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Wosnesenski saß am Kommunikationsbildschirm in der Kuppel, Dr. Li an dem oben im Orbit. Die Leute auf der Erde konnten nach Belieben mit jeder Gruppe der Marsexpedition sprechen.

Vor dem offiziellen Beginn der Konferenz erschien Brumado auf dem Bildschirm. Er gratulierte seiner Tochter, und Joanna schickte ihm ein liebevolles Dankeschön. Jamie war beinahe eifersüchtig auf das warme Lächeln, das sie ihrem Vater schenkte. Als ihre Botschaft endlich bei ihm eintraf, ließ Brumado durch nichts erkennen, daß ihn das Aussehen seiner Tochter schockierte oder auch nur beunruhigte; sie hatte eine lächelnde Fassade vorgetäuscht und kein Wort über die körperliche Verfassung des Teams gesagt.

Wahrscheinlich ist er zu aufgeregt, um es zu merken, dachte Jamie. Vielleicht haben wir uns auch alle zu sehr in etwas hineingesteigert. Wenn man es im Fernsehen nicht sieht, wie schlimm kann es dann wirklich sein?

Die Reihenfolge, in der die Reporter ihre Fragen stellen würden, war vom Zentralrechner des Kontrollzentrums in Kaliningrad nach dem Zufallsprinzip festgelegt worden. Jeder fand, daß dies ein angemessen wissenschaftliches Verfahren zur Lösung des Prioritätsproblems war. Als erste war Hongkongs wichtigste Medienpersönlichkeit ausgewählt worden, eine auffallend schöne Frau mit einer Haut wie Porzellan und Mandelaugen, die schon Dichter inspiriert hatten.

»Zuerst möchte ich Ihnen zu der bedeutendsten Entdeckung in der Geschichte des Raumfahrtzeitalters gratulieren«, sagte sie in fehlerlosem britischem Englisch. Ihre Stimme war ein silberheller Sopran; sie sang die Worte beinahe. »Meine Frage lautet: Wer von Ihnen hat die Entdeckung eigentlich gemacht, und was haben Sie empfunden, als Ihnen klar wurde, daß Sie Leben auf dem Mars gefunden hatten?«

Joanna drehte sich in ihrem Sitz unschlüssig zu Ilona um, die neben ihr saß. Das Gesicht der Frau aus Hongkong wich dem von Brumado, der die Zeit überbrücken würde, bis ihre Antwort in Kaliningrad eintraf. Der Ton wurde automatisch so weit heruntergedreht, daß er kaum noch zu hören war.

»Ich kann das beantworten«, sagte Ilona und zwang sich zu einem Lächeln. »Doktor Brumado hat als erste erkannt, daß die Gebilde, die sie unter dem Mikroskop untersucht hat, lebendig waren. Sie ist unsere Biologin, und sie hat die Entdeckung gemacht.«

»Doktor Malater war bei mir«, sagte Joanna. »Wir haben zusammen an den Proben gearbeitet, die wir an diesem Morgen gesammelt hatten. Ich habe sie nur rein zufällig als erste unter dem Mikroskop gehabt, aber wir haben sie gemeinsam gesammelt und präpariert. Eigentlich müßte man also sagen, daß wir die Entdeckung gemeinsam gemacht haben.«

Ilona übernahm wieder. Ihre rauchige Stimme war über eine Oktave tiefer als die von Joanna. »Und was unsere Gefühle anbetrifft — es war der erregendste Moment meines Lebens. Besser als Sex.«

Joanna errötete trotz ihrer Blässe. »Es war sehr aufregend«, stimmte sie zu. »Ich denke, wir konnten es im ersten Augenblick beide nicht glauben. Als wir uns dann endlich davon überzeugt hatten, daß es real war, daß die Gebilde unter dem Mikroskop tatsächlich eine Lebensform waren, haben wir einander angesehen und kein Wort herausgebracht.«

»Was bei mir äußerst ungewöhnlich ist«, entfuhr es Ilona.

»Uns wurde bewußt, daß dies eine der bedeutendsten Entdeckungen in der Geschichte der Wissenschaft war. Ich empfand — wie soll ich sagen? — Ehrfurcht. Ja, genau. Es war wirklich ein Ehrfurcht einflößender Augenblick.«

»Ich hätte am liebsten getanzt«, sagte Ilona.

Jamie fügte im stillen hinzu: Aber du warst zu müde und zu schwach, um es zu versuchen.

»Wir müssen alle im Gedächtnis behalten«, fuhr Joanna ernster fort, »daß nicht nur Doktor Malater und ich diese Entdeckung gemacht haben. Doktor Waterman war derjenige, der erkannt hat, daß die Wahrscheinlichkeit, Leben zu finden, in diesem Grabenbruch am größten war. Die anderen Wissenschaftler und Astronauten — ohne sie wären wir niemals an diesen Ort gelangt. Alle Männer und Frauen dieser großartigen Expedition, alle Männer und Frauen, die diese Mission auf der Erde unterstützen — sie alle waren an dieser Entdeckung beteiligt. Wir sind ein Team, das über zweihundert Millionen Kilometer weit in den Weltraum hinausgreift und zwei Welten umspannt. Jeder von uns hat eine wichtige Rolle gespielt.«

Sie ist die Tochter ihres Vaters, sagte sich Jamie. Sie hat eine große Zukunft in der Wissenschaftspolitik.

Die Fragen waren größtenteils oberflächlich. Connors wurde von einem gelangweilt dreinschauenden Franzosen gefragt, wie er sich als einziger Schwarzer auf dem Mars fühle. Der Astronaut antwortete grinsend mit einem Wort: »Grandios!« Doch sobald auf dem Bildschirm wieder Brumado zu sehen war, der mit einem der opportunistischen Politiker plauderte, murmelte Connors: »Blöder Affe.«

Als Jamie an die Reihe kam, wurde er von einem amerikanischen Reporter gefragt, was er dabei empfinde, daß sein Kampf um die Änderung des Missionsplans und um die Exkursion zum Grand Canyon sich nun als gerechtfertigt erwiesen habe.

Jamie wünschte, Edith hätte es geschafft, zu der Pressekonferenz zugelassen zu werden; auf einmal sehnte er sich nach dem Anblick ihres fröhlichen Lächelns. Er antwortete dem Mann mit dem verkniffenen Gesicht: »Es hat gar keinen Kampf gegeben. Wir hatten einen Missionsplan, aber der war lange, bevor wir hierher kamen, auf der Erde ausgearbeitet worden. Glücklicherweise haben die Flugkontrolleure und der Expeditionskommandant, Doktor Li, ebenso wie Kosmonaut Wosnesenski und meine Wissenschaftlerkollegen alle eingesehen, daß es sinnvoll war, den Plan abzuändern und sich die Ergebnisse unserer Forschungsarbeiten hier auf dem Mars für das weitere Vorgehen zunutze zu machen. Wir waren flexibel genug, den Plan zu überarbeiten und dabei die Vorteile zu nutzen, die sich aus unseren neuen Entdeckungen ergeben hatten.«

Jamie merkte, daß es noch einen weiteren gewaltigen Vorteil hatte, auf dem Mars zu sein: Die Interviewer konnten einen nicht unterbrechen. Sie konnten einen auch nicht daran hindern, ausführlich Stellung zu nehmen und so umfassend zu antworten, wie man wollte.

»Noch etwas«, sagte er und vergaß für einen Augenblick seine Müdigkeit. »Wir haben mehr entdeckt als nur eine simple Flechte. Das Leben kann unmöglich auf eine einzige Gattung beschränkt sein. Das wissen wir von der Erde. Es muß hier eine marsianische Ökologie geben, eine Ordnung lebender Organismen. Es gibt mit Sicherheit Organismen, die in dieser Ordnung des Lebens tiefer stehen als die Flechte, die wir gefunden haben. Aber die interessante Frage ist: Gibt es auch Organismen, die in dieser Ordnung höher stehen? Oder hat es irgendwann einmal solche höheren Organismen gegeben?«

Er warf Joanna einen Blick zu; sie lächelte ihn ermutigend an. Connors klopfte ihm auf die Schulter.

»Hier in diesem Grand Canyon haben wir eine Gesteinsformation entdeckt, die möglicherweise nicht natürlichen Ursprungs ist. Es ist selbstverständlich eine gewagte Vermutung, aber es könnte sein, daß es einmal intelligente Marsianer gegeben hat. Wir haben die Gelegenheit — oder vielmehr die Pflicht —, neue Expeditionen zum Mars zu schicken, die für einen viel längeren Aufenthalt ausgerüstet sind, so daß sie sich mit einigen dieser Fragen befassen können.«

Jamie sah erfreut, wie Brumados Augen funkelten, als seine kleine Rede endlich auf der Erde eintraf.

Der nächste Reporter verzichtete auf seine vorbereitete Frage und stellte dafür die folgende: »Wollen Sie damit sagen, daß es auf dem Mars intelligente Lebewesen gegeben haben könnte?« Seine Augen waren ungläubig geweitet.

»Ja«, antwortete Jamie fest. »Es könnte welche gegeben haben. Wir wissen nicht, ob es sie wirklich gegeben hat. Die Wahrscheinlichkeit dürfte ziemlich gering sein, aber — wir wissen einfach nicht genug über den Mars, um es mit Sicherheit sagen zu können. Weder so noch so.«

Das Bild auf dem Monitor brach kurzzeitig zusammen, als jeder Reporter eine Frage über intelligente Marsianer einzuwerfen versuchte. Brumado konnte die Ruhe nur dadurch wiederherstellen, daß er über ihre Stimmen hinweg den Namen des nächsten Journalisten aufrief, der vom Computer ausgesucht worden war.