut!«

»Das wird sich noch herausstellen«, sagte Kim kühl. »Du bist zwölf Stunden zu früh. Oder ist dir der Unterschied zwischen Sonnenauf- und Untergang nicht geläufig?«

»Ich bin gekommen um euch zu warnen«, sagte Wolf. »Dich und diesen starrköpfigen großen Tölpel da!«

Die Spinne marschierte mit gemächlichen Schritten an Kim vorbei und begann einen langsamen Kreis um Wolf zu schlagen. Wolf sah nervös auf sie herab, riss sich dann aber mit sichtbarer Anstrengung von ihrem Anblick los und wandte sich wieder an Kim.

»Keiner von meinen Männern weiß, dass ich hier bin«, sagte er. »Tatsächlich wären die meisten nicht damit einverstanden, dass ich euch warne. Gorywynns Neutralität steht auf schwachen Füßen, Kim. Ich persönlich glaube, dass Themistokles gute Gründe hat, sich nicht in den Krieg einzumischen - auch wenn ich sie wohl nie verstehen werde. Viele aus meinem Heer halten euch jedoch einfach für feige. Ihr könnt nicht auf unsere Hilfe zählen, wenn Kais Heer die Festung wirklich angreift.«

»Wer braucht schon eure Hilfe?«, höhnte Gorg.

»Du«, antwortete Wolf ernst. Dann sah er stirnrunzelnd an sich herab. Die Spinne hatte ihre ruhelose Umkreisung unterbrochen und war näher gekommen. Ihre beiden vorderen Beine tasteten prüfend über Wolfs Wade, glitten über das Knie und weiter seinen Oberschenkel hinauf.

»Nicht schlecht«, sagte sie nachdenklich. »An ihm ist sehr viel mehr dran als an der halben Portion, mit der du das letzte Mal zusammen warst.«

»Beachte sie gar nicht«, sagte Kim. »Also, Wolf: Was willst du?«

»Euch warnen«, antwortete Wolf. »Kais Heer hat während der Nacht Verstärkung erhalten. Sie sind uns zwanzig zu eins überlegen. Selbst wenn wir es wollten - wir könnten euch nicht beschützen. Ich bin ziemlich sicher, dass er Gorywynn angreifen wird, wenn du dich ihm nicht stellst.«

»Damit werden wir schon fertig«, sagte Gorg.

»Zwei Wochen«, murmelte die Spinne. »Wenn nicht sogar drei.«

»Ihr haltet keine zwei Stunden gegen sie durch!«, sagte Wolf zornig. »Und jetzt hör endlich auf an mir herumzufummeln, du hässliches Vieh!«

»Ich bin nicht hässlich!«, protestierte die Spinne. »Ich bin vielleicht zu dünn, aber das kommt nur, weil -«

»Ich glaube, das hat sie nicht gemeint«, sagte Kim rasch.

»Jedenfalls danken wir dir für deine Warnung, Wolf.«

Der Krieger starrte ihn fassungslos an. »Hast du denn nicht verstanden?«, fragte er. »Sie werden dich holen! Kais Heer wartet nur auf einen Vorwand um Gorywynn in Schutt und Asche zu legen! Willst du zusehen, wie all deine Freunde sterben? Deinetwegen?«

»Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«, fragte Kim.

»Komm mit mir«, sagte Wolf. »Du hast nichts zu befürchten. Im Gegenteil. Wir sind deine Freunde.«

Gorg lachte schrill und auch Kim schüttelte den Kopf und zog eine Grimasse. »Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, hatte ich nicht das Gefühl, dass du mich in dein Herz geschlossen hast.«

»Das war etwas anderes«, behauptete Wolf. »In jenem Gasthaus wusste ich nicht, wer du warst. Ich hielt dich für einen Spion! Du hast gesehen, was Kais Heer angerichtet hat!«

Kim glaubte ihm sogar. Allein sein Alter hatte ihn ganz automatisch zu einem Todfeind der Männer gemacht, die er in jenem Gasthof getroffen hatte. Streng genommen konnte er von Glück sagen, dass er überhaupt noch lebte.

»Und warum habt ihr mich später verfolgt?«, fragte er. »Nur um mich vor Kai und seinem Heer zu schützen?«

»Ich könnte jetzt ja sagen«, antwortete Wolf, »aber das wäre nicht die Wahrheit. Der eine Grund war, dass der Magier der Zwei Berge alles unternimmt um dich in seine Gewalt zu bekommen. Du musst unglaublich wichtig für ihn sein.«

»Das habe ich mir auch schon gedacht«, sagte Kim. »Aber ganz ehrlich, Wolf: Ich weiß nicht, warum. Und was ist der andere Grund?«

»Du«, antwortete Wolf ohne Umschweife. »Ganz einfach, weil du du bist.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Kim.

»Du hast unsere Welt schon zweimal vor dem sicheren Untergang bewahrt«, antwortete Wolf.

»Das mag ja alles sein, aber das war auch etwas völlig anderes«, beharrte Kim. »Bitte, Wolf - ich weiß nicht, wofür ihr mich haltet, aber was immer es sein mag: Es stimmt nicht. Ich bin ein ganz normaler Mensch.«

»Du bist ein Held«, beharrte Wolf. »Dein Name ist eine Legende. Ich persönlich halte dich nicht für etwas Besonderes. Du hast Mut und du bist nicht dumm, aber das gilt auch für viele andere. Doch was ich glaube, das spielt keine Rolle. Ich kann dich aus der Stadt bringen. Kai wird Gorywynn nicht angreifen, wenn du nicht mehr da bist.«

»Wie nobel«, spottete Gorg.

»Und was hättest du davon?«, wollte Kim wissen.

»Dich«, antwortete Wolf mit unerwarteter Offenheit. »Ich will ehrlich sein: Wir sind dabei, diesen Krieg zu verlieren: Viele meiner Männer sind des Kämpfens müde. Väter wollen nicht mehr gegen ihre Söhne kämpfen und Brüder nicht mehr gegen ihre jüngeren Brüder. Noch gewinnen wir die meisten Schlachten, aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Ich brauche etwas um meinen Kriegern wieder Mut zu geben.«

»Mich.«

»Dich«, bestätigte Wolf. »Mit dir an unserer Spitze können wir gewinnen.«

»Ich weiß nicht einmal, an welcher Seite man ein Schwert anfasst«, behauptete Kim.

»Selbst wenn das die Wahrheit wäre - was es nicht ist -«, antwortete Wolf, »wäre es egal. Du musst nicht kämpfen. Schließ dich uns an, mehr verlange ich nicht. Das allein würde uns die Kraft geben weiterzukämpfen.«

Kim antwortete nicht gleich. Wolfs Worte waren ehrlich gemeint, das spürte er. Und vermutlich hatte er sogar Recht. Er war nicht irgendwer. Er hatte diese Welt zweimal gerettet, wenn auch unter Umständen, die mit diesen hier nicht zu vergleichen waren. Trotzdem rankten sich um seinen Namen Legenden. Eltern nannten ihre Söhne nach ihm und wahrscheinlich wurden an langen Winterabenden seine Taten immer und immer wieder erzählt.

Vielleicht könnte er Wolf und seinen Kriegern tatsächlich zum Sieg verhelfen, ganz einfach, indem er sich ihnen anschloss. Und die Verlockung war für einen Moment sehr groß. Allein der Gedanke, noch einmal an der Spitze eines gewaltigen Heeres in die Schlacht zu reiten, in dem sicheren Wissen auf der richtigen Seite zu stehen und eine ganze Welt vor dem Untergang zu bewahren, hatte etwas ungemein Verlockendes.