Выбрать главу

»Aber wieso sind sie plötzlich wieder hier«, wunderte sich Kim, »wenn ihre Zeit doch schon so lange vorbei ist?«

»Woher soll ich das wissen?«, fragte Twix. »Vielleicht weil die Magie erlischt? Die Skull sind gegangen, als die Menschen kamen, denn sie ertragen keine Magie.«

»Menschen sind keine magischen Wesen«, sagte Kim, aber Twix reagierte mit einem unerwartet heftigen Kopfschütteln. »O doch«, antwortete sie, »das seid ihr, die meisten von euch wissen es nur nicht.«

Kim wollte jetzt nicht über diese sonderbare Antwort nachdenken. »Du sagst also, sie kommen zurück, weil die Magie erlischt«, sagte er. »Aber das ist unmöglich! Ich meine, wenn sie nicht mehr da sind und das seit so langer Zeit, dann sind sie doch ausgestorben!«

»Nichts stirbt wirklich«, antwortete Twix, »so wie nichts wirklich unsterblich ist. Jedenfalls tauchen sie überall auf, wo sich die Magie zurückzieht und damit die Menschen.«

»Weiß Kai davon?«, fragte Kim.

»Natürlich«, antwortete Twix. »Er will es bloß nicht wahrhaben. Er ist wie ihr alle. Was euch nicht gefällt, das nehmt ihr einfach nicht zur Kenntnis!«

»Da wäre ich nicht so sicher«, sagte Kim. »Ich werde auf jeden Fall mit ihm reden.«

»Er wird dir gar nicht zuhören«, prophezeite Twix.

Und damit sollte sie Recht behalten.

Zwei Tage ritten sie nach Osten. Da sie so viele waren, kamen sie nicht annähernd so schnell voran, wie Kim es auf dem Weg hierher möglich gewesen war. Trotzdem legten sie ein gehöriges Stück zurück, denn Kai trieb seine Leute unbarmherzig an und gönnte ihnen nur die allernotwendigsten Pausen.

Nach ihrem kurzen Streitgespräch am Morgen war Kai noch einsilbiger geworden. Er sprach nur noch das Nötigste mit Kim, beharrte aber trotzdem darauf, dass er an seiner Seite an der Spitze des Heers blieb. Zudem wurde er immer nervöser. Oft sah Kim, wie er sich im Sattel herumdrehte und aus eng zusammengepressten Augen den Horizont absuchte, als erwarte oder befürchte er etwas oder jemanden zu sehen.

Und auch die Landschaft, durch die sie ritten, wurde immer abweisender.

Kahle, blattlose Bäume wechselten sich mit verdorrten Wiesen und steinigen Feldern ab. Die wenige Vegetation, die sie überhaupt noch zu Gesicht bekamen, bestand meist aus dürrem, blassem Gras und dornigen Büschen, die kaum Blätter trugen. Wenn es in diesem Teil des Landes jemals schon Menschen gegeben hatte, so mussten sie es vor langer Zeit verlassen haben, da nicht einmal die geringste Spur zurückgeblieben war.

Und trotzdem kam ihm ihre Umgebung mehr und mehr bekannt vor. Kim war ziemlich sicher, noch nie hier gewesen zu sein, und trotzdem hatte er in immer stärkerem Maße das Gefühl, sie einfach kennen zu müssen.

Am Abend des dritten Tages nach dem Zwischenfall mit dem Skull erreichten sie die Kuppe einer flachen Hügelkette. Kai hielt sein Pferd an um sich wieder einmal im Sattel herumzudrehen und den Horizont hinter ihnen abzusuchen, während Kim weiter nach Osten blickte, in die Richtung, in die sie zogen.

Um ein Haar hätte er laut aufgeschrien.

Endlich begriff er, woher das unheimliche Gefühl gekommen war, schon einmal hier gewesen zu sein.

Er war es tatsächlich. Nur hatte sich das Land auf so furchtbare Weise verwandelt, dass er es kaum wieder erkannt hatte. Ein bisschen hatte er sich tatsächlich so verhalten, wie Twix es von den Menschen behauptet hatte: Er hatte einfach die Augen vor der Wahrheit verschlossen.

Nun aber konnte er es nicht mehr.

Vor ihm erstreckte sich eine weite, baumbestandene Ebene, auf dem die zerborstenen Überreste des gewaltigsten Baumes lagen, den ein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hatte. Allein der auseinander gebrochene Stumpf war so hoch wie ein Berg und sein Umfang so groß, dass eine Stunde nicht ausreichen würde um ihn herum zu reiten.

Ja, er war schon einmal hier gewesen. Damals hatte der Baum noch unversehrt und in seiner gewaltigen Pracht dagestanden, groß genug um auf seinen weit gespannten Asten einer ganzen Stadt mit Hunderten und Aberhunderten von Menschen Platz zu bieten.

Nun war dieses Wunderwerk der Natur zerstört. Die riesigen Äste lagen zersplittert am Boden, Häuser und Brücken waren in Brüche gegangen, all die Wunderwerke, an denen Mensch und Natur gemeinsam über unendliche Zeit hinweg gearbeitet hatten, unwiederbringlich zerstört. Sie waren noch viel zu weit entfernt um etwas von der Größe eines Menschen zwischen den umherliegenden Trümmern ausmachen zu können, aber Kim spürte einfach, dass dort unten kein Leben mehr war.

»Habt... ihr das getan?«, fragte er stockend.

»Wir?« Kai sah ihn regelrecht schockiert an. »Natürlich nicht! Wofür hältst du uns? Aber wir haben sie gewarnt, dass das passieren würde. Sie wollten nicht auf uns hören. Es gab sehr viele Opfer, als der Baum zusammenstürzte.«

»Gewarnt? Wieso? Woher konntet ihr wissen, was passiert?«

»Weil es unnatürlich ist!«, sagte Kai heftig. »Es war Magie, die dieses ... Gebilde überhaupt erst ermöglichte! Sie musste eines Tages versagen!«

»Weil ihr aufgehört habt an sie zu glauben«, sagte Kim.

Kai schürzte verächtlich die Lippen. »Magie!« Er sprach das Wort aus wie eine Beschimpfung. »Wir brauchen eure verdammte Magie nicht!«

»Ohne sie wärt ihr alle gar nicht hier!«, sagte Kim.

»Ja«, gab Kai unumwunden zu. »Das ist wahr. Und ich gestehe auch gerne, dass sie früher ihren Sinn hatte und gut und wichtig war. Aber die Dinge ändern sich. Die Zeit bleibt nicht stehen. Was früher gut war, das ist heute nicht mehr von Nutzen. Vielleicht wird, was heute gut ist, irgendwann auch nicht mehr gebraucht. Aber für uns zählt das Jetzt. Unser Leben, Kim. Und wir brauchen keine Zauberer mehr.«

»Wenn du dich da nur nicht irrst«, sagte Kim.

»Kaum«, antwortete Kai. »Und außerdem habe ich gar keine Lust, mit dir darüber zu streiten. Steig ab, wir lagern hier.«

»Hier?« Kim war überrascht. Es waren noch gute zwei Stunden bis Sonnenuntergang und Kai hatte an den vorherigen Tagen keine Minute Tageslicht verschenkt.

Da Kai nicht reagierte, sondern sich aus dem Sattel schwang, drehte er sich noch einmal herum und blickte in die Richtung, in die Kai vorhin so konzentriert gestarrt hatte.

Der Horizont war nicht mehr leer. Eine Anzahl winziger dunkler Punkte bewegte sich auf sie zu, zwei, drei... vielleicht ein halbes Dutzend. Zweifellos die, auf die Kai gewartet hatte. Kim hatte plötzlich ein sehr ungutes Gefühl.

Was hatte er vor drei Tagen gesagt? Ich habe Vorsorge getroffen, dass das nicht passiert.

Kim hatte plötzlich das fast sichere Gefühl, dass es ein schwerer Fehler wäre, hier zu bleiben, bis das halbe Dutzend Gestalten eingetroffen war.

»Worauf wartest du?«, fragte Kai ungeduldig. »Auf einen roten Teppich?«

Kim wies auf die dunklen Punkte am Horizont. »Wer ist das?«, fragte er.

»Nur ein paar Reiter, die den Kontakt zum Rest des Heeres aufrecht erhalten«, antwortete Kai. Seine Stimme klang überzeugend, aber der Ausdruck seiner Augen strafte seine Worte Lügen. »Steig endlich ab. Wir haben viel zu tun. Als unser tapferer Ehrengast musst du zwar keinen Finger rühren, aber steh wenigstens nicht im Weg herum. Also steig endlich ab!«

»Ich glaube nicht, dass ich das möchte«, antwortete Kim zögernd.

»So?« Kai lächelte spöttisch. »Und was möchtest du, du Held?«

Kim blickte verstohlen in die Runde. Die Krieger hatten ihre Diskussion natürlich mitbekommen und sahen neugierig oder alarmiert in ihre Richtung. Aber sie bildeten noch immer die Spitze des Heeres. Zwischen ihnen und den Übrigen war ein gewisser Abstand.

Kai folgte seinem Blick und plötzlich erschien ein Ausdruck jähen Erschreckens auf seinem Gesicht. Er hatte verstanden, was sich hinter Kims Stirn abspielte.