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Sie unterdrückte ein Seufzen. Um das Wachstum eines neuen Verbindungsrings zu unterstützen, würde sie abermals jeden Tag in den Hain gehen müssen, ganz gleich, wie das Wetter war oder wie viel sie zu tun hatte.

»Das einzige Problem, um das wir uns noch nicht gekümmert haben, ist Unfug«, bemerkte Danjin plötzlich und sah den Veez an. »Möchtest du, dass ich ihn wie zuvor jeden Tag hier besuche?«

Sie grinste und schüttelte den Kopf. »Er wird mit mir kommen.«

»Wirklich? Da werden sich die Siyee aber freuen.« Seine Stimme troff vor Ironie.

»Und er auch.« Sie hob Unfug hoch, setzte ihn auf die Sitzfläche und stand dann auf. »Ich danke dir für deine Hilfe während der letzten Tage, Danjin. Wenn es sonst noch etwas geben sollte, sprich über den Ring zu mir.«

»Das werde ich tun«, erwiderte er. Sie gingen zur Tür hinüber. »Ich wünsche dir eine sichere Reise, und gib in Si gut auf dich Acht.«

Sie öffnete die Tür. »Natürlich.«

Er lächelte und trat hinaus. Nachdem Auraya die Tür geschlossen hatte, sah sie sich in dem Raum um. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie zurückkehrte. Diesmal würde sie sich zumindest keine Sorgen machen müssen, dass der arme Unfug ganz allein vor sich hin schmachtete – oder Danjin quälte.

Er blickte mit zuckenden Schnurrhaaren zu ihr auf.

Fliegen?

»Ja, Unfug«, sagte sie. »Wir haben einen langen Weg vor uns, und es wird Zeit, dass wir den ersten Schritt tun.«

Wann immer sich Reivan die Gelegenheit dazu bot, erkundete sie einen Teil des Sanktuariums, mit dem sie nicht vertraut war, und hoffte, dass sie auf diese Weise irgendwann all seine Winkel und Wege kennen lernen würde. An diesem Morgen war sie dankbar für ihre früheren Streifzüge. Die Erbauer des Sanktuariums hatten offenkundig keinen Wert auf einen schnellen Weg von den Bädern zum Sternensaal gelegt. Es gab zwei Möglichkeiten: einen langen, aber weniger gewundenen Weg durch die Quartiere der Götterdiener und wieder hinauf in das Mittlere Sanktuarium, oder einen komplizierten Weg durch Lagerräume, Küchen, eine unbedeutendere Bibliothek und einen Raum, der wie eine Gerberei roch.

Die Frage, warum sie auf dem Weg zum Sternensaal war, war ein Rätsel. Der Bote hatte keine Erklärungen abgegeben. Wahrscheinlich wurde wieder einmal ein Ritual abgehalten, bei dem Imenja ihre Anwesenheit wünschte.

Als sie sich ihrem Ziel näherte, verspürte sie ein leichtes Flattern im Magen. Obwohl sie bereits viele Male im Sternensaal gewesen war, befiel sie stets ein Gefühl der Erregung, wenn sie ihn betrat. Nachdem sie um die letzte Ecke gebogen war, sah sie den schmalen Eingang zu dem Raum und hielt inne, um dreimal langsam durchzuatmen. Dann richtete sie sich auf, glättete ihre Roben und trat durch die Tür.

In dem in den Boden eingelassenen silbernen Stern stand ein attraktiver, schwarzgewandeter Mann. Reivans Herz schlug schneller, als Nekaun sie ansah und lächelte. Er deutete auf eine Gruppe von Dienernovizen. Während sie auf sie zuging, sah sie sich in dem Raum um und betrachtete die Götterdiener und die Ergebenen, die an den Wänden standen. Als sie Imenja unter ihnen entdeckte, machte sich Erleichterung in ihr breit.

Das Gefühl zerstob jedoch, als Nekaun das Wort ergriff.

»Heute sollen acht Männer und Frauen zu Dienern der Götter geweiht werden. Diese Dienernovizen haben hart gearbeitet, und ein jeder hat sich das Recht verdient, den Göttern nach bestem Vermögen zu dienen. Sie haben die erforderlichen Prüfungen bestanden und ihre Lehrer zufriedengestellt. Heute werden sie das Gelübde ablegen, das wir alle gesprochen haben. Heute werden sie das Symbol der Götter über ihrem Herzen tragen. Heute werden sie als Schwestern und Brüder zu uns stoßen.«

Er wandte sich zu den Novizen um und sagte einen Namen. Ein Mann trat vor. Reivan begriff, dass ihr Mund offen stand, und sie schloss ihn hastig. Sie hatte Nekaun überrascht angestarrt. Jetzt spürte sie, dass ihr Magen einen Purzelbaum schlug.

Sie machen mich schon jetzt zu einer Götterdienerin!

Aber es dauerte Jahre, bis man zu einem Götterdiener geweiht wurde. Sie besah sich die Dienernovizen um sie herum. Sie waren alle Anfang zwanzig – etwa in ihrem Alter. Die Neulinge, die zusammen mit ihr ihre Ausbildung begonnen hatten, waren alle etwa zwischen fünfzehn und neunzehn.

Magie ist der Grund, dachte sie. Oder vielmehr mein Mangel daran. Drevva schien tatsächlich in Bezug auf die Dinge, die sie mich lehren kann, der Stoff auszugehen. Ich vermute, all die Jahre der Ausbildung fließen größtenteils in die Verbesserung magischer Fähigkeiten.

»Dienernovizin Reivan.«

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als Nekaun sie zu sich heranwinkte. Sie holte tief Atem, dann trat sie in die Mitte des Sterns.

»Du bist erst seit wenigen Monaten Novizin«, erklärte er, »aber deine Kenntnisse der pentadrianischen Gesetze und Geschichte haben sich als vorbildlich erwiesen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass du bereit bist, die volle Verantwortung als Dienerin der Götter auf dich zu nehmen.«

Warum hat Imenja mich nicht gewarnt, dass sie das vorhatten? Sie blickte in die Richtung der Zweiten Stimme und sah, wie die Lippen der Frau sich zu einem flüchtigen Lächeln formten.

»Dienernovizin Reivan«, wiederholte Nekaun. »Ist es dein Wunsch, dein Leben in den Dienst der Götter zu stellen?«

Sie sah ihm in die Augen. »Ich wünsche es mir von ganzem Herzen.«

»Bist du bereit, alles für die Fünf zu opfern?«

»Das bin ich.«

»Würdest du für sie auf Liebe, Wohlstand und sogar auf dein Leben verzichten?«

»Das würde ich.«

»Dann empfange dieses Symbol ihrer Macht und ihrer Einheit. Trage es stets über dem Herzen, da es deine Verbindung zu den Göttern und ihren Dienern ist.«

Er öffnete die Hand, und ein silberner fünfzackiger Stern wurde sichtbar. Durch eine der Spitzen lief eine Kette, die jetzt zwischen Nekauns Fingern herabhing.

Reivan griff nach dem Stern. Er war leichter, als sie erwartet hatte. Ehrfürchtig hob sie die Kette hoch und legte sie sich um den Hals.

»Meine Augen, meine Stimme, mein Herz und meine Seele gehören den Fünf«, sagte sie.

»Mögest du ihnen freudig und wahrhaft dienen«, beendete Nekaun das Ritual.

Der junge Mann, der vor ihr geweiht worden war, stand auf der anderen Seite des Sterns, der im Boden eingelassen war. Reivan stellte sich neben ihn. Während sie beobachtete, wie der nächste Dienernovize vor Nekaun hintrat, nahm sie ein eigenartiges Gefühl wahr. Etwas kitzelte sie an der Stirn. Sie kratzte sich, aber das Gefühl kam von irgendeinem Ort innerhalb ihres Kopfes. Schließlich schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl. Sofort wurde es zu etwas, das sie verstand.

Willkommen, Reivan.

Sie schlug die Augen auf und wandte sich um, um Imenja anzusehen. Die Stimme gehörte eindeutig ihrer Herrin, aber sie wusste, dass sie sie nicht mit ihren Ohren gehört hatte. Die Zweite Stimme lächelte.

Ja, wir können jetzt durch unsere Gedanken zueinander sprechen.

Imenjas Lippen hatten sich nicht bewegt.

Ich… ich kann dir auf demselben Weg antworten?

Ja.

So fühlt es sich also an, wenn man Magie benutzt?

Imenjas Lächeln wurde breiter.

Ja und nein. Niemand ist wirklich ganz ohne Befähigungen, Reivan. Der Anhänger kann nur funktionieren, wenn du über gewisse magische Fähigkeiten verfügst. Jeder besitzt magische Fähigkeiten, selbst jene, die wir als unbefähigt erachten. Du ziehst nicht bewusst Magie in dich hinein oder bedienst dich ihrer, um diese Aufgabe zu erfüllen, und du brauchst keine wirkliche magische Fähigkeit, um dies zu tun, daher ist es in dieser Hinsicht ganz anders als die Benutzung von Magie.