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Doch, das könnte ich. Arleej wäre vielleicht nicht allzu begeistert davon, aber ich könnte Tyve nach Somrey schicken. Möglich, dass sie mich dafür verflucht, dass ich ihr einen weiteren Schüler aufbürde, aber sie wird begreifen, welche Vorteile es hätte, Siyee-Traumweber zu haben.

Den Weißen wird das nicht gefallen, warnte Leiard ihn. Wenn die Götter hören, dass ein Traumweber einen Siyee ausbildet, werden sie der Sache nachgehen. Sie werden feststellen, dass Tyve von jemandem unterwiesen wird, zu dessen Geist sie keinen Zutritt haben, und das wird ihren Argwohn wecken, was deine Identität betrifft.

Mirar dachte einen Moment lang nach. Sollte Tyve sich dafür entscheiden, Traumweber zu werden, wird er begreifen und akzeptieren müssen, dass diese Angelegenheit geheim bleiben muss und dass ich gezwungen sein könnte, ihn zur Vollendung seiner Ausbildung nach Somrey zu schicken.

Wo es nicht länger notwendig wäre, ein Geheimnis daraus zu machen. Das würde dir gefallen, nicht wahr? Die Weißen haben gerade erst angefangen, die ersten Priester und Priesterinnen in Siyee auszubilden, und es wäre dir ein Vergnügen, wenn sie erfahren würden, dass du zur gleichen Zeit den ersten Siyee-Traumweber ausbildest.

Es wäre in der Tat recht befriedigend, gab Mirar zu.

»Wilar?«

Er blickte zu Tyve auf.

»Was muss ich tun?«, fragte der Junge.

Mirar lächelte. »Ich werde es dir erklären, aber nicht jetzt. Wir müssen unsere Arbeit fortsetzen.«

Tyve nickte. Er sah das kleine Mädchen an, das im Schneidersitz auf dem Boden saß. »Sie zeigt die ersten Symptome. Was sollen wir tun?«

Mirar wandte sich dem Mädchen zu und winkte es heran. »Komm her, Kleine. Wie heißt du?«

28

Ein sanfter Lichtschimmer wärmte den östlichen Horizont, aber die Luft war kühl. Auraya drehte sich nach Reet um, der jedoch nicht an ihrer Seite war. Erschrocken sah sie sich um. Er flog unter ihr. Zu ihrer Erleichterung gab er weder seiner Schwäche noch der Herzzehre nach, sondern schwebte langsam auf ihr Ziel zu.

Sie folgte ihm hinab, ließ sich durch eine Lücke in dem Blätterbaldachin des Waldes sinken und wich den Zweigen der gewaltigen Bäume aus.

Reet stieß einen Pfiff aus, auf den einige wenige schwache Antworten folgten. Auraya schaute sich um und bemerkte etliche Lauben, die auf Plattformen hoch oben in den Bäumen erbaut waren. Eine dieser Plattformen steuerte der Bote an.

Er hatte sich für die Laube des Stammesführers entschieden. Auraya, die kurz nach dem jungen Siyee landete, lächelte, als eine alte Frau aus der Laube geschlurft kam. Sie war die Ehefrau des Sprechers, wie sie aus ihren Gedanken las. Ihr Lächeln verblasste jedoch, als sie die Symptome der Krankheit erkannte.

»Ich habe Hilfe geholt«, sagte Reet müde. Dann wandte er sich zu Auraya um. »Auraya von den Weißen ist gekommen, um uns beizustehen. Das ist Tryli, die Frau von Sprecher Veece.«

Die alte Frau lächelte erschöpft. »Willkommen, Auraya von den Weißen. Unter normalen Umständen hätte Veece dich auf die traditionelle Weise begrüßt, aber er ist krank. Daher ist es an mir, dir für dein Kommen zu danken.«

Auraya nickte. »Wie viele von euch sind bereits krank?«

»Die meisten, aber seit der Heiler hier erschienen ist, haben wir niemanden mehr verloren.«

Reet richtete sich auf und grinste. »Tyve hat ihn also überredet herzukommen!«

Auraya blinzelte überrascht. Sie schaute in die Gedanken der Frau und las darin, dass ein Mann gekommen war, um die Kranken zu behandeln.

»Ein Landgeher?«, fragte sie erschrocken. War einer der Pentadrianer zurückgeblieben? Hatten die Pentadrianer die Siyee mit der Krankheit angesteckt?

»Wilar«, sagte Tryli nickend. »Er ist vorgestern hier erschienen und hat zwei Nächte und einen Tag ohne Unterlass gearbeitet. Du kommst gerade zur rechten Zeit. Ich habe mir Sorgen gemacht, was mit ihm geschehen könnte, wenn er sich keine Ruhe gönnt, aber meine Angst vor dem, was passieren würde, wenn er es tut, war nicht minder groß. Und Tyve…«

Ihre Worte gingen in einem durchdringenden Pfiff unter. Sie alle wandten sich ab und sahen zu, wie ein junger Siyee auf sie zugeflogen kam.

»Tyve!«, rief Reet, und die Erleichterung verlieh seiner Stimme neue Kraft. Als der Neuankömmling landete, lächelte Auraya. Selbst wenn sie Reets Gedanken nicht hätte lesen können, hätte sie gewusst, dass der andere Siyee sein Bruder war. Die beiden sahen einander ungeheuer ähnlich.

»Reet!«, erwiderte Tyve. »Du hast es geschafft. Warte!« Er streckte die Hände aus, um seinen Bruder daran zu hindern, ihn zu umarmen. »Wir müssen vorsichtig sein. Ich war mit vielen Kranken zusammen und könnte mich angesteckt haben. Ich möchte die Krankheit nicht an dich weitergeben.«

Reet starrte Tyve entsetzt an. »Du hast sie…?«

Tyve zuckte die Achseln. »Ich glaube es nicht, aber Wilar sagt, dass wir darauf achten sollen, einander nicht zu berühren oder anzuhauchen.« Sein Blick wanderte zu Auraya hinüber. »Willkommen, Auraya von den Weißen. Bist du ebenfalls hier, um uns zu helfen?«

Auraya nickte. »Ja. Tryli hat mir soeben von dem Heiler erzählt, der eure Kranken behandelt. Würdest du mich zu ihm bringen?«

Tyve grinste. »Natürlich. Folge mir.«

Als Tyve sich vom Rand der Plattform abstieß, erhob sie sich ebenfalls in die Luft. Zwischen den Plattformen waren Seile gespannt, und sie mussten über und unter diesen Seilen hinwegtauchen. Als Auraya Tyves Gedanken las, erfuhr sie, dass die Seile seine Idee gewesen waren und dass sie es dem Heiler ermöglichten, sich mühelos von einer Plattform zur nächsten zu bewegen.

Ein vertrauter Aufwind machte es Tyve möglich, ein wenig höher zu fliegen. Er wich einem Ast aus und glitt auf eine große Plattform mit drei Lauben hinab. Nach seiner Landung wartete er auf Auraya, dann führte er sie zum Eingang einer der Behausungen.

Das Innere war schwach beleuchtet, und die einzige Lichtquelle war eine Lampe. Zwei Siyee-Kinder lagen in ihren Betten, und hinter ihnen lag in einem anderen Bett eine Frau. Vor ihnen stand ein Traumweber, der Auraya den Rücken zukehrte.

Natürlich, dachte sie. Es musste ein Traumweber sein. Wer sonst würde sich die Mühe machen, an einen entlegenen, wilden Ort zu reisen, um andere zu heilen?

Irgendetwas war merkwürdig an dem Mann. Sie brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, was es war.

Ich kann seine Gedanken nicht lesen! Ich kann überhaupt nichts von ihm auffangen! Ich kann

Der Mann drehte sich zu ihr um, und sie erstarrte.

Leiard!

Sein Haar war schwarz, und er war glattrasiert. Er hatte zugenommen. Aber er war es, ohne Zweifel. Ihr Magen krampfte sich zusammen, während gleichzeitig ein Gefühl des Jubels in ihr aufstieg. Irgendwie gelang es einem Teil von ihr, genug Distanz zu wahren, um diese widersprüchliche Reaktion erheiternd zu finden. Bin ich glücklich, ihn zu sehen – oder nicht?

Sie brauchte seine Gedanken jedoch nicht zu lesen, um zu sehen, dass er entsetzt war. Sein Blick war kalt, und sein Mund verzog sich langsam zu einem freudlosen Lächeln.

Tyve deutete mit der Hand auf ihn. »Das ist Wilar, der Traumweber«, sagte er, und seiner Stimme war anzuhören, dass er die Bedeutung dieser Bekanntmachung genoss. »Wilar Traumweber, das ist…«

»Auraya von den Weißen«, beendete Leiard leise seinen Satz. »Wir sind einander schon begegnet.«

Tyve verströmte Überraschung und Neugier. »Ihr kennt einander?«

»Ja«, antwortete sie. »Obwohl er damals unter einem anderen Namen bekannt war.« Und sein Haar war nicht so dunkel, fügte sie im Stillen hinzu. Es steht ihm nicht besonders gut.

»Ein Name, den ich hinter mir gelassen habe«, erwiderte er. »Zusammen mit den Fehlern, die ich gemacht habe. Mir wäre es lieber, wenn du meinen alten Namen nicht benutzen würdest«, fügte er hinzu. »Ich bin jetzt Wilar.«