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Natürlich, erwiderte er. Er musste sie unbedingt von diesem Gedankengang ablenken. Du hast erstaunlich schnell und gut gelernt.

Du hast geglaubt, es würde länger dauern.

Ja. Wie immer hast du meine Erwartungen übertroffen. Wenn doch nur alle meine Schüler so schnell lernen würden.

Wenn das alles ist, was ich wissen muss, dann sollte ich sofort zum Stamm vom Tempelberg zurückkehren. Es gibt viele, die heute Nacht vielleicht sterben werden, wenn ich sie nicht heile.

Dann will ich dich nicht länger aufhalten.

Sie lösten die Hände voneinander, und das Gefühl ihrer Präsenz verschwand. Als er die Augen aufschlug, stellte er fest, dass sie ihn mit einem breiten Lächeln ansah. Sein Herz setzte einen Schlag aus, und er blickte hastig auf den Siyee hinab.

»Danke, Leiard. Jedes Leben, das ich mit dieser Gabe rette, wird ein Leben sein, das du gerettet hast.«

Er schaute zu ihr auf. »Das solltest du den Göttern lieber nicht erzählen. Sie können sehr unangenehm sein, wenn ihre Eifersucht geweckt ist.«

Sie öffnete den Mund zu einer Antwort, dann sah sie auf den Siyee hinab. »Er ist wach.«

Mirar betrachtete den Mann, der sie neugierig beobachtete. »Guten Abend«, sagte er. »Auraya und ich haben dich geheilt, aber du wirst in der ersten Laube leben müssen, bis auch der Rest des Dorfes genesen ist. Ein oder zwei Tage wirst du noch ziemlich müde sein. Du solltest schlafen und langsam deine Kraft zurückgewinnen.«

Der Mann nickte schwach und schloss die Augen wieder.

Auraya erhob sich. »Ich werde dir helfen, unseren Freund in die Laube zu tragen, dann muss ich mich auf den Weg machen.«

Gemeinsam hoben sie den Mann an und brachten ihn in die Laube der geheilten Siyee. Auraya trat wieder ins Freie, und Mirar beobachtete vom Eingang aus, wie sie sich ein kleines Stück von den Lauben entfernte. Sie lächelte ihm kurz zu, dann erhob sie sich in die Luft und verschwand in die Nacht.

Er seufzte. Nur wenige Minuten nachdem sie die Gabe erlernt hatte, hatte sie begonnen, das Potenzial darin zu erkennen. Es würde nicht lange dauern, bis sie mit Fragen zu ihm zurückkehrte.

Imenjas Schiff war größer als das der Plünderer. Außerdem war es von anderer Bauart. Reivan hatte Imi erklärt, dass dieses Schiff einen schmalen Rumpf hatte, so dass es schnell große Strecken zurücklegen konnte. Die meisten Schiffe wurden für Handelsgüter benutzt, deshalb hatten sie breitere Rümpfe, um Waren zu lagern. Dieses Schiff brauchte nur sie, eine Mannschaft und ihre Vorräte zu transportieren.

Das ganze Schiff war aus einem schwarzen Holz von einem Ort im südlichsten Teil des südlichen Kontinents gemacht. Auf den Rumpf war ein Stern gemalt, der die gleiche Form hatte wie die, die Imenja und Reivan trugen. Auch die Segel waren schwarz mit einem weißen Stern. Imi konnte sich vorstellen, wie beeindruckend sich dieses große, schmale Schiff in den Augen von Händlern und Plünderern ausnehmen musste. Sie wünschte beinahe, sie würden auf die Plünderer treffen, die sie gefangen genommen hatten. Vielleicht würde Imenja sie mit ihrer Magie bestrafen.

Wo im Schiff der Plünderer ein großes Loch im Deck gewesen war, um Zugang zu den im Rumpf gelagerten Waren zu erhalten, hatte Imenjas Schiff eine flache, von einer Zeltplane überdachte Vertiefung. Dort schliefen Imi, Imenja und Reivan, und dort suchten sie Zuflucht, wann immer es regnete. Den Rest der Zeit saßen sie auf Deck und versuchten, den Seeleuten bei der Arbeit nicht im Weg zu sein. Imi war einige Male unten im Rumpf gewesen. Dort stand ein Eimer bereit, um Wasser auszuschöpfen, aber das Schiff war so stabil gebaut, dass nicht viel Wasser eindringen konnte. Die Zeit, die sie auf dem Schiff der Plünderer verbracht hatte, erschien ihr jetzt wie eine ferne Erinnerung oder wie eine Geschichte, die man ihr erzählt hatte, obwohl sie gelegentlich Alpträume davon hatte.

Der Rumpf war voller Vorräte, die jetzt, nachdem sie einige Monate unterwegs waren, zur Hälfte aufgezehrt waren. Das Essen hier war weit besser als das, was sie in ihrer Gefangenschaft bekommen hatte, aber nicht so gut, wie die Speisen im Sanktuarium es gewesen waren. An diesem Abend war das Fleisch zu salzig gewesen, und sie hatten dazu nur getrocknete Früchte und Nüsse bekommen. Imi hatte immer häufiger Tagträume von getrocknetem Seegras, in das frisches Krabbenfleisch eingewickelt war, und die Tatsache, dass sie solchen Appetit auf etwas verspürte, das ihr früher einmal fad und langweilig erschienen war, entlockte ihr ein Lächeln.

Jetzt räumte ein Seemann die Teller und das Besteck fort. Imenja rollte gerade eine große Karte auf. Imi hatte diese Karte schon viele Male gesehen, aber sie faszinierte sie noch immer. Es war ein Bild der Welt, wie ein Siyee sie sah, und doch war sie für die Landgeher von großem Nutzen.

Der Kapitän entrollte seine eigenen Karten, auf denen Linien eingezeichnet waren, die für Imi keinen Sinn ergaben, und beschwerte sie mit verschiedenen Gegenständen. Die Lampen im Zelt schwangen mit den Bewegungen des Schiffes hin und her und warfen zuckende Schatten. Der Kapitän zeigte auf eine Stelle auf seiner Karte, dann auf Imenjas und begann zu sprechen.

Reivan wandte sich Imi zu und übersetzte. »Er sagt, dass wir uns ungefähr hier befinden, so weit vom Ufer entfernt, dass wir es vom Mast aus nicht länger sehen können.«

»Könnte man von hier aus mit einem Boot an Land rudern?«, fragte Imi den Kapitän, und Reivan übersetzte leise.

»Ja, aber es würde viele Stunden dauern. Und es wäre noch schwieriger, wenn wir die Strömung gegen uns hätten.«

»Wie groß ist das Risiko, gesehen zu werden?«

»Tagsüber sehr hoch.«

»Und nachts?«, fragte Reivan.

»Der Mond ist fast voll«, rief er ihnen ins Gedächtnis. »Und falls es in der Nähe Riffe geben sollte, würden wir sie nicht sehen können.«

»Ihr müsstet mich nicht den ganzen Weg hinüberfahren«, erklärte Imi, sobald Reivan ihr die Worte des Kapitäns übersetzt hatte. »Ich kann einen Teil der Strecke schwimmen.«

Die anderen wandten sich ihr stirnrunzelnd zu.

»Bist du stark genug, um das zu tun?«, wollte Reivan wissen.

Der Kapitän machte eine Bemerkung, und sein warnender Tonfall entging auch Imi nicht.

»Er sagt, es könnte hier Seeraubtiere geben. Spinerakes, die ihr, wie ich glaube, Flarken nennt.«

Furcht stieg in Imi auf, aber sie drückte dennoch den Rücken durch. »Die einzigen wirklich gefährlichen Meeresgeschöpfe sind Flarken, und die bevorzugen kleinere Beute. Menschen greifen sie nur an, wenn diese verletzt sind oder wenn es keine andere Nahrung gibt. Wenn die Siyee euch sehen, werden sie versuchen, euch zu töten. Diese Gefahr ist für euch viel größer als für mich das Risiko, an Land zu schwimmen.«

Als Reivan Imis Worte übersetzte, lächelte der Kapitän schief. Imi glaubte, Bewunderung aus seinem Blick zu lesen.

»Wir müssen darauf hoffen, dass wir an Land Siyee finden«, sagte Reivan.

»Ich brauche nur hinüberzuschwimmen, um sie zu finden. Schwieriger wird es sein, zu euch zurückzukommen. Wir soll ich euch finden, wenn man das Schiff vom Ufer aus nicht sehen kann?«

Imenja und Reivan tauschten einen Blick.

»Wir müssen eine Zeit und einen Ort vereinbaren«, erwiderte Reivan. »Wir werden Imi am Morgen in Richtung Land bringen und sie am Abend wieder abholen.«

»Wie soll ich euch in der Dunkelheit finden?«, fragte Imi und schauderte, als sie darüber nachsann, wie es sein würde, bei Dunkelheit zu schwimmen. »Ich würde lieber bei Tageslicht schwimmen.«

Imenja lächelte. »Dann werden wir dich stattdessen bei Sonnenaufgang hinbringen und dich am späten Nachmittag wieder abholen«, sagte sie. »Wenn du an diesem Tag keine Siyee entdeckst, werden wir am Tag darauf weiter nach Westen segeln und es noch einmal versuchen.«

Imi nickte. »Das ist eine gute Idee.«

Reivan übersetzte dies für den Kapitän, der nickte. Dann wandte er sich an einen Seemann, der in der Nähe wartete, und sagte einige Worte. Der Mann verschwand und kehrte kurz darauf mit einer Flasche und einigen kleinen, dicken Gläsern zurück. Imi hatte Mühe, ihren Ekel zu verbergen. Das Getränk, das am Ende formeller Mahlzeiten serviert wurde, war für ihren Geschmack zu stark und zu säuerlich, aber sie zwang sich stets, einen Schluck davon zu nehmen, weil sie niemanden kränken wollte. Andererseits machte es sie angenehm schläfrig, was besser war, als sich in dem »Tank«-Bett hin und her zu wälzen, das man im Rumpf für sie errichtet hatte. Der Tank hielt ihre Haut feucht, aber es war nicht einfach, sich in dem Wasser, das durch das Schaukeln des Schiffes in ständiger Bewegung war, zu entspannen.