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Gemeinsam trugen die beiden Männer sie hinauf. Sie hatte keine Kraft mehr, um sich zur Wehr zu setzen.

Wo bringen sie mich hin? Interessiert es mich überhaupt? Sie bringen mich von hier fort. Vielleicht ist es dort, wo immer sie mich hinbringen, besser. Schlimmer kann es jedenfalls kaum werden.

Als die beiden Männer sie mit den Füßen nach oben drehten, wahrscheinlich um sie auf das Deck zu tragen, schoss ihr das Blut in den Kopf. Kühlere Luft drang durch das Sackleinen. Sie hörte das Geräusch von Schritten auf Holz, dann auf einer härteren Oberfläche. Ein Gewirr von Stimmen drang an ihre Ohren, Stimmen, die immer lauter wurden, bis sie überall um sie herum waren.

Ein modriger Gestank folgte. Sie wurde auf eine harte Oberfläche geworfen, dann wurde eine Tür geschlossen, so dass die Stimmen nur noch gedämpft klangen. Irgendjemand in ihrer Nähe sprach einige schroffe Worte. Sie hörte eine gemurmelte Antwort, dann entfernten sich die Schritte.

Eine Stimme blaffte ein Wort. Die Oberfläche unter ihr bewegte sich plötzlich. Was es auch war, worauf sie lag, es begann sanft hin und her zu schaukeln, doch es fühlte sich anders an als die Bewegungen des Schiffs. Sie glitt in einen Zustand zwischen Schlafen und Wachen, zu müde, um den eigenartigen Geräuschen um sie herum Beachtung zu schenken. So viele Stimmen konnten nur bedeuten, dass sie sich unter einer großen Ansammlung von Landgehern befand. Sie hätte eigentlich Angst haben sollen, aber nicht einmal dafür war ihr noch genug Energie geblieben.

Die Stimmen erstarben langsam. Lange Zeit konnte sie nur das Geräusch rhythmischer Schritte in ihrer Nähe hören. Türen wurden geöffnet und geschlossen, und der Lärm weckte sie schließlich. Sie spürte, wie sie hochgehoben und kurz darauf wieder auf den Boden gelegt wurde.

Stille folgte. Am Rand ihres Bewusstseins nahm sie wahr, dass in der Nähe ihrer Füße etwas geschah. Das Tuch um sie straffte sich, und sie stieß einen hohen Schrei der Überraschung aus, als sie aus dem Sack rutschte.

Sie fiel in kühles, willkommenes Wasser, das ihr half, den Kopf wieder freizubekommen. Sie befand sich in einem runden Becken innerhalb eines ebenfalls runden Raums mit einer Kuppeldecke. In der Mitte des Beckens stand eine eigenartige kleine Skulptur, die eine Frau mit einem Fischschwanz statt Beinen zeigte. Aus ihrem Kopf wuchsen Haare, wie es bei Landgehern der Fall war.

Eine Fischfrau. Soll das etwa eine Elai sein? Sie schnaubte angewidert.

Der Mann, den der Anführer der Plünderer in den Rumpf hinuntergebracht hatte, stand lächelnd in der Nähe. Jetzt hob er die Arme und deutete auf ihre Umgebung. Sie konnte nicht erraten, was er meinte.

Er beobachtete sie eine Weile, dann zog er sich durch einen Bogengang zurück. Er streckte die Hand nach einer Seite aus, umfasste ein aus Metallstäben gemachtes Tor und zog es zu. Immer noch lächelnd ging er davon.

Imi wartete, bis seine Schritte verklungen waren, dann hievte sie sich aus dem Becken. Es war nicht leicht – der Rand des Beckens lag etwa eine Armeslänge über dem Wasserspiegel, und sie war so müde. Die Anstrengung erschöpfte sie, und sie blieb keuchend liegen, bis die Welt um sie herum aufhörte, sich zu drehen. Schließlich zog sie sich auf die Füße und ging zu dem Metalltor. Sie umfasste die Gitterstäbe und drückte. Das Tor bewegte sich nicht. Sie untersuchte den Riegel, an dem eine Art Metallschloss befestigt war. Dahinter war alles dunkel.

Natürlich, dachte sie. Sie ließ sich auf die Knie sinken und drehte sich zu dem Becken und der lächerlichen Skulptur um. Das ist jetzt mein Gefängnis. Ich bin ein Zierstück wie diese Statue. Der Mann, der mich angestarrt hat, wird jetzt wahrscheinlich ständig herkommen, um mich zu beobachten.

Sie kroch an den Rand des Beckens, das keine flachen Bereiche aufwies, in denen sie hätte liegen können. Wenn sie versuchte, dort zu schlafen, würde sie ertrinken. Sie würde alle paar Stunden aufwachen und ihre Haut befeuchten oder riskieren müssen, auszutrocknen und… Sie beugte sich vor und schöpfte mit der Hand ein wenig Wasser, das sie an die Lippen führte, um daran zu nippen.

Süßwasser, dachte sie. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis ich krank werde.

Sie schüttelte den Kopf. Ich bin zu müde, um darüber nachzudenken. Sie legte sich auf den kühlen Steinboden und sank in einen erschöpften Schlaf.

Emerahl blickte von ihrer Arbeit auf und blinzelte in den feinen Regen. Ein trostloser Tag, dachte sie. Aber der Kapitän ist glücklich. Wir haben einen guten Fang gemacht.

Auf der rechten Seite ragte die hohe Wand der torenischen Klippen auf. Am Tag zuvor, als sie an dem Leuchtturm vorbeigekommen waren, waren sie viel weiter draußen auf See gewesen. Als Emerahl zu dem fernen weißen Turm hinübergeblickt hatte, hatte sie eigentlich erwartet, Bedauern zu empfinden. Sie hatte so lange in dieser entlegenen Ruine gelebt. Doch sie hatte sich nur abgestoßen gefühlt.

All diese Jahre habe ich in vollkommener Abgeschiedenheit verbracht, nur mit erbärmlichen Schmugglern als Nachbarn. Es ist mir unbegreiflich, dass ich nicht vor Langeweile gestorben bin. Es tut so gut, wieder unter anständigen, hart arbeitenden Menschen zu sein.

Emerahl wandte sich wieder den Fischen zu, die ausgenommen werden mussten, aber ein Licht lenkte ihre Aufmerksamkeit erneut auf die Klippen. Als sie eine Felsnase passierten, tauchten weitere Lichter auf. Dies war ihr Ziel. Yaril.

Dort – so hatte man ihr erzählt – lebte ein junger Mann, den die Möwe vor sechs Monaten vor dem Ertrinken gerettet hatte. Sie hatte inzwischen viele Geschichten über den rätselhaften Meeresjungen gehört. Jeder, der an der Küste lebte, kannte jemanden, der von einer Begegnung mit der Möwe berichten konnte. Dieselben Geschichten wurden in jeder Stadt wiederholt. Vielleicht stand niemand wirklich in Verbindung mit dem Helden, und die Leute behaupteten lediglich, ihn zu kennen, um eine bessere Geschichte erzählen zu können, aber diese Städte waren klein, und es war möglich, dass alle Menschen einander kannten, und sei es auch nur flüchtig.

Tatsächlich fand Emerahl die Vorstellung erheiternd, dass sie alle durch diese Geschichten miteinander verbunden waren.

Yaril war jetzt deutlich zu sehen. Für die Fischer war es lediglich ein guter Ort, um ihren Fang zu verkaufen. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Der Kapitän hatte sie nur unter der Bedingung nach Yaril mitgenommen, dass sie sich nützlich machte. Sie hatte nichts gegen die Arbeit. Auf diese Weise konnte sie ihre Hände beschäftigen, während sie über all die Dinge nachdachte, die sie erfahren hatte.

Als sie sich der Stadt näherten, überließ die Mannschaft die Vorbereitung des Fangs Emerahl, während die Seeleute das Boot in eine flache Bucht steuerten. Sie beeilte sich, die letzten Fische auszunehmen, dann stand sie auf und sammelte ihre Habe ein. Ihre Kleider stanken nach Fisch, und ihre Haut war klebrig von Schweiß und Salzwasser. Sobald sie an Land war, würde sie sich ein Zimmer nehmen und sich selbst und ihre Sachen waschen.

Die Mannschaft manövrierte das Boot an eine kurze Mole. Sobald es nahe genug war, sprang Emerahl von Bord. Sie drehte sich noch einmal um und nickte dem Kapitän dankend zu, bevor sie mit langen Schritten nach Yaril ging.

Im Gegensatz zu den meisten Städten an der Küste Torens lag Yaril nicht oben auf den Klippen. Hinter der Felsnase hatte ein schmaler Fluss das steile Kliff teilweise abgetragen, und auf dem so entstandenen Hang waren Häuser gebaut worden. Es gab keine Straßen in der Stadt, nur Treppen, die auf und ab führten, und enge Pfade kreuz und quer auf dem Hang. Emerahl blieb stehen, um einen Mann anzulächeln, der die Treppen herunterkam und sie mit unverhohlener Neugier anstarrte.

»Einen guten Tag wünsche ich dir. Gibt es hier irgendwo ein Quartier für Reisende?«