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Die Fahrt auf der Welle war berauschend und endete nur allzu bald. Als sie Sand unter ihren Füßen spürte, stand sie auf. Sie drehte sich um und überlegte, ob sie noch einmal hinausschwimmen sollte, um auf einer weiteren Welle zu reiten.

Nein, ich muss mich auf die Suche nach den Siyee machen. Ich weiß nicht, wie lange ich dafür brauchen werde.

Schließlich watete sie aus dem Wasser und ging den Sandstrand hinauf bis zu der Stelle, an der die ersten Gräser wuchsen. Die Sonne war endlich in der Lücke zwischen den Wolken und dem Horizont aufgetaucht und hüllte alles in ein goldenes Licht. Imi kletterte auf eine Düne und stellte fest, dass dahinter weitere Dünen lagen, die sich in der Ferne erstreckten, so weit das Auge sehen konnte.

Die Elai-Händler, die ihr Geschichten über die Siyee erzählt hatten, hatten auch berichtet, dass die Geflügelten in seltsamen Häusern lebten, die wie halb vergrabene Blasen aussähen. Sie bezweifelte, dass diese Händler sich weit vom Wasser entfernt hatten, weil sie sich vor dem Austrocknen hüten mussten, daher hoffte sie, dass man die Häuser der Siyee vom Strand aus würde sehen können. Sie ging am Ufer entlang und folgte dem weiten Bogen der Bucht zu einer felsigen Landspitze und von dort aus weiter in eine größere Bucht. Nach einer Weile bekam sie Durst und nahm einen Schluck aus der Flasche, die Imenja ihr mitgegeben hatte. Obwohl die Sonne hinter Wolken verborgen war und in der Luft ein feiner Gischtnebel lag, wurde Imis Haut bald unangenehm trocken. Sie kehrte ins Wasser zurück und schwamm parallel zum Strand weiter.

Ich könnte stundenlang gehen, bevor ich auf Siyee treffe, dachte sie. Vielleicht sollte ich stattdessen schwimmen und in jeder Bucht Halt machen, um nach Siyee Ausschau zu halten. Auf diese Weise werde ich nicht austrocknen, und ich kann jedes Mal auf den Wellen reiten.

Während der nächsten Stunden schwamm sie an der Küste entlang. Nach und nach wurden die Landzungen zwischen den Buchten felsiger. Imi umschwamm sie in einem großen Bogen. Als sie die Wellen gegen die Felsen krachen sah, wusste sie, dass sie sich nicht zu nahe heranwagen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass sie ebenfalls gegen die Felsen geschmettert werden würde.

Davon abgesehen gab es kaum Unterschiede zwischen einer Bucht und der nächsten. Die Wolken legten nach wie vor einen eifersüchtigen Schleier über die Sonne, aber Imi spürte dennoch, dass der Tag voranschritt. Als sie einmal mehr Halt machte, um über eine weitere Reihe grasbewachsener Dünen zu schauen, seufzte sie und schüttelte den Kopf.

Ich werde bald umkehren müssen, oder es wird dunkel sein, bevor ich zu der Stelle zurückkomme, an der Imenja mich abgesetzt hat. Sie runzelte die Stirn, dann durchzuckte sie plötzlich ein Stich der Panik. Wie soll ich die Bucht wiedererkennen?

Der Wind pfiff und flatterte um sie herum. Sie blickte auf… und zuckte zusammen, als sie Gestalten über sich kreisen sah.

Siyee!

Sie sahen genauso aus, wie die Händler sie beschrieben hatten. Obwohl sie klein waren, konnte sie feststellen, dass es sich bei diesen beiden um erwachsene Männer handelte. Einer hatte graues Haar, während der andere jünger war. Imi wurde leichter ums Herz, und sie winkte, wobei sie hoffte, dass die Siyee dies als eine freundliche Geste auffassen würden.

Die beiden Siyee ließen sich tiefer sinken und landeten im Sand. Dann richteten sie sich auf und sahen sie mit einer Mischung aus Vorsicht und Neugier an.

»Sei mir gegrüßt, Meeresdame«, sagte der ältere Siyee langsam in der Sprache der Elai. »Ich bin Tyrli, Sprecher des Sandstamms. Mein Begleiter ist mein Enkel Riz.«

»Ich grüße euch, Männer des Himmels«, erwiderte sie. »Bitte verzeiht mir, dass ich ungebeten in euer Land eingedrungen bin. Ich bin Yli, Tochter des Jägers Sei.«

Imi hatte sie gewarnt, den Siyee nicht zu erzählen, dass sie eine Prinzessin war. Sie würden sie nicht allein nach Hause gehen lassen wollen. Wenn sie nicht zum Schiff zurückkehren konnte, würde sie warten müssen, bis die nächste Gruppe von Elai-Händlern erschien. Vielleicht würde ihr ohnehin nichts anderes übrigbleiben, wenn die Siyee ihr nicht sagen konnten, wo Borra lag, aber es wäre so viel schöner, wenn ihr Vater die Gelegenheit bekäme, Imenja und Reivan kennen zu lernen.

Der Mann lächelte. »Dir sei verziehen, Meeresdame. Darf ich fragen, warum du allein hierhergekommen bist?«

Sie senkte den Kopf. »Ich habe mich verirrt«, gestand sie. »Es ist meine eigene Schuld. Ich bin davongeschlüpft, als die Älteren nicht hingesehen haben. Plünderer haben mich gefangen, aber ich konnte entkommen. Jetzt muss ich feststellen, dass ich den Heimweg nicht finde. Ich bin noch nie so weit gereist. Ich hatte gehofft, auf Siyee zu stoßen, die mir weiterhelfen könnten.« Es war die Wahrheit – oder zumindest fast. Sie sah Mitgefühl in den Gesichtern der Siyee aufschimmern.

»Du hast Glück«, sagte Tyrli. »Glück, dass die Plünderer dich nicht getötet haben, und Glück, dass du entkommen bist.«

»Die Weißen sollten etwas gegen sie unternehmen«, bemerkte der junge Mann mit einem finsteren Stirnrunzeln.

»Außerdem hast du Glück gehabt, uns zu finden«, fuhr Tyrli fort. »Wir sind nur wenige Flugstunden von unserem Dorf entfernt und halten an der Küste Wache, falls pentadrianische Eindringlinge auftauchen sollten. Du hättest Tage gebraucht, um unseren Stamm zu erreichen.«

»Wisst ihr, wo Borra liegt?«

»Ich kann dir eine grobe Wegbeschreibung geben.«

Sie seufzte vor Erleichterung. »Dann habe ich wahrhaftig Glück gehabt.«

Er kicherte. »Du musst müde und hungrig sein. Wir haben nicht weit von hier unser Lager aufgeschlagen. Komm und iss mit uns. Du kannst heute Nacht in unserem Lager schlafen, ohne dass dir Gefahr droht, und morgen kannst du dann den Heimweg antreten.«

»Ich würde dein Angebot mit Freuden annehmen, aber ich muss zurück zum…« Sie brach ab, denn sie konnte ihm nicht erzählen, dass sie zu Imenja zurückkehren musste. Ihr fiel kein guter Grund ein, warum sie wieder an der Küste entlang zurückschwimmen musste.

Er schenkte ihr ein herzliches Lächeln. »Du brennst darauf, nach Hause zu kommen. Das verstehe ich, aber bis zu deiner Heimat musst du noch viele Tage schwimmen, und es wird bald dunkel sein. Bleib heute Nacht bei uns.«

Vielleicht konnte sie sich davonstehlen, nachdem sie ihr erzählt hatten, wo Borra lag. Also zwang sie sich zu einem Lächeln und nickte. »Ja. Das werde ich tun. Vielen Dank.«

Er bedeutete ihr, an seiner Seite den Strand hinunterzugehen. Imi blickte aufs Meer hinaus und kämpfte gegen ein Gefühl wachsender Panik an.

Imenja wird sich solche Sorgen machen, wenn ich nicht zum Boot zurückkehre, aber was kann ich tun? Wenn ich Tyrli bedränge, mir sofort den Weg zu beschreiben, könnte er Verdacht schöpfen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Aber wenn ich nicht zu Imenja zurückkehre, könnte sie an Land kommen, um nach mir zu suchen.

Tyrli tätschelte ihren Arm. »Keine Sorge«, erklärte er tröstend. »Wir werden dir helfen, nach Hause zu kommen.«

Als Auraya sich dem Stamm vom Blauen See näherte, verlangsamte sie ihr Tempo und spürte, wie ihr Zorn ein wenig verblasste. Überall waren Siyee – im Dorf, auf den Feldern und natürlich in den Lauben, in denen die Kranken behandelt wurden. Es war nur allzu leicht, sich vorzustellen, wie verwirrt und verängstigt sie sein würden, wenn sie den Traumweber angreifen würde, der ihnen half.

Huan, sagte sie. Die Göttin war in der Nähe geblieben, auch wenn sie schwieg.