«Aussagen?«Gervase zog die Brauen hoch.
«Wo Sie gestern und letzte Nacht waren, Sir.«
«Großer Gott«, sagte Gervase.»Sie glauben doch nicht etwa, daß einer von uns das getan hat?«
«Das müssen wir eben herausfinden.«
«Es ist absurd.«
Keiner von den anderen sagte etwas, nicht einmal Joyce.
Der Kommissar beriet sich mit einem uniformierten Kollegen, der damit beschäftigt war, seine Männer um das Haus zu postieren, damit die immer zahlreicheren Schaulustigen ihm nicht zu nah kamen. Die Neuigkeit hatte sich offenbar herumgesprochen. Der Gratis-Guckkasten lockte schon die Nachbardörfer an, wenn nicht sogar Twyford.
Etliche Familienangehörige, darunter Malcolm, Joyce und ich, stiegen in die drei Polizeiautos, die in der Auffahrt standen, und Gervase, Ferdinand und Serena gingen zu Fuß zu den Wagen zurück, in denen sie gekommen waren.
«Ich würde es Alicia glatt zutrauen«, sagte Joyce finster zu dem Kommissar, als wir auf dem Weg zum Tor an ihnen vorbeifuhren,»daß sie ihre Brut angestiftet hat, Quantum in die Luft zu sprengen.«
«Haben Sie irgendwelche Gründe für diese Aussage, Mrs. Pembroke?«
«Aussage? Es ist meine Meinung. Sie ist ein Biest.«
Auf dem Beifahrersitz hoben und senkten Yales Schultern sich mit einem Seufzer.
Die Straße draußen war immer noch von Autos verstopft, und immer noch mehr Leute kamen angewandert. Yales Fahrer hielt neben dem Wagen von Joyce, den sie in ihrer Hast mitten auf der Straße hatte stehenlassen, und dirigierte sie, als sie wieder drinsaß, beim Umdrehen. Mit ihr im Kielwasser gelangten wir dann zu dem Leihwagen, in dem Malcolm und ich gekommen waren; da er jedoch auf drei Seiten hoffnungslos von drei anderen abgeschlossenen Fahrzeugen eingepfercht war, ließen wir ihn stehen und fuhren mit dem Streifenwagen weiter.
Auf der großen, modernen Polizeiwache mit ihrem kugelsicheren Informationsschalter komplimentierte uns der Kommissar durch bruchfeste Türen in sein Büro und befahl einer Polizistin, Joyce auf eine Tasse Tee mit hinauszunehmen. Joyce ging unter Protest, und mit einem neuerlichen Seufzer bat uns Yale, in seinem kahl wirkenden Arbeitsraum skandinavischen Stils Platz zu nehmen.
Er betrachtete uns brütend über den großen Schreibtisch hinweg. Er betrachtete seine Fingernägel. Er räusperte sich. Schließlich sagte er zu Malcolm:»In Ordnung. Sie brauchen es nicht auszusprechen. Ich glaube nicht, daß Sie Ihr Haus in die Luft sprengen würden, bloß um uns vorzugaukeln, daß Ihnen jemand nach dem Leben trachtet.«
Eine lange Pause entstand.
«Demzufolge«, sagte er, da wir beide schwiegen,»müssen wir den Überfall in der Garage ernster nehmen.«
Er hatte es schwer, dachte ich. Er strich mit Finger und Daumen an seinem dicken schwarzen Schnurrbart entlang und wartete auf eine Äußerung von uns, die immer noch nicht kam.
Er räusperte sich nochmals.»Wir werden unsere
Anstrengungen, Moira Pembrokes Mörder zu finden,
verdoppeln.«
Malcolm rührte sich schließlich, holte seine Zigarrendose heraus, steckte eine Zigarre in den Mund und klopfte seine Taschen nach Streichhölzern ab. Ein Plastikschild auf Yales Schreibtisch besagte Rauchen unerwünscht. Malcolm ließ seinen Blick kurz darauf ruhen, zündete das Streichholz an und sog die Flamme in den Tabak.
Yale beschloß, nicht zu protestieren, und brachte aus einer unteren Schreibtischlade einen gläsernen Aschenbecher zum Vorschein.
«Ich wäre schon zweimal tot«, sagte Malcolm,»wenn Ian nicht wäre.«
Er berichtete Yale von dem Wagen, der in Newmarket geradewegs auf uns zugeschossen war.
«Warum haben Sie das nicht angezeigt, Sir?«sagte Yale stirnrunzelnd.
«Was meinen Sie wohl?«
Yale strich sich über seinen Schnurrbart und schwieg.
Malcolm nickte.»Ich war es leid, auf Unglauben zu stoßen.«
«Und, ehm. gestern abend?«fragte Yale.
Malcolm erzählte ihm von unserem Tag in Cheltenham und von den Zimmertüren in Quantum.»Ich wollte in meinem eigenen Bett schlafen. Ich war müde. Ian war strikt dagegen und fuhr uns nach London.«
Yale sah mich fest an.»Hatten Sie eine Vorahnung?«
«Nein, ich glaube nicht. «Ich hatte kein Frösteln gespürt wie in meiner Wohnung. Vielleicht hatte die Vorahnung bei mir daheim sich auf Quantum bezogen.»Ich hatte einfach… Angst«, sagte ich.
Malcolm warf mir einen interessierten Blick zu.
Yale sagte:»Wovor?«
«Nicht vor Bomben«, erwiderte ich.»Daran habe ich nie gedacht. Angst, daß jemand im Haus wäre. Ich hätte da nicht schlafen können, das ist alles. «Ich hielt inne.»Ich hatte selbst gesehen, wie der Wagen in Newmarket auf meinen Vater losfuhr — schließlich hat er mich am Bein erwischt —, und natürlich glaubte ich ihm die Geschichte von dem Überfall und dem Abgas in der Garage. Ich wußte, daß er Moira nicht umgebracht hatte oder sie von jemand anders hatte umbringen lassen. Ich glaube voll und ganz, daß er in größter Gefahr ist. Wir sind herumgezogen und haben bis diese Woche niemand wissen lassen, wo wir uns aufhalten.«
«Meine Schuld«, sagte Malcolm düster.»Ich wollte unbedingt wieder her. Ian war dagegen.«
«Als die Türen in einem anderen Winkel standen«, sagte ich,»war es Zeit zu gehen.«
Yale dachte eine Weile still darüber nach und fragte dann:»Haben Sie, als Sie sich in dem Haus umschauten, außer den
Türen noch etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
«Nein, nichts.«
«Nichts, was fehl am Platz war? Oder von seinem Platz verschwunden?«
Ich dachte an die atemlose, herzklopfende Suche zurück. Wer immer die Türen angerührt hatte, mußte zumindest ins Büro und ins Eßzimmer geschaut haben. Um die Position der anderen Türen hatte ich mich nicht gekümmert, nur die von der Küche zum Flur hatte ich geschlossen. Es konnte sein, daß jemand in sämtliche Zimmer des Hauses geschaut hatte.
«Nein«, sagte ich schließlich.»Sonst kam mir nichts verändert vor.«
Yale seufzte wieder. Er seufzte ziemlich viel.»Sollte Ihnen später noch etwas einfallen, geben Sie mir Bescheid.«
«Ja, in Ordnung.«
«Der Zeitraum, mit dem wir es zu tun haben«, sagte er,»liegt zwischen 15.40 Uhr, als der Gärtner mit den Hunden nach Hause ging, und 22.30 Uhr, als Sie von Cheltenham wiederkamen. «Er schürzte die Lippen.»Wann wären Sie heimgekommen, wenn Sie nicht auswärts gegessen hätten?«
«Wir wollten auswärts essen«, sagte Malcolm.»Deswegen hatte Arthur die Hunde.«
«Ja, aber wenn…«
«Gegen 18.30 Uhr«, sagte ich.»Wenn wir nach dem letzten Rennen direkt heimgefahren wären.«
«Wir haben auf dem Rennplatz noch ein Glas getrunken«, sagte Malcolm.»Ich einen Scotch, Ian irgendwelchen schäumenden Fusel. «Er tippte Asche in den Aschenbecher. Er genoß es, daß Yale ihm endlich Glauben schenkte, und war offenbar in Redelaune.
«Ian nimmt an«, sagte er,»daß ich damals wahrscheinlich direkt vor der Küchentür bewußtlos geschlagen worden bin und daß man mich geradewegs von dort in die Garage getragen, nicht geschleift hat und daß es jemand war, den die Hunde kannten, da sie nicht gebellt haben. Sie sind an der Küchentür auf und ab gesprungen, wie sie es tun, wenn einer kommt, den sie kennen; daran entsinne ich mich. Aber sie springen sowieso rum, wenn es Zeit für ihren Spaziergang ist, deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht. «Er inhalierte eine Menge Qualm und entließ ihn in die vordem reine Luft des Kommissars.»Ach ja, und zu den Fingerabdrücken…«Er wiederholte, was ich über Feuerwehrgriffe gesagt hatte.
Yale sah mich neutral an und glättete seinen Schnauzer. Er war schwer zu durchschauen, dachte ich, vor allem weil er nicht durchschaut werden wollte. Ich nahm an, daß alle Polizeibeamten derartige Schranken errichteten und wie Ärzte und Anwälte nicht unbesehen glaubten, was man ihnen erzählte, so böse auch ein ehrlicher Mensch darüber werden konnte.