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»Ja«, sagte sie, musterte die Truhe und fragte sich, was darin sein mochte. »Ich werde dafür sorgen, dass er sie bekommt.«

Nekaun deutete auf die Truhe. Imi blinzelte, als der Deckel sich von selbst öffnete. Nein, mit Hilfe von Magie, korrigierte sie sich. Er kann Magie benutzen, genau wie Imenja.

Als sie sah, was in der Truhe lag, vergaß sie alles andere. Goldene Kelche und Krüge, feines, leuchtend buntes Tuch, Behältnisse mit den süßen getrockneten Früchten, für die sie eine solche Leidenschaft entwickelt hatte, außerdem wunderschöne Glasflaschen, die voller Parfüm sein mussten, wie die Düfte verrieten, die aus der Truhe kamen.

»Vielen Dank!«, flüsterte sie, bevor sie sich wieder zu Nekaun umwandte und den Rücken durchdrückte. »Ich nehme das Geschenk an und danke dir im Namen von König Ais von den Elai.«

Er nickte förmlich. »Möge deine Heimreise schnell sein, das Meer sanft und das Wetter schön. Mögen die Götter dich behüten und bewahren.« Er bewegte die Hände über die Truhe und zeichnete das Muster in die Luft, das Imenja einen »Stern« nannte, und die übrigen Pentadrianer folgten seinem Beispiel. »Leb wohl, Prinzessin Imi. Ich hoffe, dass ich dich irgendwann wiedersehen werde.«

»Das hoffe ich auch«, erwiderte sie.

Er deutete auf die beiden Männer, die die Truhe anhoben. »Ich werde euch zu den Sänften begleiten.«

Zwischen Nekaun und Imenja ging sie auf die überwölbten Öffnungen zu. Als sie aus dem Gebäude ins Freie traten, hielt sie den Atem an.

Eine breite Treppe führte hinunter zu einer großen Menschenmenge. Sie standen zwischen den Häusern, ein endloses Meer von Gesichtern. Als Nekaun, Imenja und Imi erschienen, brachen die Menschen in Jubel aus und winkten, und ihre Stimmen schwollen zu einem Tosen an, das gleichzeitig erregend und erschreckend war. Imi hatte noch nie zuvor so viele Menschen an einem einzigen Ort gesehen.

Sie zögerte, dann zwang sie sich, weiter die Treppe hinunterzugehen. Vor der untersten Stufe standen barbrüstige Landgeher neben einer glitzernden, mit Kissen bedeckten Plattform. Imenja lächelte Imi zu und schob sie auf die Plattform hinauf. Nekaun blieb auf der Treppe stehen.

Die barbrüstigen Männer bückten sich, um nach den Stäben zu greifen, die aus den Seiten der Plattform herausragten. Ein anderer Mann blaffte einen Befehl, und die Plattform hob sich. Imi klammerte sich an den Seiten fest. Obwohl die Männer sich geschmeidig und gleichmäßig bewegten, beunruhigte es sie, so weit über dem Boden getragen zu werden.

Jetzt kamen zwei Reihen schwarzgewandeter Männer und Frauen die Treppe herunter und gingen zu beiden Seiten an der Plattform vorbei. Die Menge teilte sich, um die Männer durchzulassen, die Imenja und Imi die Straße hinuntertrugen. Imi drehte sich nach Nekaun um, der zum Abschied eine Hand gehoben hatte.

Als sie ebenfalls die Hand heben wollte, flogen mit einem Mal bunte Gegenstände um sie herum. Sie zuckte zusammen, dann lachte sie erfreut auf, als duftende Blütenblätter auf die Plattform herabregneten.

»Tun sie das immer?«, fragte sie, während sich zu ihren Füßen weitere Blätter sammelten.

»Das kommt auf das Ereignis an«, antwortete Imenja. »Die Menschen versammeln sich gern hier, wenn sie wissen, dass die Chance besteht, eine der Stimmen zu sehen, insbesondere Nekaun. Aber Blumen bekommen wir bei solchen Anlässen nicht. Die werfen sie dir zu Ehren.«

»Warum?«, fragte Imi, geschmeichelt und erstaunt gleichermaßen.

»Du bist eine Prinzessin. Es ist eine Tradition, einen großen Wirbel um Adlige zu machen. In vergangenen Zeiten erwartete man von einem Monarchen und seiner Familie, dass sie die Geste erwiderten, indem sie Münzen warfen, aber diese Tradition endete, als vor fast einem Jahrhundert der letzte avvensche König starb.«

»Ihr habt keinen König?«

Imenja schüttelte den Kopf. »Seither nicht mehr. Der König hatte keine Erben, und das Volk hat sich entschieden, dass statt eines Königs in Zukunft die Stimmen herrschen sollten. Wir herrschen auch in Mur weiter oben im Norden, durch einen Ergebenen, den die ortsansässigen Götterdiener wählen. In Dekkar, das südlich von hier liegt, folgen die Menschen noch immer einem Hochfürsten – obwohl sein Nachfolger von den Göttern ausgewählt wird, nicht durch Fortsetzung der direkten Linie.«

»Wie teilen die Götter den Menschen mit, welchen Mann sie ausgewählt haben?«

»Die Kandidaten müssen sich Prüfungen unterziehen, in denen ihre Tüchtigkeit, ihre Ausbildung und ihre Eignung zum Anführer ermittelt werden. Derjenige, der alle Prüfungen besteht, wird zum Hochfürsten.«

»Also sorgen die Götter dafür, dass derjenige, den sie bevorzugen, die Prüfungen besteht.«

Imenja nickte. »Ja.«

»Warum bin ich noch nie auf den Gedanken gekommen, danach zu fragen?«, sagte Imi. »Man sollte meinen, eine Prinzessin würde dergleichen Dinge wissen. Ich nehme an, ich bin keine gute Prinzessin.«

»Du bist eine wunderbare Prinzessin«, erwiderte Imenja lächelnd. »Man hat dich nur deshalb nicht gelehrt, derartige Fragen zu stellen, weil dein Vater nicht damit gerechnet hat, dass du jemals in eine solche Situation geraten würdest.«

Bei dem Gedanken an ihren Vater verzog Imi das Gesicht. »Er wird so wütend auf mich sein.«

Imenjas Lächeln wurde breiter. »Warum?«

»Weil ich Regeln gebrochen und mich in Schwierigkeiten gebracht habe.«

»Ich glaube nicht, dass ihn das auch nur im Geringsten interessieren wird. Wenn er dich sieht, wird er einfach glücklich darüber sein, dich zurückzuhaben.«

Imi seufzte. »Ich werde auch glücklich sein, wenn ich wieder zu Hause bin. Es macht mir nichts aus, wenn ich in meinem Zimmer bleiben oder ein Jahr lang zusätzliche Unterrichtsstunden nehmen muss, ich werde nie wieder eine Regel brechen.«

Die Plattform drehte sich. Imi sah, dass sie in eine andere Straße getragen wurden. In der Ferne konnte sie das Meer und die winzigen Umrisse von Schiffen erkennen. Ein weiterer Blütenregen ging auf sie nieder, und ihr wurde leichter ums Herz.

Ich wünschte, Vater könnte all das sehen, dachte sie. Dann würde er seine Meinung über die Landgeher vielleicht ändern. Sie sind nicht alle schlecht. Plötzlich lächelte sie. Wenn er Imenja kennen lernt, wird er das selbst erfahren.

Gerade als Auraya landete, trat Sprecher Veece aus der Laube.

»Ich danke dir, Auraya von den Weißen«, sagte er, als sie ihm Wasserschläuche und Körbe mit Früchten, kaltem Fleisch und Brot reichte.

Sie lächelte. »Nach all der Arbeit, die wir aufgewandt haben, können wir nicht zulassen, dass du uns verhungerst.« Helles Sonnenlicht fiel auf die Plattform und die Laube, so dass es schwer wurde, etwas in dem düsteren Innern der Behausung zu erkennen. »Wie geht es den anderen?«

»Gut. Wilar meint, wir seien alle geheilt. Wir müssen allerdings warten, bis der Rest des Dorfes sich ebenfalls erholt hat, bevor wir uns hinauswagen dürfen, und wir müssen im Dorf bleiben und allen Besuchern aus dem Weg gehen, bis die Krankheit aus Si vertrieben ist.«

»Er hat recht.« Sie verzog das Gesicht. »Es ist schwer, Geduld zu haben, aber du kannst dir sicher sein, dass die Krankheit euch töten würde, sollte einer von euch sich noch einmal anstecken. Ihr müsst vorsichtig sein, vor allem Besuchern gegenüber.«

Er seufzte und nickte. »Das werden wir. Wie du schon sagtest, wir wollen nicht, dass all eure Bemühungen vergeudet waren.« Er ging an den Rand der Plattform und blickte zu den anderen Lauben hinüber. »Ihr habt uns gerettet, du und Wilar. Wir stehen in eurer Schuld.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ihr schuldet mir nichts. Ich…«

Auraya?

Priester Magen?

Ich bin es. Wie ergeht es dem Stamm vom Nordfluss?

Sie erholen sich gut.

Ich habe soeben schlechte Nachrichten bekommen. Die Siyee haben drei kranke Kinder zu mir gebracht. Alle haben Herzzehre. Anscheinend sind sie von ihren kranken Freunden besucht worden, denjenigen, die wir direkt außerhalb des Offenen Dorfs isoliert haben, und sie haben sich angesteckt. Ich befürchte, dass sie die Krankheit noch weiter verbreitet haben.