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Teiti hatte Imi vorgeschlagen, sich eine nützliche Beschäftigung für den Jungen auszudenken, da seine Schuldgefühle – auch wenn sie unverdient waren – den Jungen offenkundig unglücklich machten. Teitis Rat hatte Imi auf eine Idee gebracht, und sie hatte Rissi beauftragt, Informationen zu sammeln. Ihr Vater benutzte den Röhrenraum, um die Stadtbewohner zu belauschen und zu erfahren, was die Leute von seiner Herrschaft hielten. Sie würde die Kinder benutzen.

Rissi hatte die anderen Kinder gebeten, ihren Eltern eine Frage zu stellen. Er sollte die Antworten auflisten und sie ihr geben.

Die Frage lautete: »Sollten die Elai die Freundschaft der Menschen suchen, die Prinzessin Imi gerettet haben?«

Imi lächelte Rissi an. »Was haben sie gesagt?«

»Das Ergebnis ist ausgeglichen«, erwiderte er. »Einige sagten, die Antwort laute ›ja‹. Genauso viele haben ›nein‹ gesagt. Einige Kinder haben keine Antwort bekommen oder die Antwort nicht verstanden, oder ihre Eltern konnten sich nicht entscheiden.«

»Also lautete die Hälfte der eindeutigen Antworten ›ja‹ und die andere Hälfte ›nein‹«, überlegte Imi laut. »Ohne dass jemand bisher versucht hätte, die Meinung der Leute zu ändern.«

»Du wirst doch deinen Vater nicht bitten, sich mit Landgehern anzufreunden, oder?«, fragte er.

»Gefällt dir die Idee nicht?«

Er schüttelte den Kopf. »Die Landgeher haben dich entführt und dazu gezwungen, wie eine Sklavin zu arbeiten. Sie sind gefährlich.«

»Nicht alle«, entgegnete Imi. »Die Pentadrianer waren gut zu mir.«

Er schüttelte abermals den Kopf, sagte jedoch nichts.

»Warum glaubst du mir nicht?«, hakte sie nach.

Er runzelte die Stirn. »Es ist nicht so, dass ich dir nicht glaube, aber…«

»Aber?«

Eine steile Falte erschien zwischen seinen Brauen. »Es braucht nur ein schlechter Landgeher unter den guten zu sein, und wir sind alle tot.«

»Nicht wenn wir sie nicht hierherbringen. Wenn wir mit ihnen Handel treiben, sollten wir es an einem anderen Ort tun. Und darauf bestehen, dass es nur wenige von ihnen sein dürfen. Wir könnten sogar verlangen, dass sie die Waren irgendwo hinterlegen, wo wir unsere eigenen Handelsgüter deponiert haben.«

»Und wenn sie zurückkommen und uns angreifen? Wenn Plünderer die Waren stehlen?«

»Wir sollten einen schnellen Fluchtweg parat haben. Sie können nicht schwimmen wie wir, vergiss das nicht. Wir müssen aufhören, wegzulaufen und uns zu verstecken. Wir müssen in der Lage sein, uns zu verteidigen.«

»Wir haben unsere Krieger.«

»Wir können nur Mann gegen Mann kämpfen. Wir brauchen etwas Besseres. Wir brauchen Bogenschützen. Und Befestigungen. Und Magie.«

Rissi schauderte. »Mir gefällt das nicht. Wir waren hier seit Generationen in Sicherheit. Warum sollten wir das ändern?«

»Weil wir nicht wachsen, Rissi. Sieh dir nur die Siyee an. Es gibt tausende von ihnen. Wir sitzen hier in unserer engen Stadt gefangen. Wir müssen wieder auf den Inseln leben können. Wenn wir uns vermehren wollen, brauchen wir Platz.« Sie seufzte. »Mein Vater hat angefangen, davon zu reden, einen Ehemann für mich zu suchen. Ich habe Teiti gefragt, wen er vielleicht auswählen würde, und es gab nur fünf junge Männer, die annähernd in meinem Alter waren, und sie alle waren Vettern, und ich mag keinen von ihnen besonders.«

»Das wirst du in einigen Jahren vielleicht anders sehen«, erklang Teitis Stimme aus ihrem »Zimmer«.

»Obwohl er tatsächlich gesagt hat, dass ich vielleicht einen Kriegerführer heiraten könnte, falls der Mann ihm gefällt. Auf diese Weise würde ich etwas frisches Blut in die Familie bringen«, fügte Imi hinzu, ohne auf Teitis Bemerkung einzugehen.

In Rissis Zügen spiegelte sich eine Mischung aus Entsetzen und Erheiterung. »Ein Ehemann? Schon?«

Sie nickte. »Ich glaube, er wollte mich lediglich von dem Thema Landgeher ablenken.«

Der Junge kicherte. »Das kann ich mir vorstellen. Soweit ich gehört habe, sprichst du seit deiner Rückkehr über kaum etwas anderes als die Pentadrianer und die Möglichkeit, dass die Elai mit Landgehern Handel treiben könnten.«

Sie runzelte die Stirn. »Glaubst du, das ist auch anderen zu Ohren gekommen? Glaubst du, dass es die Antworten der Leute beeinflusst hat?«

Er verdrehte die Augen. »Kannst du eigentlich über nichts anderes mehr nachdenken?«

Sie straffte sich. »Nicht, wenn ich an die Zukunft meines Königreichs denken muss.«

»Spielst du gar nicht mehr? Warum kommst du nicht mal zum Kinderbecken hinunter?«

Sie zögerte. »Mein Vater verbietet es«, gestand sie. »Er möchte nicht, dass ich mit törichten jungen Männern Umgang habe«, fügte sie hinzu und gab sich alle Mühe, einen ernsten Gesichtsausdruck beizubehalten.

Rissi wandte errötend den Blick ab. »Dann sollte ich wohl besser gehen.«

Mutlosigkeit stieg in Imi auf. Sie vermisste die Gesellschaft anderer Kinder. Rissi war zwar ein Junge, aber zumindest stand er ihr im Alter einigermaßen nahe.

»Du brauchst nicht zu gehen«, sagte sie. »Ich wollte nicht…«

Er schüttelte den Kopf und trat an die Tür. »Ich muss gehen. Ich werde am Kriegerbecken erwartet.«

»Komm morgen wieder her«, befahl sie. »Ich habe noch eine Frage, die die Kinder ihren Eltern stellen sollen.«

»Ich werde herkommen, Prinzessin. Auf Wiedersehen.«

Als sich die Tür hinter ihm schloss, verschränkte Imi die Arme vor der Brust und seufzte.

Weshalb habe ich das getan? Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als mir eine gute Frage auszudenken.

44

Nach einigen Tagen hatte Mirar es aufgegeben, sich vor den Siyee zu verstecken. Sie waren sehr wachsam in ihrer Suche, und es bestand kaum eine Chance, dass sie ihn nicht bemerken würden, sobald er die verschneiten Hänge der Berge erreicht hatte, wo kein dichter Wald ihn vor ihren Augen verbergen konnte. Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe, seine Spuren im Schnee zu verwischen.

Sie versuchten jedoch nicht, sich ihm zu nähern. Jeden Abend verschwanden sie in den unteren Regionen im Wald. Jeden Morgen sah er sie am Himmel träge ihre Kreise ziehen und ihn beobachten. Er spürte keinerlei Ärger oder Wut bei den Siyee, daher bezweifelte er, dass sie wussten, warum sie ihn verfolgten.

Die ständige Wahrnehmung ihrer Gefühle machte ihn reizbar, und er hatte unangenehme Träume, in denen er von riesigen Augen mit weiß glühenden Flügeln verfolgt wurde. Einen Vorteil gab es jedoch, die Siyee in der Nähe zu haben: Eine Veränderung ihrer Gefühle würde möglicherweise seine Aufmerksamkeit erregen, sollte sich einer der Weißen nähern. Er erwartete jedoch nicht, dass das in den nächsten Wochen geschah. Mit Ausnahme von Auraya würden alle Weißen große Mühe haben, ihn in diesen Bergen zu erreichen.

Er erwachte jeden Tag beim ersten Licht der Dämmerung, leerte seinen Geist und ließ sich in eine Traumtrance sinken. Zuerst versuchte er dann, Auraya zu finden, aber sie antwortete niemals auf seine Rufe. Vielleicht ignorierte sie ihn. Oder die Götter hinderten ihn daran, sie zu erreichen. Oder sie war tot. Tagsüber quälte ihn der Gedanke, dass Letzteres zutreffend sein könnte. Wenn die Götter sie getötet hatten, dann traf ein Teil der Schuld auch ihn selbst.

Als er Aurayas Schweigen nicht länger ertragen konnte, rief er Emerahl. Jetzt, da sie ihm schroff Antwort gegeben hatte, konnte er spüren, dass sie noch immer wütend auf sich selbst war, weil sie ihm in der vergangenen Nacht unbeabsichtigt ihren Aufenthaltsort verraten hatte.