Выбрать главу

Renva schluckte. Ich hoffe, er hat recht. Sie holte tief Luft und zwang sich, nach den Leuten über ihr zu rufen.

»Männer und Frauen des Himmels. Siyee. Wir wollen keinem von euch Schaden zufügen. Kommt herunter, damit wir mit euch sprechen können.«

Die durchdringenden Pfiffe der fliegenden Menschen, in die sich eigenartige Wörter mischten, hallten im Wald wider. Sie sprachen miteinander, vermutete Renva. Sie erwartete nicht, dass sie sie verstanden, hoffte aber, dass sie ihre friedlichen Absichten in ihrer Stimme hören würden. Die Weiße Zauberin verstand sie vermutlich. Es hieß, diese Zauberer könnten Gedanken lesen.

»Ich bin die Ergebene Götterdienerin Renva, und dies sind meine Begleiter. Wir haben einen weiten Weg auf uns genommen, weil wir hofften, eure Freundschaft erringen zu können«, erklärte sie ihnen. »Wir sind…«

Ein schwacher Lufthauch fuhr durch die Blätter, als drei der Siyee durch die Baumwipfel glitten. Sie landeten auf Ästen hoch über ihr und blickten auf Renva und ihre Leute hinab. Im nächsten Moment hörte sie eine Stimme hinter sich.

»Wenn eure Absichten friedlich sind, warum habt ihr dann nicht die Sprache der Einheimischen gelernt, bevor ihr hierhergekommen seid?«

Renva fuhr herum. Die Weiße Zauberin stand, nicht weit von ihr entfernt, auf einem der unteren Äste eines Baums.

»Wir haben niemanden, der uns die Sprache hätte lehren können«, antwortete Renva. »Wenn es anders gewesen wäre, hätten wir sie gelernt.«

Die Weiße Zauberin blickte nach oben und sprach eine Abfolge fremdartiger Worte. Eine der Siyee über ihr antwortete. Die Zauberin lächelte schwach, dann wandte sie sich wieder Renva zu.

»Ich bin lediglich als Beschützerin und Übersetzerin hier. Sprecherin Sirri, die Anführerin der Siyee, wünscht zu wissen, warum ihr ungebeten in Si eingedrungen seid.«

Renva sah zu der Siyee auf, die gesprochen hatte. Eine Frau führt sie an. Interessant.

»Wir sind hier, um Frieden mit den Siyee zu schließen.«

Die Weiße Zauberin übersetzte. Oder zumindest hoffe ich, dass sie es tut, dachte Renva. Woher soll ich wissen, ob sie meine Worte nicht zu ihren Gunsten verfälscht?

Gib Acht, wie du deine Fragen formulierst, riet ihr Nekaun.

Die Anführerin der Siyee sprach.

»Sprecherin Sirri sagt: ›Wenn ihr Frieden schließen wollt, lasst uns in Ruhe. Geht fort und kehrt nicht zurück‹«, sagte die Weiße Zauberin.

»Wollt ihr uns keine Chance geben, die Kluft zwischen unseren Völkern zu überwinden?«, fragte Renva.

Ein anderer Siyee antwortete.

»Die Kluft ist zu groß. Wie könnt ihr von uns erwarten, dass wir euch verzeihen, euch, die ihr die Länder unserer Verbündeten überfallen und so viele unserer Väter und Söhne, Mütter und Töchter ermordet habt?«

»Müssen wir dann für immer Feinde bleiben?«

»Freundschaft muss man sich verdienen«, erwiderte die Anführerin der Siyee. »Vertrauen wächst nicht, wenn ein Feind ungebeten in ein Haus eindringt.«

»Wie können wir euer Vertrauen gewinnen? Wie können wir auch nur eure Sprache lernen, wenn wir nicht … Werdet ihr stattdessen nach Avven kommen?«

Die Siyee sahen einander an.

»Vielleicht eines Tages, wenn wir uns sicher wären, dass uns dort keine Gefahr droht.«

»Ich schwöre bei den Fünf Göttern, dass ihr nichts zu befürchten hättet«, sagte Renva ernst.

Daraufhin wirkten die Siyee spürbar beklommen. Der ältere Mann ergriff wieder das Wort. Die Weiße Zauberin schien überrascht zu sein und stutzte kurz, bevor sie übersetzte.

»Sprecher Iriz sagt: ›Wenn ihr versucht, irgendeinen Siyee dazu zu bringen, euren Göttern zu huldigen, werdet ihr scheitern. Huan hat uns erschaffen, und wir werden uns niemals von ihr abwenden.‹«

Sie glauben, ihre Götter hätten sie erschaffen?, murmelte Nekaun.

So sieht es aus, antwortete sie.

Tut, was sie sagen, wies er sie an. Verlasst ihr Land.

Ja, Heiliger.

Renva neigte den Kopf. »Freundschaft war der Grund, warum wir hierhergekommen sind. Um unsere Vertrauenswürdigkeit zu beweisen, werden wir fortgehen, wie es euer Wunsch ist. Ich hoffe, dass sich in Zukunft eine neuerliche Gelegenheit bieten wird, Frieden zwischen uns zu schließen.«

Die Zauberin übersetzte, dann brachten die Siyee ihre Zustimmung zum Ausdruck. Sie sprangen von ihren Bäumen und schwangen sich in die Luft. Die Zauberin zögerte einen Moment lang und musterte Renva, als versuche sie, sie zu durchschauen.

»Einige Späher der Siyee werden euch beobachten«, warnte sie sie. »Wenn ihr euer Wort brecht, werden wir es erfahren.«

Sie ließ sich in die Höhe treiben und gewann so schnell an Tempo, dass der Blätterbaldachin der Bäume unter ihr vibrierte. Renva schüttelte voller Ehrfurcht den Kopf. Es war unglaublich, dass jemand über so große magische Talente verfügen konnte, dass er dem Sog der Erde zu trotzen vermochte.

Und es ist überaus niederschmetternd zu wissen, welche Strapazen uns bevorstehen, wenn wir jetzt zur Küste zurückreisen müssen.

Lasst euch Zeit, sagte Nekaun in ihre Gedanken hinein. Eure Situation könnte sich bis zu eurer Ankunft an der Küste verändern.

Das will ich nicht hoffen, schoss es ihr durch den Kopf. Gleichzeitig stiegen Gewissensbisse in ihr auf, dass sie so dachte. Sie sollte bereit sein, alles zu ertragen, um den Göttern zu dienen.

Aber du brauchst keinen Gefallen daran zu finden, erklärte Nekaun, dessen Gedankenstimme deutliche Erheiterung übermittelte. Sie lachte. Als ihre Reisegefährten sich mit fragender Miene zu ihr umwandten, fasste sie sich wieder.

»Wir werden bis zum Einbruch der Dämmerung denselben Weg zurückgehen, über den wir gekommen sind«, verkündete sie, »und dann werden wir uns einen guten Ruheplatz für die Nacht suchen.« Sie blickte zu dem Felskamm hinauf. »Du kannst wieder herunterkommen«, rief sie Vengel zu, der sich über den Rand beugte und zu ihr hinabspähte. »Wir reisen heim.«

23

Schmerz stürmte auf Imi ein, als sie erwachte, und die Welt schien sich um sie herum zu drehen. Ihre Haut brannte, ihre Glieder taten weh, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Jemand hob sie hoch. Eine Stimme erregte ihre Aufmerksamkeit – die Stimme eines Mannes, der leise und besänftigend auf sie einsprach. Er klang wie ihr Vater.

Mit einem Schlag war sie hellwach. Konnte das sein? War er endlich gekommen, um sie zu retten? Sie schlug die Augen auf und blickte in ein fremdes Gesicht. Die Haut des Mannes war bleich, und sowohl auf seinem Gesicht als auch auf seiner Kopfhaut wuchs Fell.

Er war ein Landgeher, aber nicht der Landgeher, der sie hierhergebracht hatte. Er erwiderte ihren Blick, und die beiden fellbewachsenen Linien über seinen Augen zogen sich zusammen, als er die Stirn runzelte. Sie nahm ein leises Gluckern um sich herum wahr und begriff, dass er in dem Becken stand. Jetzt ließ er sie langsam hinab. Für einen Moment stieg Panik in ihr auf, und sie setzte sich schwach zur Wehr. Das Becken war zu tief, und sie hatte keine Kraft, sich wieder herauszuziehen. Sie würde ertrinken.

Aber sobald sie Wasser auf ihrem Rücken spürte, saß sie auch schon auf dem Boden des Beckens. Der Landgeher ließ sie los, blieb aber an ihrer Seite hocken. Dann begann er, sie mit Wasser zu bespritzen. Das Wasser brannte auf ihrer Haut, dann schenkte es ihr ein wenig Kühlung. In der Luft lag ein angenehmer Geruch – der Geruch des Meeres. Er kam von dem Wasser. Sie hob eine Hand an den Mund und kostete es.

Meerwasser. Sie versuchen mir zu helfen, wieder gesund zu werden.

Der Gedanke hätte sie erleichtern müssen, aber er brachte nur Furcht und die erschreckende Erkenntnis, dass sie nackt war. Wo war ihr Hemd? Würden sie ihr neue Kleider geben? Was würden sie mit ihr machen, wenn sie wieder gesund war? Was würden sie von ihr verlangen? Vielleicht war es besser, wenn sie nicht gesund wurde. Vielleicht war es besser, wenn sie starb.