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»Warum sollten sie das tun?«

Reivan seufzte. »Wegen des Krieges.«

»Ah, ja.« Imi runzelte die Stirn. »Die Siyee sind Verbündete der Weißen Zauberer. Sie müssen die Pentadrianer als ihre Feinde betrachten.«

»Die Vierte Stimme Genza ist vor dem Krieg nach Si gereist, um so viel wie möglich über die Siyee in Erfahrung zu bringen, aber bevor sie herausfinden konnte, ob sie gute Verbündete abgeben würden oder nicht, haben die Weißen eine ihrer eigenen Zauberinnen hingeschickt. Diese Frau verfügt über eine ungewöhnliche Befähigung, die es ihr ermöglicht zu fliegen. Danach konnte Genza die Siyee nicht mehr auf unsere Seite ziehen.«

Imi blickte mit leuchtenden Augen auf. »Das ist dieselbe Zauberin, die nach Elai gekommen ist. Sie hat angeboten, die Plünderer für uns zu vertreiben, sofern wir als Gegenleistung ihrem Volk geholfen hätten.« Mit einem Mal weiteten sich ihre Augen. »Wenn wir darauf eingegangen wären, wären wir jetzt auch eure Feinde. Ich bin froh, dass Vater sie weggeschickt hat.«

Erregung stieg in Reivan auf. »Er hat sie weggeschickt?«

»Ja. Vater mag die Landgeher nicht. Er hat ihr nicht vertraut.«

»Glaubst du, dass er uns vertrauen wird?«

Imi zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Aber er wird glücklich sein, dass ihr mich zurückgebracht habt.« Sie kniff die Augen zusammen. »Hast du vor, ihn zu fragen, ob wir uns mit euch verbünden wollen?«

Die kluge Bemerkung des Mädchens entlockte Reivan ein schwaches Lächeln. »Vielleicht. Wir verbünden uns nicht mit jedem.«

Imi verzog die Lippen zu einem entschlossenen Lächeln. Reivan wandte den Blick ab und hoffte, dass ihre Miene ihre Erheiterung nicht verraten würde.

»Werdet ihr noch einmal versuchen, die Freundschaft der Siyee zu gewinnen?«, erkundigte sich Imi.

Reivan schüttelte den Kopf. »Wenn wir das tun, dann erst in ferner Zukunft. Die Siyee sind zu eingefahren in ihren Ansichten.«

»Es wäre gut, wenn ihr ein Bündnis mit ihnen eingehen würdet. Die Siyee und die Elai sind schon immer Freunde gewesen. Unsere beiden Völker haben mehr miteinander gemein als mit den Landgehern. Wir haben beide Probleme mit ihnen.« Sie hielt inne und dachte einen Moment lang nach. »Und wir sind beide von Huan erschaffen worden.«

»Die Elai glauben, sie seien von einem zirklischen Gott erschaffen worden?«, fragte Reivan und drehte sich um, um Imi forschend zu mustern.

Das Mädchen hob die Schultern. »Das ist es, was die Priester sagen.«

»Wie interessant.« Reivan hoffte, dass sie eher nachdenklich als erschrocken wirkte. Ihr Herz schlug jetzt ein wenig schneller. Hatte Nekaun das gewusst? Wenn er es gewusst hätte, hätte er bestimmt nicht geglaubt, dass es der Mühe lohnte, Imi nach Hause zu bringen, um die Elai auf ihre Seite zu ziehen.

Wenn Imi darüber nachgedacht hätte, hätten Nekaun oder Imenja davon erfahren. Wenn sie nicht Bescheid wissen, bedeutet das, dass Imi bisher nicht darüber nachgedacht hat – oder zumindest nicht in ihrer Anwesenheit. Trotz all der Dinge, die dem Mädchen widerfahren waren, konnte sein Geist sich während seines Aufenthalts im Sanktuarium nicht allzu oft ihrer Göttin zugewandt haben. Vielleicht war die Religion für die Elai nicht allzu wichtig?

»Betest du zu diesem Gott?«, fragte Reivan.

Imi rümpfte die Nase. »Nur, wenn die Priester mich dazu zwingen. Als ich noch klein war, habe ich immer gebetet, wenn ich etwas wollte, aber die Priester sagen, Huan habe zu viel zu tun, um dafür zu sorgen, dass kleine Mädchen die Geschenke bekommen, die sie sich wünschen. Also habe ich beschlossen, nur dann zu beten, wenn ich etwas Wichtiges brauchte.«

»Hast du gebetet, als du in Gefangenschaft warst?«

»Einige Male.« Imis Miene war bekümmert. »Ich schätze, ich war aus der Übung. Vater betet auch nicht viel – und manchmal macht er wütende Bemerkungen, wie zum Beispiel, dass Huan die Plünderer davon abhalten würde, sich auf unseren Inseln niederzulassen, wenn ihr wirklich etwas an uns gelegen wäre. Er sagt, sie habe uns schon vor Jahren im Stich gelassen.«

Reivan nickte mitfühlend. Sie öffnete den Mund, um Imi zuzustimmen, hielt dann jedoch inne. Wie konnte sie ihre Missbilligung über die Untätigkeit eines anderen Gottes äußeren – selbst wenn dieser Gott nicht existierte -, nachdem ihre eigenen Götter zugelassen hatten, dass ihr Volk im Krieg besiegt wurde?

»Die Götter sind rätselhaft«, sagte sie stattdessen. »Wir verstehen nicht immer, warum sie etwas tun – oder nicht tun. Sie betrachten die Welt etwa wie ein Vater oder eine Mutter. Manchmal erscheinen die Taten von Eltern einem Kind grausam und ungerecht, aber später begreift es dann, dass das Geschehene zu seinem Wohl war.«

Imi nickte langsam, und ihre Miene spiegelte starke Gefühle wider.

»Ah! Gesellschaft!«

Es war Imenja, die auf sie zukam und jetzt zum Himmel hinaufdeutete.

»Sie kommen her, um uns in Augenschein zu nehmen«, sagte sie.

Imi blickte in die Richtung, in die Imenja gewiesen hatte, und sog scharf die Luft ein. Im nächsten Moment sah auch Reivan fünf große Vögel auf das Schiff zuschweben.

Kein Vögeclass="underline" Siyee.

»Du solltest dich besser verbergen, Imi«, sagte Imenja, als sie neben sie getreten war. »Wir wissen noch nicht, wie sie auf uns reagieren werden – oder auf die Tatsache, dass du dich mit uns zusammengetan hast. Lasst uns unsere Chancen, ihre Unterstützung zu gewinnen, nicht verringern.«

Das Mädchen ließ sich widerstrebend von der Frau in den Pavillon in der Mitte des Schiffes führen. Kurze Zeit später kehrte Imenja an Reivans Seite zurück. Die Siyee waren jetzt so nahe, dass Reivan die Ovale ihrer Gesichter erkennen konnte.

»Imi hat mir gerade erzählt, dass die Elai ebenso wie die Siyee glauben, die zirklische Göttin Huan habe sie erschaffen«, bemerkte Reivan.

»Ich weiß«, erwiderte Imenja.

»Du weißt es?«

»Natürlich.«

»Dann überrascht es mich, dass Nekaun uns gestattet hat, diese Reise zu machen.«

Imenja lachte leise. »Nekaun hat keine Ahnung davon.«

Reivan sah Imenja erstaunt an. Nekaun würde gewiss nicht gut darauf reagieren, wenn er erfuhr, dass Imenja ihm etwas Derartiges verschwiegen hatte. »Warum nicht?«

»Wie du selbst gesagt hast, ist Imi eine Prinzessin, und kein Geringerer als eine Stimme sollte sie mit großem Aufhebens und dem entsprechenden Zeremoniell nach Hause geleiten.«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Nicht mit genau diesen Worten, aber die Bedeutung war dieselbe.«

»Das ist nicht der Grund, warum du diese Information für dich behalten hast, nicht wahr?«

Imenja lächelte. »Wer ist hier die Gedankenleserin?« Dann verblasste ihr Lächeln ein wenig. »Ich lasse mir nicht so leicht eine Chance entgehen, ein Bündnis mit den Elai zu erwirken. Sie mögen klein an Zahl sein und einem falschen Gott huldigen, aber bevor wir sie nicht kennen gelernt haben, können wir uns kein Bild von ihrem vollen Potenzial machen. Denk nur an die Siyee und an ihren Beitrag zu der Schlacht. Wir könnten ebenso sehr von Meereskriegern als Verbündeten profitieren, vielleicht sogar noch mehr. Wen schert es schon, wem sie huldigen?«

»Unsere Götter würden doch gewiss…«

Das Sirren von Flügeln lenkte Imenjas Aufmerksamkeit nach oben. Die Siyee hatten das Schiff erreicht. Sie kreisten über ihnen, und in ihren grimmigen Gesichtern lag ein Ausdruck des Argwohns. Die Geräte, die sie an die Brust gebunden trugen, sahen unbeholfen aus, aber Reivan wusste, wie tödlich sie sein konnten.

»Es ist sehr mutig von ihnen, sich so nahe heranzuwagen«, flüsterte Imenja.

Reivan schaute sich auf dem Schiff um und stellte fest, dass einige der Seeleute Bogen bereithielten.

»Greift nicht an und schlagt auch nicht zurück«, rief Imenja. »Nicht, wenn ich nicht den Befehl dazu gebe.«

Nachdem sie das Schiff drei Mal umkreist hatten, zogen sich alle Siyee mit einer Ausnahme in Richtung Ufer zurück. Der letzte verbliebene Mann flog direkt auf Imenja und Reivan zu und schoss etwas aus seinem Geschirr ab. Reivan machte einen Schritt rückwärts, aber Imenja blieb stehen, wo sie war. Das Wurfgeschoss landete mit einem dumpfen Aufprall zu Imenjas Füßen und grub sich in das Deck. Der Siyee flatterte heftig mit den Flügeln, um der Takelage auszuweichen, dann flog er in einem weiten Bogen auf die Berge zu.