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Am Eingang des Turms angekommen, führte Juran sie in das helle Sonnenlicht hinaus. Ein geschlossener Plattan war soeben vor der Kuppel vorgefahren. Rian stieg aus, schickte den Fahrer weg und drehte sich dann um, um auf sie zu warten. Als Auraya näher kam, sah sie, dass in seinen Augen das Feuer religiöser Inbrunst brannte. Er sagte nichts, als sie zu ihm aufschlossen, sondern ging schweigend an ihrer Seite unter den Rundbogen der Kuppel hindurch.

Nach dem grellen Sonnenlicht war der Schatten in der Kuppel eine Wohltat. Aurayas Augen gewöhnten sich schnell an das sanftere Licht, und sie sah, wie die fünf dreieckigen Seiten des Altars sich öffneten. Juran ging durch das Gebäude auf das Podest zu und dann weiter in den Altar hinein. Sobald sie alle ihre Plätze eingenommen hatten, schwebten die Spitzen wieder empor.

Juran hielt inne, wie er es immer tat, um abzuwägen, was er sagen wollte. Doch als er Luft holte, um seine Ansprache zu beginnen, spürte Auraya eine Bewegung in ihrer Nähe. Plötzlich war sie sich der Magie in der Welt um sich herum bewusst, ebenso wie der Tatsache, dass dieser Magie die vibrierende Präsenz einer konkreten Person innewohnte.

»Chaia, Huan, Lore, Yranna, Saru«, begann Juran. »Wir…«

Auraya sog scharf die Luft ein, als ihr klar wurde, dass das, was sie spürte, ein Gott war.

Hallo, Auraya.

In einer der Ecken des Altars nahm jetzt ein Leuchten Gestalt an, bis es die Umrisse eines Mannes zeigte. Auraya hörte Juran tief einatmen, und auch die anderen gaben leise Laute der Überraschung von sich.

»Chaia«, sagte Juran und machte Anstalten, sich zu erheben.

Bleib sitzen, sagte Chaia und ließ Juran mit einer knappen Handbewegung innehalten.

Auraya spürte das Pulsieren der Welt um sich herum, als auch die anderen Götter kamen. Voller Ehrfurcht beobachtete sie, wie ein jeder von ihnen als Licht sichtbar wurde, das eine menschliche Gestalt annahm.

Wir haben euch hierhergerufen, um euch das Ergebnis unserer Nachforschungen mitzuteilen, eröffnete Chaia ihnen, bevor er sich zu Huan umwandte.

Wir haben sowohl Süd- als auch Nordithania abgesucht, sagte Huan, aber wir sind keinen anderen Göttern begegnet.

Das heißt allerdings nicht, dass sie nicht existieren, warf Lore warnend ein. Sie könnten uns ausgewichen sein. Sie könnten jenseits dieser Territorien existieren.

Wir werden unsere Suche fortsetzen, versicherte Yranna ihnen lächelnd. Aber es wird das Beste sein, wenn ihr Ithania nicht alle gleichzeitig verlasst.

Dann wärt ihr ohne Schutz, sollten diese Götter tatsächlich existieren und danach trachten, euch Schaden zuzufügen, ergänzte Saru.

Juran nickte. »Können wir irgendwie helfen?«

Nein, erwiderte Chaia. Für den Augenblick rechne ich nicht mit einer Auseinandersetzung mit den Pentadrianern.

»Wir verstehen«, sagte Juran.

Chaia blickte noch einmal zu den anderen hinüber, dann nickte er.

Das ist alles. Wir werden wieder zu euch sprechen, sobald wir weitere Antworten haben.

Die fünf leuchtenden Gestalten verschwanden.

Aber ihr Bild blieb in Aurayas Sinnen haften. Sie spürte, wie Huan, Lore, Yranna und Saru sich zurückzogen. Als sie fort waren, nahm sie eine winzige Berührung durch Chaias Geist wahr, bevor auch er sich entfernte.

»Auraya?« Sie zuckte zusammen und stellte fest, dass Juran sie beobachtete. »Was ist los?«

»Die Götter. Ich habe gespürt, wie sie kamen und gingen.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Du hast sie gespürt?«

»Ja. Es war… seltsam.«

»Ist das schon einmal passiert?«, wollte Dyara wissen.

Auraya schüttelte den Kopf. »Es ist ein wenig wie das Gefühl dafür, wo ich mich in Bezug zur Welt befinde. Ich kann die Magie um mich herum spüren.«

»Und die Götter sind Wesen aus Magie«, sagte Mairae nickend.

»Ja.«

Die Spitzen des Altars neigten sich wieder dem Boden zu, aber keiner der anderen Weißen machte Anstalten, sich zu erheben. Juran wirkte nachdenklich und Dyara skeptisch. Rian runzelte die Stirn. Als Auraya seinem Blick begegnete, glättete sich die Falte zwischen seinen Brauen, und er lächelte – aber es war ein gezwungenes Lächeln.

»Ich fange langsam an, solch eigenartige Entwicklungen bei dir zu erwarten, Auraya«, sagte Juran und lachte leise. »Sobald du herausgefunden hast, was es mit dieser neuen Fähigkeit auf sich hat, gib mir Bescheid. Und jetzt«, er sah die anderen der Reihe nach an, dann stand er auf, »jetzt schlage ich vor, dass wir zu unseren Pflichten zurückkehren.«

Auraya erhob sich mit den anderen, blieb jedoch zurück, als diese sich über die flach daliegenden Wände des Altars hinweg in Bewegung setzten. Sie drehte sich um und konzentrierte sich, konnte aber nichts wahrnehmen, was die Magie innerhalb des Altars gestört hätte.

Sie konnte jedoch geringe Schwankungen in der Verteilung der Magie um sich herum wahrnehmen. Während sie den anderen Weißen zurück zum Turm folgte, konzentrierte sie sich auf diese Magie. Ihr fiel auf, dass die Schwingungen um den Fuß des Turms herum deutlicher ausgeprägt waren. Dyara und Juran begannen ein Gespräch über die genrianische Politik, aber Auraya achtete kaum auf sie.

Sie erreichten den Turm und traten ein. Die Schwankungen wurden weder schwächer noch stärker, und Auraya wollte ihre Aufmerksamkeit gerade wieder auf ihre Begleiter richten, als sie eine plötzliche Veränderung wahrnahm.

Sie waren inzwischen am Käfig in der Mitte der Halle angekommen, wo die Magie deutlich verringert war. Sie hätte es nicht bemerkt, selbst wenn sie Magie in sich hineingezogen hätte, da immer noch genug übrig war, um die Ausübung der meisten Gaben zu ermöglichen.

Aber sie war eindeutig ein wenig schwächer als andernorts.

Was hat das bewirkt?, fragte sie sich. Hat jemand den größten Teil der Magie hier aufgezehrt, oder ist es eine natürliche Erscheinung?

Sie öffnete den Mund, um Juran darauf aufmerksam zu machen, stellte dann aber fest, dass Rian sie beobachtete. Er bedachte sie abermals mit einem gezwungenen Lächeln.

Ich werde es Juran ein andermal erzählen, dachte sie. Unter vier Augen.

Zwei riesige, längliche Schalen hüpften im Wasser auf und ab. Sie waren aus Holz gemacht, und es sah so aus, als steckte jeweils in ihrer Mitte ein ganzer, von Zweigen und Borke befreiter Baumstamm. Von diesen Baumstämmen hing eine Vielzahl von Seilen und weiteren Holzbalken herab, außerdem etwas, das wie große Stoffbündel aussah »Das sind Schiffe, nicht wahr?«, fragte Imi. »Vater hat sie mir einmal beschrieben.«

Rissi warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Boote. Du hast noch nie zuvor Boote oder Schiffe gesehen, oder?«

»Nein.«

»Wenn das der Ort ist, an dem sich die Seeglocken befinden, dann waren die Landgeher vor uns da«, sagte Rissi mit unüberhörbarer Enttäuschung.

»Das kommt darauf an.«

»Worauf?« Er drehte sich stirnrunzelnd zu ihr um.

»Ob sie sie schon alle geerntet haben. Wenn es so wäre, wären sie nicht immer noch hier, oder?«

Rissi blickte nachdenklich drein, doch dann runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf. »Was willst du damit andeuten? Dass wir uns hinschleichen und ein paar Glocken holen sollten? Was ist, wenn sie uns sehen? Sie werden uns töten.«

»Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie uns nicht sehen.«

»Aber…«

Sie ließ sich unter die Oberfläche sinken und schwamm auf einen Felsen zu, der sich näher bei den Booten befand. Als sie dahinter auftauchte, spähte sie vorsichtig zu den Landgehern hinüber.