Ich wünschte, ich hätte dir diese Nachricht persönlich überbringen können, aber in jedem Augenblick, den ich zaudere, könnten weitere Siyee an der Herzzehre sterben. Ich möchte dir für all deinen Beistand und deinen Rat während der vergangenen anderthalb Jahre danken. Du warst mir ebenso ein Freund wie ein Ratgeber, und ich werde deine Weisheit und deinen Humor vermissen. Ich werde den Weißen empfehlen, dich als Ratgeber für meinen Ersatz einzustellen. Ich weiß, dass du deine Sache sehr gut machen wirst.
Alles Gute für die Zukunft
»Das hat sie hübsch gesagt«, meinte Silava. »Und es klingt so, als sei sie in Eile.«
Danjin blickte auf und stellte fest, dass seine Frau hinter ihm stand. Er musterte sie stirnrunzelnd. »Dieses Schreiben hätte geheime Informationen enthalten können.«
Sie tätschelte ihm die Schultern. »Es hätte so sein können. Ich bin ein Risiko eingegangen. Was wirst du mit dem Ring machen?«
Er blickte auf seine Hand hinab. »Ich nehme an, sie werden ihn zurückhaben wollen.«
»Wahrscheinlich. Und vielleicht funktioniert er auch nicht mehr.«
»Mag sein.« Er zog den Ring ab und schloss die Finger darum. Ein Stich der Traurigkeit durchzuckte ihn. »Sie war eine gute Weiße. Sie hat alles aufgegeben, um den Siyee zu helfen.«
»Ich weiß«, sagte Silava beschwichtigend. »Gib mir den Ring, und ich werde ihn für den Augenblick an einen sicheren Ort legen.«
Er reichte ihr das Schmuckstück. Ihre Schritte entfernten sich, dann blieb sie stehen, und kurz darauf kehrte sie zu ihm zurück. Sie nahm den Krug vom Kohleofen und füllte Danjins Becher nach.
»Trink. Das wird dich wärmen. Und bedenk eins: Es wird Monate dauern, bevor sie einen neuen Weißen finden. All diese Zeit werden wir ganz für uns haben.«
Er blickte zu ihr auf. »Und es wird uns wohl auch freistehen, unsere Töchter im Sommer zu besuchen.«
Sie heuchelte Überraschung. »Daran hatte ich gar nicht gedacht… aber du hast recht.«
Als sie davonging, lachte er leise. Zumindest seine Frau war glücklich. Als er sich noch einmal den Brief besah, stieg schmerzliche Erheiterung in ihm auf. Seit Auraya den Siyee das erste Mal begegnet war, war sie von ihnen bezaubert gewesen. Ich hoffe, das bedeutet, dass auch du glücklich bist, Auraya, dachte er. Ich hoffe, es ist das Opfer wert.
Und ich vermute, ich sollte dich wieder in der Welt der Sterblichen willkommen heißen.
Epilog
Als Mirar zur Küste zurückblickte, lachte er leise. Arleej hatte Wort gehalten. Die Stadt war überfüllt von Traumwebern. In seinen zerlumpten, schmutzigen Kleidern war er zu unauffällig und zu uninteressant gewesen, als dass er mehr als einen flüchtigen Blick auf sich gezogen hätte.
Unglücklicherweise bedeutete das auch, dass es keinen Mangel an Heilern gab, daher fand sich niemand, der seine Dienste in Anspruch nehmen wollte. Er war gezwungen gewesen, ein Boot zu stehlen. Es war klein – zu klein für den schweren Seegang des Ozeans -, aber angesichts seiner begrenzten Erfahrung als Segler bezweifelte er, dass er mit etwas Größerem zurechtgekommen wäre.
Während der Nacht hatte er das Boot hauptsächlich mit Magie bewegt und aufrecht gehalten. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, war das Wasser ruhiger, und er war erschöpft.
Ich kann noch nicht schlafen. Ich muss Emerahl bitten, mir zu zeigen, wie man dieses Ding handhabt, überlegte er. Anderenfalls werde ich während der nächsten Tage oder Wochen überhaupt nicht schlafen können.
Er legte sich nieder und versank mühelos in eine Traumtrance.
Emerahl.
Nach seinem dritten Ruf hörte er eine Antwort.
Mirar. Wo bist du?
In einem Boot.
Was? Wie hast du… oh! Du bist an ihnen vorbeigekommen!
Ja. Gestern Nacht.
Gut gemacht.
Danke. Arleej hat ihre Aufgabe ausgesprochen gründlich erledigt und die Küstendörfer mit Traumwebern gefüllt. Ich glaube, sie hat ein Gerücht über eine Seuche ausgestreut, die dort angeblich ihren Ursprung haben soll. Die Einheimischen werden ein Vermögen an den Traumwebern verdienen, denen sie Unterkunft und Essen zur Verfügung stellen, obwohl sie hoffentlich auch den zirklischen Priestern, die die Weißen mitgebracht haben, das Fell über die Ohren ziehen werden.
Hast du irgendwelche Weißen gesehen?
Nein, aber ich habe jemanden sagen hören, dass sie ganz in der Nähe seien. Die Siyee sind mir bis zu dem Dorf gefolgt.
Wann war das?
Gestern.
Und warum schläfst du dann jetzt? Du musst dich so weit wie möglich von der Küste entfernen. Die Siyee können binnen eines Tages eine weite Strecke zurücklegen.
Ich weiß. Aber dieses Boot ist klein, und ich muss all meine Konzentration aufwenden, um zu verhindern, dass es kentert. Ich brauche deine Hilfe.
Was für eine Art von Boot hast du dir besorgt?
Er sandte ihr ein Gedankenbild.
Du hast ein DINGI erwischt! Du IDIOT!
Ich hatte nicht viel Auswahl. Ich musste es stehlen. Bei so vielen Traumwebern in der Stadt hätte niemand ein Boot gegen zweifelhafte Wunderkuren von einem vagabundierenden Reisenden eingetauscht.
Da hast du wahrscheinlich recht.
Du musst mir helfen. Bring mir bei, wie man segelt.
Durch Traumvernetzungen? Ich kann nicht den ganzen Tag herumliegen. Ich befinde mich auf einer Mission.
Aber ich werde ertrinken!
Also gut. Du und die Zwillinge, ihr sorgt dafür, dass ich die Hälfte meiner Tage auf dem Rücken verbringe… Hm, das war wohl nicht die beste Art und Weise, mich auszudrücken. Oh! Da fällt mir etwas ein. Ich habe wichtige Neuigkeiten für dich.
Ja?
Die Zwillinge erzählten mir, dass das Gerücht sich wie ein Sommerfeuer überall in Nordithania verbreitet habe. Sie machte eine dramatische Pause. Deine Auraya ist von den Weißen zurückgetreten.
Mirar hatte das Gefühl, als zerspringe sein ganzes Wesen in tausend Stücke, um sich dann genauso schnell wieder zusammenzufügen. Wie konnten so wenige Worte von solcher Bedeutung sein und gleichzeitig berauschend und beängstigend?
Sie lebt?
Anscheinend. Sie ist nach Si zurückgekehrt. Die Zwillinge haben die Gedanken einiger Siyee abgeschöpft, und daraus geht hervor, dass sie bereits seit mehreren Wochen dort ist.
Was bedeutet, dass sie noch immer fliegen kann. Sein Herz raste jetzt. Es ist ihre angeborene Gabe, Emerahl. Sie steht kurz davor, eine Unsterbliche zu werden. Ich weiß es!
Du kannst dir nicht sicher sein.
Aber das bin ich. Sie hat zu mühelos gelernt, wie man mit Magie heilen kann, als dass es nicht wahr sein könnte. Nur ein einziger kleiner Schritt, ein winziger Stoß in die richtige Richtung, und sie wird eine Unsterbliche werden.
Das dürfte den Göttern kaum gefallen.
Nein, aber die einzige Alternative wäre die, sie alt werden und sterben zu lassen. Ich muss sie unterrichten.
Und wie willst du sie dazu bringen, zu dir zu kommen?
Er runzelte die Stirn. Auraya würde niemals Nordithania verlassen und sich in das Land der Pentadrianer begeben, selbst wenn die Siyee sie nicht gebraucht hätten.